Politikfinanzierung: Und die Schweiz schweigt

Nr. 38 –

In Deutschland macht ein ominöser Verein von sich reden. Seit zwei Jahren wirbt er vor Wahlen für die rechtspopulistische AfD, aktuell im bayerischen Wahlkampf mit der Gratiszeitung «Deutschland-Kurier». Und doch will der Verein tunlichst nichts mit der Partei zu tun haben und die Partei nichts mit ihm. Nun zeigen Recherchen der WOZ, des ARD-Politikmagazins «Panorama» und von «Zeit Online» erstmals, dass es im bayerischen Wahlkampf Absprachen gegeben hat. Damit erhärtet sich der Verdacht, dass es sich bei der «Wahlhilfe» des Vereins um illegale Parteispenden handelt.

Die Spur des Vereins führt in die Schweiz: Für die Administration des «Deutschland-Kuriers» ist die Agentur Goal von SVP-Werber Alexander Segert zuständig. Der Werbeaufwand des AfD-Fanklubs beläuft sich Schätzungen zufolge auf eine zweistellige Millionensumme.

Parteispenden müssen in Deutschland ab einem Betrag von 10 000 Euro offengelegt werden. Die Sensibilität für das Thema ist insbesondere nach der Spendenaffäre von 1999 gestiegen. Damals wurde öffentlich, dass sich die CDU über ein labyrinthisches System von schwarzen Kassen finanzierte. Die Affäre beschädigte den Ruf des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl schwer und führte innerhalb der Partei zu heftigen Machtkämpfen, in denen sich die heutige Kanzlerin Angela Merkel durchsetzte. Schon damals war die Schweiz ein Schauplatz. Das Treffen der CDU-Finanzchefs mit einem Rüstungslobbyisten, das zu den Ermittlungen führte, fand auf einem Parkplatz in St. Margrethen statt.

Die Schweiz als Sekretariat für dubiose Parteiwerbung im Fall der AfD oder als Parkplatz für die Übergabe von Schwarzgeld damals bei der CDU: Beide Geschichten bestätigen das Bild des Alpenlands als neutrale Drehscheibe.

Doch wie steht es eigentlich hier um die Transparenz der Politikfinanzierung? Dass der Aufstieg der AfD mit anonymer Werbung befördert wurde, ist in Deutschland ja nur ein Skandal, weil es dort überhaupt ein Gesetz zur Offenlegung der Parteienfinanzierung gibt. Die Schweiz, die sich gerne als Musterland der Demokratie rühmt, kennt noch nicht einmal ein solches Gesetz – als einziges Land in Europa. Das Gremium gegen Korruption des Europarats rügte die Schweiz deswegen wiederholt, wie kürzlich im August. Die Rüge ist den meisten Medien allerdings nur eine Kurzmeldung wert.

Einen Schritt vorwärts machen will die Transparenzinitiative von SP, Grünen, BDP, EVP und der Piratenpartei. Sie fordert, dass Parteien wie in Deutschland die Herkunft ihrer Spenden ab einem Betrag von 10 000 Franken öffentlich machen müssen. Das Gleiche gilt für Abstimmungskampagnen, wenn sie mehr als 100 000 Franken kosten. Die Offenlegung muss vor der Abstimmung erfolgen.

Gäbe es schon ein solches Gesetz, wüssten die StimmbürgerInnen bei der Abstimmung am 25. November, wie viel Geld die privaten Versicherer investieren, um neue Überwachungsmöglichkeiten für ihre KundInnen zu erhalten. Oder welchen Betrag SVP-Milliardär Christoph Blocher in den Kampf für die Antimenschenrechtsinitiative steckt.

Der Bundesrat gab zur Transparenzinitiative nur eine müde Antwort. Sie passe nicht zum Milizsystem und zum Föderalismus der Schweiz. Dass eine Mehrheit der Bevölkerung Transparenz will, zeigte sich ausgerechnet im konservativen Kanton Schwyz. Dort wurde jüngst eine Initiative der Juso angenommen, die bei Abstimmungen die Offenlegung von Firmenspenden bereits ab 1000 Franken verlangt. Zusammen mit Freiburg, Genf, Neuenburg und dem Tessin verfügen jetzt fünf Kantone über entsprechende Gesetze.

Die Heimlichtuerei war jahrzehntelang das Geschäftsmodell der Schweiz. Das Bankgeheimnis fiel erst mit der Finanzkrise vor zehn Jahren. Das mangelnde Problembewusstsein bei der Politikfinanzierung ist sein Pendant. Miliz, Föderalismus, Hotzenplotz: Die Intransparenz folgt einzig dem Gedanken, dass man über Geld nicht sprechen darf. Auf diesen kommt auch nur, wer genug davon hat und noch mehr will.