SP-Präsidium: Wieso es doch noch eine Kampfwahl geben wird

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Die SP-NationalrätInnen Priska Seiler Graf und Mathias Reynard haben ihre Kandidatur für das SP-Präsidium angekündigt. Wofür die beiden programmatisch stehen, bleibt bislang noch rätselhaft.

«Wir wären zusammen wohl etwa so positioniert, wie es Christian Levrat alleine ist»: Priska Seiler Graf und Mathias Reynard.

Die SP wählt an ihrem Parteitag von Anfang April ein neues Präsidium. Eine erste Kandidatur stand schnell fest: In der WOZ verkündeten die beiden ehemaligen Juso-PolitikerInnen Mattea Meyer und Cédric Wermuth Ende letzten Jahres, dass sie gemeinsam den Parteivorsitz vom abtretenden Christian Levrat übernehmen wollten. Nun erhalten sie Konkurrenz: Die Zürcher Nationalrätin Priska Seiler Graf und der Walliser Nationalrat Mathias Reynard haben am Wochenende ebenfalls ihre gemeinsame Kandidatur bekannt gegeben. Die beiden treten mit der Behauptung an, integrativer zu wirken als das Duo Meyer/Wermuth. Die 52-jährige Seiler Graf beschäftigt sich im Bundeshaus vor allem mit Verkehrs- und Sicherheitsfragen. Reynard (32), wie Seiler Graf ausgebildeter Lehrer, engagiert sich in erster Linie für gewerkschaftliche Themen sowie für Gleichstellungspolitik.

Betonte Basisnähe

Welche Vision haben die beiden für die Partei? Wie wollen sie sie programmatisch ausrichten? Seiler Graf, die seit bald zehn Jahren auch Stadträtin im bürgerlich geprägten Kloten ist, sagt dazu: «Da sind wir im Hintertreffen, weil wir uns lange gefragt haben, ob wir überhaupt kandidieren wollen.» Programmatisch müsse man sich nun erst einmal finden, um dann der Partei eine Vision zu präsentieren.

Klar ist: Markante politische Unterschiede gibt es zwischen den Duos nicht. Seiler Graf wird zwar gern dem linksliberalen Flügel der Partei zugerechnet, politisiert aber etwa in der Mitte der pointiert linken SP. Reynard wurde in der Juso sozialisiert und steht als Arbeitersohn für einen klassenkämpferischen Kurs. Doch es gibt Nuancen: Seiler Graf hat sich etwa in Sicherheits- und Rüstungsfragen eingemittet; in der Sicherheitspolitischen Kommission engagiert sie sich für eine Modernisierung der Armee. «Ich will sie substanziell verbessern und verkleinern», sagt sie. «Für eine Abschaffung stehe ich derzeit nicht ein.» Der aus einem Unterwalliser Dorf stammende Reynard wiederum stimmte beim Raumplanungsgesetz und bei der Zweitwohnungsinitiative gegen die SP und inszeniert sich gern als Lokalpolitiker, der sich für Folklore und Brauchtum einsetzt.

Von Meyer und Wermuth versuchen sich beide vor allem durch betonte Basisnähe abzugrenzen. Seiler Graf sagt: «Im Gespräch mit Genossinnen höre ich oft, dass sie die Partei als zu abgehoben wahrnehmen. Als zu unnahbar.» Mathias Reynard ergänzt: «Die SP ist kein Intellektuellenklub. Wir brauchen keine grossen Theorien, sondern eine volksnahe, konkrete Politik, die sich an den echten Problemen der arbeitenden Bevölkerung orientiert.» Es gehe ihm um Themen wie Bildung, AHV, Chancengleichheit und Service public. Reynard betont zudem, dass er gemeinsam mit Seiler Graf das Parteispektrum breiter abdecke als ihre Konkurrenz. «Wir wären zusammen wohl etwa so positioniert, wie es Christian Levrat alleine ist. Und ihm ist es gelungen, die verschiedenen Flügel der SP zusammenzuhalten.»

Das Rennen scheint offen

Die Kandidatur stösst in der Partei auf viel Wohlwollen. Alle vier KandidatInnen seien fähig und wählbar, heisst es. Die Zürcher SP-Nationalrätin Min Li Marti sagt: «Es gab bei vielen in der Partei den Wunsch nach einer Auswahl. Die Wahl von Christian Levrat vor zwölf Jahren verlief ja kampflos.» Unisono sagen befragte SP-PolitikerInnen aber auch: Die beiden neuen KandidatInnen müssten nun liefern und bis zum Parteitag Anfang April klären, wohin sie die Partei führen wollen.

Kritische Stimmen sehen die Kandidatur Seiler Graf und Reynard in erster Linie als Schachzug, um das Duo Meyer/Wermuth zu verhindern. Der Zürcher SP-Nationalrat Fabian Molina sagt: «Es gibt in der Partei Leute, die nicht glücklich darüber waren, dass zwei ehemalige Juso-Politiker mit Marxistenimage das Gesicht der SP werden sollen.» Der Widerstand gegen Meyer und Wermuth, die angekündigt haben, die SP auf einen internationalistischen, bewegungsorientierten Kurs führen zu wollen, komme in erster Linie aus dem kleinen «sozialliberalen» Flügel der Partei um die Aargauer Nationalrätin Yvonne Feri und den Zürcher Ständerat Daniel Jositsch. Dieser Flügel habe denn auch auf eine zweite Kandidatur hingearbeitet. Molina kritisiert, dass die mediale Debatte um die Levrat-Nachfolge bislang völlig unpolitisch verlaufen sei. «Es wird gefragt, wer bekannter ist, stammtischtauglicher, netter.» Um Programmatik und Visionen gehe es hingegen kaum. «Und von Mathias Reynard und Priska Seiler Graf fehlen mir noch gemeinsame, programmatische Vorschläge.»

Wie aber stehen die Chancen der zweiten Kandidatur? Das Rennen scheint offen. Die KandidatInnen werden nun von ihrer Partei auf eine Roadshow zur SP-Basis geschickt. Gewählt wird das Präsidium dann aber am Parteitag von den Delegierten der SP Schweiz. Das Gremium tickt dezidiert links, die Chancen des Duos Meyer/Wermuth sind also intakt. Doch während ihre Kandidatur auch in der Deutschschweiz polarisiert, dürfte die Romandie relativ geschlossen hinter dem Duo Seiler Graf / Reynard stehen. Man dürfe Reynards Popularität in der Westschweiz nicht unterschätzen, sagt Pierre-Alain Fridez, Nationalrat aus dem französischsprachigen Jura.