European Green Deal: Der Griff nach den Sternen

Nr. 51 –

Die EU will eine Vorreiterrolle im Kampf gegen die Klimaerhitzung einnehmen. Auf dem Tisch liegt jetzt ein Modell, das wachstumsschonend sein soll – und schon an der Finanzierung zu scheitern droht.

Wachstum und Klimaschutz vertragen sich schlecht. Wenn die Wirtschaft wächst, nimmt auch der Ausstoss von Treibhausgasen zu – was die Klimaerhitzung weiter beschleunigt. Die Europäische Union will nun beweisen, dass es auch anders geht: Mit einem «European Green Deal» will sie Wirtschaft, Industrie, Verkehr und Landwirtschaft so umbauen, dass umweltverträglich und klimaschonend produziert wird und gleichzeitig Wohlstand und Arbeitsplätze gesichert bleiben.

Zumindest in der Vorstellung der neuen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen soll das funktionieren. Der Plan sei «unsere neue Wachstumsstrategie», verkündete sie kurz nach ihrer Amtseinführung am 1. Dezember in Brüssel. Dieser Green Deal, der bewusst an den New Deal von Franklin D. Roosevelt und den Green New Deal linker US-DemokratInnen erinnert, soll Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen – und der europäischen Industrie die Marktführerschaft in «grünen» Technologien sichern.

Die Einigung wird teuer

Von der Leyen vergleicht ihr Vorhaben gern mit der Mondlandung in den sechziger Jahren. «Dies ist unser ‹Man on the moon›-Moment», sagte die deutsche CDU-Politikerin, die sich im Juli mit einer rot-grün angehauchten Rede im Europaparlament um ihr Amt beworben hatte. Ähnlich wie die USA vor fünfzig Jahren will jetzt auch die EU nach den Sternen greifen.

Allerdings lässt das europäische Pendant zum Apollo-Programm auf sich warten. Erst im März 2020 will von der Leyen die neuen EU-Gesetze vorlegen, die das Ziel der Klimaneutralität 2050 festschreiben sollen. Und bereits am EU-Gipfel letzte Woche wäre das Ziel fast gescheitert: Polen, Ungarn und Tschechien hatten Vorbehalte und versuchten, ihre Kohleproduktion – wie auch ihren Atomstrom – abzusichern. Am Ende wurde das Klimaziel zwar beschlossen, jedoch nur für die gesamte Union und nicht für jeden einzelnen EU-Staat.

Polen scherte auch dabei noch aus, die rechtskonservative PiS-Regierung will sich erst im Juni 2020 auf eine Position festlegen. Premierminister Mateusz Morawiecki macht kein Geheimnis daraus, dass seine Zustimmung teuer wird. Man könne nicht die für Polen besonders lukrativen Kohäsions- und Strukturfonds kürzen und dann auch noch die polnische Kohleproduktion infrage stellen, warnt er. Die EU müsse für einen finanziellen Ausgleich sorgen.

In Brüssel weiss man um die polnischen Sorgen. Von der Leyen lockt denn auch mit einem hundert Milliarden Euro schweren Hilfsprogramm, dem Just Transition Fund. Es ist unklar, ob diese Summe ausreichen wird, um die Schliessung von Kohlegruben und Kohlekraftwerken zu fördern und den Umbau sozial verträglich zu gestalten. Ebenso unklar ist, wie der neue Fonds finanziert werden soll. Bisher liegen keine belastbaren Zahlen vor.

Selbst die Gesamtkosten des European Green Deal sind noch strittig. In einem ersten Entwurf der EU-Kommission war von drei Billionen Euro bis 2030 die Rede, nun soll es noch eine Billion sein. Auch diese gewaltige Summe ist noch nicht gegenfinanziert. Wer in Brüssel nachfragt, wird auf die Europäische Investitionsbank in Luxemburg verwiesen – und auf private Investitionen, die die Hilfen aus dem EU-Budget ergänzen sollen.

Letztes Wort aus Deutschland?

Klar ist, dass der Finanzbedarf gewaltig ist – und dass er sich kaum mit den strikten Schuldenregeln der EU vereinbaren lässt. Unter ÖkonomInnen wird denn auch der Ruf nach einer Lockerung dieses Korsetts laut. So fordert der Chef des Brüsseler Thinktanks Bruegel, Guntram Wolff, eine Abschaffung der Schuldenbremse: Die EU müsse wieder der goldenen Regel folgen, laut der sich Investitionen durch Schulden finanzieren lassen.

Gleichzeitig steigt der Druck auf die deutsche Bundesregierung, mehr Geld zu bewilligen. Das EU-Budget müsse auf 1,3 Prozent der Wirtschaftsleistung erhöht werden, fordert das Europaparlament – ansonsten werde sich der Green Deal kaum finanzieren lassen. Deutschland geht jedoch mit einer ganz anderen Zahl in die Verhandlungen über das künftige Mehrjahresbudget: 1,0 Prozent. Und Berlin könnte das letzte Wort haben.

Mit einer Entscheidung wird erst im zweiten Halbjahr 2020 gerechnet – unter deutschem EU-Ratsvorsitz. Dann könnte es Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Hand haben, ob der Green Deal Erfolgschancen hat oder am deutschen Sparkurs scheitert. Früher liess sich Merkel als Klimakanzlerin feiern – ob sie sich heute noch daran erinnert?