Auf allen Kanälen: Förderung für Lesefaule

Nr. 42 –

Noch-Bundesrätin Doris Leuthard wollte die Medienförderung neu gestalten und ist grandios gescheitert.

Der Vorschlag ist tot. Man könnte schweigend darüber hinweggehen. Da es sich aber um einen der letzten grossen Würfe von Noch-Bundesrätin Doris Leuthard handelt, soll man ihm eine Gedenkminute schenken.

Mit einem Bundesgesetz über elektronische Medien (BGeM) wollte Leuthard alle Probleme lösen, die sie als Medienministerin plagten. Im Sommer hat sie es vorgestellt, diese Woche ist die Vernehmlassung zu Ende gegangen. Im Kern ging es Leuthard darum, die direkte und die indirekte Medienförderung sowie den Umgang mit der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) neu zu regeln. Jährlich kommen 1,4 Milliarden Franken Radio- und Fernsehgebühren zusammen. Der grösste Teil fliesst auch künftig zur SRG. Doch wer bekommt den Rest? Und was muss man journalistisch leisten, um an den Fördertopf heranzukommen? Fragen, die alle beschäftigen, die die Carlsbergisierung der Medienbranche besorgt beobachten. Wie beim Bier – wo Feldschlösschen draufsteht, aber Carlsberg drin ist – steht zwar «Bund» oder «Berner Zeitung» drauf, steckt aber Tamedia drin.

Wer bezahlt?

Leuthards Ansinnen, unabhängige Medien zu fördern, ist also nicht grundsätzlich falsch. Verkehrt war nur, was herauskam: ein Gesetz zur Förderung der Lesefaulheit und die Idee für eine Superbehörde.

Laut dem Gesetzesentwurf sollten nämlich vor allem Onlinemedien gefördert werden, weil Leuthard bemerkt hat, dass «die Leute immer mehr Onlinemedien nutzen». Nur gibt es keine Gattung «Onlinemedien». Es gibt nur Journalismus, der kann geschrieben oder gesprochen (Radio) sein oder mit bewegten Bildern arbeiten (TV). Ob die Beiträge auf Papier oder über ein digitales Gerät konsumiert werden, spielt keine Rolle. Wenn die Leute «immer mehr online» konsumieren, ist das ein Synonym für: Sie wollen für Journalismus nichts bezahlen.

Werbung bringt den Medienunternehmen auch kaum mehr etwas ein, weil Google den Werbemarkt auf den Kopf gestellt hat und allein vom Schweizer Markt jährlich Werbegelder in der Höhe von 450 Millionen Franken absaugt. Von diesem Geld haben früher die Medienhäuser profitiert. Das ist vorbei. Also stellt sich die Frage: Wer bezahlt für guten Journalismus? Die AbonnentInnen wie bei der WOZ. Die GebührenzahlerInnen wie bei der SRG. Oder der Staat mit Subventionen?

Allmächtiges Gremium

In überschiessender Modernität sagte Doris Leuthard, sie möchte «die Medienförderung stärker in Richtung Innovation ausrichten». Klingt fesch. In der Realität hiess es aber für Leuthard: Nur Onlinemedien, die Audio- und Videomedienbeiträge publizieren, sollen Fördergelder erhalten.

Da hat Frau Medienministerin einiges verwechselt. Im Deutschen heisst «Medium» leider vieles, und nur in ausgewählten Fällen hat es etwas mit Journalismus zu tun. Journalismus ist dann innovativ, wenn er handwerklich gut und klug gemacht ist – egal ob er blinkt und tönt oder in Form von Buchstaben daherkommt. Laut BGeM würde aber nur Journalismus gefördert, der sich an ein lesefaules Publikum richtet. Weder die «TagesWoche», die «Schaffhauser AZ» noch die WOZ gälten als förderwürdig.

Mit dem neuen Gesetz wollte Leuthard zudem eine unabhängige Kommission für elektronische Medien einführen, die Komem. Diese bestünde aus fünf bis sieben «unabhängigen Medienexperten». Wer bitte soll das sein? Publizistikprofessoren? Altbundesrätinnen? Geschasste Chefredaktorinnen oder Verlagsmanager?

Das Gremium wäre allmächtig. Es würde der SRG die Konzession erteilen und gleich auch die Finanzen kontrollieren. Selber würde es von niemandem kontrolliert. Es hätte nicht einmal die Pflicht, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, was es so treibt. Die Vernehmlassung hat nun gezeigt: Niemand ist mit dem BGeM zufrieden. Der oder die nächste MedienministerIn tut gut daran, das Thema anders anzugehen.

Heute profitiert zum Beispiel die WOZ wie viele andere gedruckte Zeitungen von der indirekten Medienförderung. Sie läuft simpel über eine Vergünstigung der Posttarife. Wenn aber immer mehr Leute ihre Zeitung digital beziehen, schrumpft der Beitrag. Deshalb braucht es neue, kreative Ideen. Man könnte zum Beispiel den Mehrwertsteuersatz auf die Abos senken oder Google Gelder entreissen und umverteilen. Nur eins ist unantastbar: Die Geförderten dürfen nie vom Goodwill der FörderInnen abhängig sein.