Fussball-Leaks: Kommunikator in Nöten

Nr. 46 –

Bundesanwalt Michael Lauber hat das schlechte Image seiner Behörde wegkommuniziert. Jetzt könnte es für ihn eng werden: Sein Treffen mit Fifa-Präsident Gianni Infantino wirft einige Fragen auf.

«Wenn die Schweizer Justiz ihr Gesicht nicht verlieren will, ist es unglaublich wichtig, diesen Laden zu durchforsten.» Diesen Satz sagte letzte Woche Theo Zwanziger der «Süddeutschen Zeitung». Der ehemalige Präsident des Deutschen Fussballbunds (DFB) war Gastgeber der WM 2006. Er gilt als Mann, der kaum einmal die Contenance verliert.

Der «Laden», der Zwanzigers Zorn auf sich zog, ist die Schweizer Bundesanwaltschaft (BA). Die Behörde steht seit zwei Wochen heftig in der Kritik, weil im Rahmen der «Football Leaks» ans Licht kam, dass Bundesanwalt Michael Lauber im Frühjahr 2016 zweimal den Schweizer Fifa-Präsidenten Gianni Infantino zu Gesprächen traf. Aufgedeckt hatte dies ein internationales Medienkonsortium unter Beteiligung von Tamedia-JournalistInnen. Die Treffen von Lauber und Infantino sind grundsätzlich fragwürdig, da die Bundesanwaltschaft seit 2015 im Umfeld des Weltfussballverbands Fifa wegen des Verdachts auf Korruption ermittelt. Das zweite Treffen, das am 22. April 2016 im Zürcher Hauptbahnhof stattfand, ist gar hoch problematisch. Denn zwei Wochen zuvor hatte die Bundesanwaltschaft eine Razzia am Hauptsitz des Europäischen Fussballverbands Uefa in Nyon durchgeführt und ein Strafverfahren wegen «Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung und eventuell der Veruntreuung» eröffnet. Die Uefa soll vor zwölf Jahren Fernsehrechte zu einem viel zu tiefen Preis verschachert haben. Die Verträge trugen die Unterschrift des damaligen Uefa-Generalsekretärs Gianni Infantino.

Der Zorn des deutschen Fussballfunktionärs Theo Zwanziger auf die Bundesanwaltschaft hat aber noch einen weiteren Hintergrund: Zwanziger gehört einerseits zu jenen Personen, gegen die die BA im Zusammenhang mit der WM-Vergabe 2006 nach Deutschland wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung ermittelt. Andererseits hat er gemäss «Süddeutscher Zeitung» im Mai dieses Jahres gegen Infantino Anzeige wegen ungetreuer Geschäftsführung erstattet, weil der Fifa-Präsident nichts tue, um mutmassliche Schmiergelder zurückzuholen. Die BA verfügte mittlerweile, dass Zwanzigers Strafanzeige nicht weiter verfolgt wird. Vor diesem Hintergrund fragt sich, weshalb Bundesanwalt Michael Lauber an zwei Treffen mit dem Fifa-Präsidenten teilnahm. Was erhoffte er sich von den «Standortbestimmungen», wie die Behörde die Treffen nennt?

Dürftige Leistungsbilanz

Eigentlich hat Michael Lauber ein gutes Gespür dafür, was in der Öffentlichkeit gut ankommt. Und ein noch besseres Gespür, wie er selbst gut ankommt. Ein eingehender Blick in die Schweizer Mediendatenbank offenbart einen geradezu meisterhaften Medienumgang des Pfarrerssohns aus dem Solothurnischen. Kaum ein Text ohne Hinweis darauf, wie «smart» Lauber sei, dass er «keine Konfrontation scheue» und auch unter Druck «ruhig und sachlich» bleibe.

Seit 2012 leitet der 52-Jährige die Bundesanwaltschaft, eine Behörde, die zuvor zwei Jahrzehnte lang für ihre Flops berüchtigt war und Öffentlichkeitsarbeit als eher lästiges Übel ansah. Genau dieser Punkt änderte sich unter Lauber fundamental. «Kommunikation ist absolut entscheidend», sagte er kurz nach seinem Amtsantritt. Diese neue Ausrichtung zeigt sich exemplarisch anhand der Tätigkeitsberichte der BA. Bis 2011 waren das spröde und knapp gehaltene Textdokumente. Der jüngste Bericht umfasst fast vierzig Seiten, er ist farbig, inklusive Fotos von Lauber und seinem Team, und als Höhepunkt interviewt die Behörde ihren eigenen Chef. Die Kommunikationsoffensive hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Im Gegenteil: Die gängige Erzählung lautet heute, dass Michael «Mike» Lauber das Ruder herumgerissen und das Vertrauen in die ramponierte BA wiederhergestellt habe. Die Erzählung stimmt sogar. Doch sie ist nur die halbe Wahrheit.

Denn auch Lauber produziert Flops. Die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Potentatengelder von Exdiktatoren wie Hosni Mubarak (Ägypten) oder Ben Ali (Tunesien) kommt nicht vom Fleck. Vor sechs Jahren inszenierte sich die BA als künftige Verfolgerin von Kriegsverbrechern und schuf gar ein Kompetenzzentrum Völkerstrafrecht. Seither gingen über fünfzig Fälle aus diesem Bereich bei der BA ein, doch bisher ist es noch zu keiner einzigen Anklage gekommen.

Die vielleicht grösste Schlappe folgte im Juni dieses Jahres, als das Bundesgericht in Bellinzona urteilte, die Tamil Tigers seien keine kriminelle Organisation, und dreizehn angeklagte Personen diesbezüglich freisprach. Lauber selbst gab die Anweisung, das vier Millionen Franken teure Verfahren zur Anklage zu bringen – einer Anklage, die gemäss NZZ «handwerkliche Fehler» aufwies. Das Gericht hielt gewisse Aussagen, die eigens in Sri Lanka aufgenommen wurden, für nicht verwertbar, da sie dort unter fragwürdigen Umständen entstanden waren. Auch diese Niederlage perlte mühelos am Bundesanwalt ab.

Kurzum: Die Leistungsbilanz der BA unter Lauber ist keineswegs erkennbar erfolgreicher als davor. Er verkauft sich und seine Behörden aber ungleich besser in der Öffentlichkeit.

Der Cheflobbyist

Ein Blick auf Laubers berufliche Karriere ist aufschlussreich, um zu verstehen, weshalb er eher an einen Verkäufer als an einen Rechtsanwalt erinnert. Bis zu seinem 35. Lebensjahr sah alles nach einer geradlinigen und von Ehrgeiz geprägten Beamtenlaufbahn aus: Nach seinem Jusstudium arbeitete er Anfang der neunziger Jahre zunächst als Untersuchungsrichter im Kanton Bern, dann als Chef Spezialfahndung bei der Berner Kantonspolizei und ab 1995 als Leiter der Zentralstelle Organisierte Kriminalität beim Bundesamt für Polizei (heute Fedpol).

Im Jahr 2000 folgte ein Bruch: Lauber verlor einen Machtkampf im Bundesamt für Polizei, eine Beratungsfirma erklärte seine Sektion im Rahmen einer Neuorganisation für überflüssig. Sein damals siegreicher Widersacher, Valentin Roschacher, wurde kurz darauf von Ruth Metzler, dessen CVP-Parteikollegin und damals Justizministerin, zum Bundesanwalt ernannt.

Kurzzeitig arbeitete Lauber danach als Rechtsanwalt in Zürich und war Geschäftsführer der SRO Polyreg, einer vom Bund anerkannten Selbstregulierungsorganisation für FinanzintermediärInnen (Anwältinnen, Treuhänder und Notarinnen). Die Selbstregulierung stand zuletzt heftig in der Kritik, weil Enthüllungen wie die «Panama Papers» aufgezeigt haben, dass Schweizer Anwaltskanzleien unbehelligt beim Aufbau von Briefkastenfirmen in Steueroasen geholfen hatten.

Nach diesem kurzen Intermezzo zog es Lauber für ein Jahrzehnt ins Fürstentum Liechtenstein, das Anfang der nuller Jahre als Schwarzgeldhochburg und Steueroase verschrien und geächtet war. Zunächst baute Lauber im 38 000-EinwohnerInnen-Land eine Einheit zur Bekämpfung der Geldwäsche auf, ehe er 2004 als Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbands zum Cheflobbyisten des dortigen Finanzplatzes aufstieg. Laubers Mission war klar: Er sollte das völlig ramponierte Image des Finanzplatzes aufpolieren, eine Aufgabe, die Lauber nach einhelliger Meinung mit Bravour erledigte. Sein zentrales Instrument war dabei die bewusst offene Kommunikation, die in einem Porträt aus dem Jahr 2008 in der «Süddeutschen Zeitung» anschaulich beschrieben ist: «Bundestagsabgeordnete in Berlin besuchen, bei Politikberatern vorbeischauen und mit ausgewählten Journalisten Hintergrundgespräche führen. Etwa hundert solcher Reisen habe er in den vergangenen vier Jahren nach Deutschland unternommen.» Überliefert ist auch die Geschichte, dass Lauber Geldzählmaschinen aus den Treuhandbüros entfernen liess. Ein starkes Bild. Aber sind es tatsächlich Geldzählmaschinen, die eine wesentliche Rolle dabei spielen, Geld vor dem Fiskus zu verstecken?

Wiederwahl gefährdet?

Im nächsten Jahr muss das Bundesparlament Michael Lauber in seinem Amt bestätigen. Bis vor zwei Wochen galt seine Wiederwahl als ungefährdet. Die sporadische Kritik von Medien und Politik an der Arbeit der BA konnte Lauber bisher stets wegkommunizieren.

Das dürfte im aktuellen Fall rund um seine hoch problematischen Treffen mit dem Fifa-Präsidenten weitaus schwieriger werden. Die mediale und politische Kritik an Lauber ebbt seit zwei Wochen nicht ab. Schon bald wird sich die Subkommission Gerichte der parlamentarischen Geschäftsprüfungskommission mit den Vorgängen befassen.

Und was macht Lauber? Statt in die Kameras und Mikrofone zu lächeln, stellte er letzte Woche den für die Fifa-Ermittlungen zuständigen Abteilungsleiter frei – ohne inhaltliche Gründe dafür bekannt zu geben.