Le Monde diplomatique: 26 Texte aus 25 Jahren (2011): Eine überaus raffinierte Erfindung

Nr. 41 –

Die Kunst der Renaissance und die Ursprünge des Bankwesens

Cosimo Rosselli, „Anbetung der Könige“, etwa 1470, Öl auf Leinwand, 101 x 217 cm, das Bild hing 2011 in der Ausstellung „Geld und Schönheit. Die Bankiers, Botticelli und das Freudenfeuer der Eitelkeiten“ im Palazzo Strozzi, Florenz

Die Stadt Florenz gründete im Jahr 1237 eine Münzanstalt und ließ die ersten Silber-Florin (fiorino d’argento) prägen. Bis dahin war die gängige Münze der Denaro gewesen, doch der hatte mit dem Niedergang des Heiligen Römischen Reichs so stark an Wert eingebüßt, dass zusätzlich höherwertige Münzen aus den damals noch größeren Städten Siena und Lucca in Umlauf kamen.

In dieser Zeit wurde es immer wichtiger, geschäftliche Transaktionen mittels Geld abzuwickeln – wer seine Besitztümer in Geld umgewandelt hatte, konnte dieses dann nach Belieben ausgeben oder investieren. Der Wert des Silber-Florins entsprach einem Soldo oder 12 Denari, war also eher bescheiden: Er reichte gerade für ein paar Eier oder einen Laib Brot oder einen Liter Wein. Deshalb legte die Florentiner Münzanstalt ab 1252 den Gold-Florin auf: eine 3,53 Gramm schwere Münze aus 24-karätigem Gold, die heute etwa 120 Euro kosten würde.

Der Gold-Florin war für die großen Handelsgeschäfte gedacht. Florenz trug Sorge dafür, dass sein Gewicht und Feingehalt während der knapp 300 Jahre, in denen er in Umlauf war, absolut unverändert blieben. Jede Änderung seines Äußeren wurde genauestens protokolliert, ein System der Qualitätskontrolle wurde eingeführt. Die obersten Aufseher durften ihr Amt nicht länger als sechs Monate wahrnehmen, um Korruption zu verhindern.

Gegen Ende des 13. Jahrhunderts war der Florin bei geschäftlichen Transaktionen in ganz Westeuropa im Gebrauch; und selbst in Regionen, wo er nicht physisch gehandelt wurde, diente er als bevorzugte Verrechnungseinheit. Das war für ein kleines Handelszentrum wie das damalige Florenz eine wichtige Errungenschaft.

Der Florin trug nicht etwa den Kopf eines Königs oder eines Fürsten. In Florenz war es dem Adel seit Langem untersagt, sich in die Regierungsgeschäfte einzumischen. Die Stadt war eine Republik, deren Exekutive sich aus dem Kollegium der Patrizier rekrutierte. Die neun Mitglieder wurden alle zwei Monate durch Los bestimmt, damit keiner von ihnen zu mächtig werden konnte; politische Parteien waren verboten. Die eine Seite der Münze zeigte das Wahrzeichen der Stadt, eine Lilie, die andere das Porträt Johannes des Täufers, ihres Schutzpatrons. In dem Geldstück waren also bürgerliche Pflichten und religiöse Traditionen auf elegante Weise verschmolzen – und das in Gold.

Als die Pharisäer Jesus fragten „Ist’s recht, dass man dem Kaiser Zins gebe, oder nicht?“, ließ er sich eine Münze geben, zeigte auf den Kopf des Cäsaren und fragte: „Wes ist das Bild und die Überschrift?“ Auf die Antwort: „des Kaisers“ entgegnete Jesus: „So gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ Mit diesem Gebot war die Welt in die zwei Sphären aufgeteilt: Politik und Wirtschaft auf der einen Seite, Glaube und Metaphysik auf der anderen.

Doch im Florenz des 13. Jahrhunderts, wo man die soziale Hierarchie der mittelalterlichen Stände auf den Willen Gottes zurückführte, wollten die Eliten des Gemeinwesens und die Handelsbankiers – was häufig dieselben Personen waren – diese Aufteilung unbedingt vermeiden. Und natürlich wollten sie auch nicht an jenen anderen Lehrsatz von Jesus glauben, wonach es leichter sei, „daß ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, denn daß ein Reicher ins Reich Gottes komme“.

Das Porträt Johannes des Täufers ziert auch das Statutenbuch der Münzanstalt von 1341. Hier trägt er zwar getreu der biblischen Überlieferung ein härenes Gewand als Zeichen eines Lebens in Armut, aber der Florentiner Künstler hat ihm auch den roten Umhang um die Schultern drapiert: das Symbol von Reichtum und Autorität. Sein Heiligenschein ist aus Gold und die drei goldenen Scheiben rechts und links der Figur erinnern verdächtig an Münzen – als sei Geld an sich etwas Heiliges, oder umgekehrt der Heiligenschein ein Kredit, der sich in Geld einlösen lässt.

1372 gab die Münzanstalt ein gigantisches Altarbild in Auftrag, das die Krönung der Jungfrau Maria darstellt. Auch hier soll offenbar die üppige Verwendung von Blattgold als Bildhintergrund sowie die goldene Krone der Mutter Gottes suggerieren, dass Geld und Heiligkeit nicht miteinander im Widerstreit liegen.

Trotz der Versöhnung zwischen dem Heiligen und dem Profanen, wie sie Münze, Statutenbuch und Altarbild zum Ausdruck bringen, war damals vielen Menschen durchaus klar, dass die monetäre Durchdringung der Gesellschaft für andere Werte eine ernste Gefahr bedeuteten. Denn bei all seiner fabelhaften Zweckmäßigkeit hatte Geld eine beschämende Konsequenz: Fortan gab es für alles – für ein Bild, ein Schwein, eine Totenfürbitte, eine Prostituierte – ein einheitliches Wertmaß. Damit wurde alles mit allem vergleichbar.

Auf einem Gemälde von Tommaso di Piero del Trombetto ist der berühmte Kaufmann Francesco Datini als frommer Mensch mit zum Segen erhobenen Händen dargestellt. Der aus Prato stammende Datini, der mehr als 120 000 Geschäftsbriefe hinterlassen hat, bezahlte für das rote Gewand, das er auf Trombettos Bild trägt, mehr Geld als für die junge Sklavin und Mutter des einzigen Kindes, zu dem er sich bekannte. Obwohl Datini sehr reich und arbeitssam war, fand er Zeit für eine kurze Pilgerreise mit den sogenannten Bianchi (den „Weißen“), eine der vielen Büßerbewegungen der damaligen Zeit. „Wir waren alle barfuß und geißelten uns mit der Rute“, schrieb der Kaufmann über dieses Erlebnis. Aber er notierte auch, dass ein Rosenkranz 14 Soldi und 8 Denari kostete: „Gott machte es profitabel für unsere Seelen.“

In den vorangegangenen 200 Jahren hatte der Handel stark zugenommen, womit häufige Zahlungen in fremde Länder nötig wurden. Neben den Handelshäusern entstanden die ersten Banken, das heißt, die Kaufleute selbst begannen Bankleistungen anzubieten. Die entscheidende Neuerung war dabei der Wechsel (eigentlich: Wechselbrief), der es einem Kaufmann gestattete, bei einer lokalen Bank eine Summe einzuzahlen, die sein Gläubiger dann in Brügge, Barcelona, London oder Neapel abheben konnte. Damit entfiel die Notwendigkeit, auf langen Reisen Kisten voller Münzen mitzuführen – und sein Vermögen den Angriffen von Straßenräubern und Piraten auszusetzen.

Blieb nur noch das Problem des Saldenausgleichs zwischen den Banken, die an dem Geldfluss beteiligt waren. Wenn eine Bank eine bestimmte Menge von Münzen angehäuft hatte, die sie nicht sofort zu neuen Geschäften einsetzen konnte, bot sich an, dieses Geld dadurch „arbeiten“ zu lassen, dass man es auslieh; vorzugsweise an einen Kaufmann, der bereit war, es an einem günstigeren Ort zurückzuzahlen. Aber da gab es einen Pferdefuß: Die Kirche hatte jede Art von Geldverleih gegen Zinsen als Wucher verurteilt.

Heute ist die Vorstellung verbreitet, diese Haltung der Kirche hätte etwas mit Fürsorge für die Armen zu tun, die man vor skrupellosen Geldverleihern schützen wollte. Das stimmt aber nicht. Banken wie die der Medici, der Strozzi, der Cambini verliehen kein Geld an Arme. Ihre Finanzpraktiken standen jedoch unter ständiger Beobachtung der Theologen.

Dafür gibt es mehrere Erklärungen. In Dantes „Inferno“ (dem ersten Teil seiner „Göttlichen Komödie“) erfahren wir, dass Wucher „wider die Natur“ sei, da Gott uns auferlegt habe, im Schweiße unseres Angesichts unser Brot zu essen, es also durch Arbeit zu verdienen. Wucher aber ist nicht Arbeit. Deshalb brutzeln die Wucherer im siebten Kreis der Hölle zusammen mit Sodomiten und Gotteslästerern, deren Sünden ebenfalls als widernatürlich gelten.

Gleichwohl war die Heftigkeit der Vorwürfe gegen den Wucher für viele Zeitgenossen ein regelrechter Schock. Ebenso schockierend war, dass der Sünder, um Absolution zu erlangen, das eingenommene Geld zurückgeben musste, und dass „offensichtlichen“ Wucherern ein christliches Begräbnis verwehrt wurde.

Auf einem fragmentarisch erhaltenen Fresko von Orcagna sehen wir eine Höllenszene, in der habgierige Reiche – darunter Bischöfe und Kardinäle – von fürchterlichen Dämonen mit ihren eigenen Geldtaschen ausgepeitscht werden. Auf einem Gemälde von Jan Provoost (1462–1525) überreicht ein Kaufmann einem schauderhaft lebendigen Totengerippe eine Rechnung.

Als sei Geld an sich etwas Heiliges

Ist es seine moralische Bilanz? Und wie sieht die aus? Auf dem Gemälde, das Marinus van Reymerswaele (1497–1525) „Die Wucherer“ nannte, ist die Geldgier durch zwei Männer dargestellt, die an einem mit Münzen überhäuften Tisch über einem Rechnungsbuch brüten. Es ist wie eine Illustration zu dem bereits erwähnten Datini, der sich beklagte – oder rühmte –, er müsse den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen, um über seine endlosen Geldtransaktionen Buch zu führen.

Diese besonderen Gemälde mit ihrem Fokus auf der geistigen Welt von Männern, die in der rastlosen Mehrung ihres Vermögens aufgehen, lassen die tatsächlichen Vorbehalte der Kirche gegen den Wucher erahnen: Wenn man derart mit dem Geld spielen, es so verleihen und vervielfachen konnte, dass man es – in den Worten des Bettelmönchs Bernardino di Siena – „kopulieren und sich vermehren lassen“ durfte, dann würden die Menschen kaum noch Zeit für Gott haben. Und noch weniger würden sie sich mit der gesellschaftlichen Stellung zufriedengeben, die ihnen durch die Geburt zugewiesen war. Wucher, Bankgeschäfte und Geldverleih waren Vehikel für soziale Mobilität, für eine von Menschen ausgehende, illegitime Beeinflussung der Gesellschaft – und das konnte nur im Chaos enden.

Die Bilder von Wucherern, die in der Hölle schmoren, wären für die Geldleute von Florenz ein unangenehmer Anblick gewesen; und die endlosen Sermone, die der Aufforderung gleichkamen, die gottgegebene soziale Ordnung zu respektieren, hätten ihr kollektives Unbehagen kaum gemildert. Wie also konnten diese Christenmenschen ihren Bankgeschäften nachgehen und sich einreden, das alles hätte nichts mit Wucher zu tun?

Die Ausstellung im Palazzo Strozzi bietet dem Besucher nicht nur Bilder wie das vom Erzengel Rafael als Beschützer eines jungen Reisenden (von Botticini) oder die Rettung eines Schiffs in stürmischer See (von Beato Angelico), sondern auch handfeste Objekte: einen Ballen Rohwolle, Alaunkristalle (die damals für die Leder- und Wolleherstellung gebraucht wurden), Modelle von Segelschiffen, Geldschränke, eiserne Schlösser, Dokumentenkassetten, Kuriertaschen, Wechselbriefe, Versicherungspolicen, Waagen samt Gewichten, Seekarten und Rechnungsbücher. Inmitten dieses Sammelsuriums von Dingen, die ein geschäftiges Händlerleben begleiteten, konnten die Bankiers ihre Wuchertätigkeit zum Verschwinden bringen oder jedenfalls fast. Die Schlüsselrolle kam dabei dem Wechselbrief zu.

Eine Transaktion lief damals so ab: Ein Kaufmann ließ sich von einer Bank die Summe vorstrecken, die er für seine Zahlung im Ausland benötigte. Der Bankier forderte dann den Kaufmann auf, dieses Geld in der fremden Währung aufzubringen. Da es nicht üblich war, Fremdwährung in größeren Mengen – wo auch immer – zu halten, musste der Kaufmann dem Bankier (oder seinem Bevollmächtigten) die gewünschte Währung am ausländischen Zielort aushändigen: also Sterling in London, Groots (Groschen) in Brügge, Dukaten in Venedig.

Weil aber eine Reise zwischen Florenz und diesen Städten viel Zeit kostete, legten die Verträge auch eine maximale Zeitspanne für die Transaktion fest: zum Beispiel 30 Tage für Avignon, 60 Tage für Brügge, 90 Tage für London. Im Fall London hatte der Florentiner Kaufmann also 90 Tage Zeit, um Gewürze, Seide oder Alaun in Italien zu kaufen, die Ware nach London zu verschiffen, sie dort zu verkaufen und das Geld des Bankiers an dessen Agenten in London zurückzuzahlen. Seine Gegenleistung für den zinsfreien Dreimonatskredit bestand darin, dass er die vorgestreckte Summe von Florins in Pfund umtauschen musste.

Und der Bankier? Die jeweils festgelegten Wechselkurse begünstigten damals (wie auch heute noch) die heimische Währung. Da in unserem Beispiel der Wechselkurs in Florenz festgelegt wurde, das Geld aber in London auszuhändigen war, musste der Kaufmann in Wirklichkeit etwas mehr zurückzahlen, als er vom Bankier erhalten hatte. Wenn es diesem gelang, ein zweites Wechselgeschäft in London zum dortigen Kurs abzuschließen (etwa mit einem Kaufmann, der Wolle nach Italien liefern wollte), das Geld für dieses Geschäft also wiederum in Italien einnahm, konnte er aus dem doppelten Geschäften ohne Weiteres einen Profit von 15 bis 20 Prozent machen. Und das in nur sechs Monaten.

Der Wechselbrief war „eine überaus raffinierte Erfindung“, schrieb Benedetto Cotrugli im Jahr 1458. Wechselgeschäfte waren für ihn eine „höchst subtile Tätigkeit, die Theologen unmöglich verstehen können“. Die Theologen versuchten es trotzdem. Sie disputierten endlos über die Frage, ob es sich dabei um Wucher handele oder nicht. Die meisten meinten nein, weil Wechselgeschäften immerhin ein Element von Risiko anhafte – etwa im Hinblick auf die fluktuierenden Zinsraten.

Wenn ein Bankier allerdings Wechselgeschäfte machte, ohne jemals irgendeine Fremdwährung im Ausland erhalten zu haben, sprangen die Kirchenoberen auf und riefen Foul. Das war etwa dann der Fall, wenn der Bankier lediglich den Wechselkurs registrierte, der für den betreffenden Tag und Ort gültig war, und mit demselben Kunden einen zweiten Wechselbrief abschloss, wobei also weder er selbst noch der Kaufmann noch irgendwelche Gelder oder auch nur ein Brief jemals die Stadt Florenz verlassen hatten. Hierbei handelte es sich offensichtlich um einen Kredit, obwohl das vom Wechselkurs herrührende Risiko genau dasselbe war.

Das Wucherverbot zwang die Banken, sich eng mit der Welt des Handels zu vernetzen. Um aus Geld mehr Geld zu machen, musste es von Ort zu Ort wandern. Entscheidend war dabei, dass inmitten der handfesten Realitäten des Handels eine Sphäre entstand, in der die Ziele und Motive der Akteure in der Schwebe blieben.

So konnten die Bankiers ihren Geschäften nachgehen, ohne freilich ihr Unbehagen, dass sie in Wahrheit doch Wucherer waren, ganz loszuwerden. Deshalb gewöhnten sie sich an, regelmäßig Bußgaben zu leisten – für den Fall, dass sie die Sünde des Wuchers begangen hatten. Ihnen war verständlicherweise sehr daran gelegen, dass die Kirche ihre Einstellung veränderte und den durch die Finanzierung von Handelsgeschäften erzielten Reichtum nicht länger für sündhaft erklärte. Hier liegt der Schlüssel zum Verständnis vieler der Kunstwerke, die sie für die Kirche in Auftrag gaben.

Wie wurde das einmal verdiente Geld ausgegeben? Nicht ohne Schwierigkeiten. Je mehr Reichtümer akkumuliert und je mehr Güter verfügbar wurden, desto mehr wollte man auch zeigen, was man hatte; daher die erlesene Kleidung, die großen Hochzeitsfeiern, die pompösen Begräbnisse. Aber das Ethos der mittelalterlichen Ständegesellschaft erforderte eher ein schlichtes Auftreten, wenn auch verbunden mit der trennscharfen Unterscheidung der sozialen Klassen, die sich am sichtbarsten in der Kleidung ausdrückte.

1330 führte die Florentiner Kommune die ersten Gesetze zur Begrenzung des Luxus ein. Zum Beispiel Regeln über Kleidungsstile und -stoffe und wer sie zu welchem Anlass tragen durfte (höchstens soundso viele Knöpfe, keine zu auffälligen Muster, nicht zu viel Schmuck), oder über die Zahl der Gänge bei Banketten und die Ausgaben für Hochzeiten und Beerdigungen.

Da vor Ort kaum Leute zu finden waren, die für die Durchsetzung dieser Vorschriften sorgen wollten, stellte man sechs Aufseher aus anderen Städten ein, denen es oblag, die Kleidung der auf den Straßen wandelnden Damen zu inspizieren. Das war gar nicht so einfach, denn kaum war eine Stoffsorte verboten, fanden die Schneider eine ähnliche und vielleicht bessere, die noch nicht auf der Liste stand. Und war ein Knopf noch ein Knopf, wenn es kein Knopfloch gab? „Da Stoffe mit Mustern verboten waren“, schrieb Giovanni Villani in seiner „Nuova Cronica“, „wollten die Frauen gestreifte Stoffe und solche, die sie sich ohne Rücksicht auf die Kosten aus dem fernen Flandern oder Brabant beschaffen ließen.“

Dass die Reichen von Florenz bei exquisiten Gütern und Dienstleistungen eine Vorreiterrolle innehatten, zeigte sich etwa bei Gürteln und Handtaschen oder auch bei den kunstvollen Frisuren. Wobei die den Luxus beschränkenden Gesetze den Wandel der Moden noch beschleunigten, weil Hersteller wie Kunden Mittel und Wege fanden, um die Vorschriften zu umgehen. Das kann man auch auf den Gemälden sehen: Beato Angelico stellte auf seinem für eine Kirche bestellten Altarbild „Hochzeit der Jungfrau Maria“ eindeutig eine florentinische Hochzeitsfeier dar, bei der die Menschen die Luxusgesetze einhalten.

Anders auf dem für einen privaten Kunden gemalten Bild von Scheggia: Hier trägt die Madonna all die luxuriösen Gewänder, deren Verbot die Gemeinde durchzusetzen hatte. Auf anderen Gemälden mit Bankett- und Begräbnisszenen wird deutlich, wie der Künstler den gemalten Raum nutzen konnte, um den damaligen Reichtum mittels Projektion auf biblische Figuren zur Schau zu stellen. Von Beschwerden über eine zu luxuriös bekleidete Madonna ist nichts bekannt.

Die Luxusgesetze wurden im Lauf des 14. Jahrhunderts mehrfach neu gefasst (durch Zusatzregeln wie etwa die „Klarstellung über das Tragen von Perlenketten“). Offenbar war es schwierig, der Bevölkerung einer Stadt, die ihren Reichtum aus der Produktion und dem Export von Luxuswaren bezog, den Genuss dieser Güter zu untersagen. Im Lauf des 15. Jahrhunderts wurden die harten Strafen für die Gesetzesbrecher durch Geldbußen abgelöst, sodass die Sanktionen mit der Zeit zu bloßen Strafsteuern für demonstrativen Luxuskonsum wurden. Geld hatte die Prinzipien aufgekauft.

In der „Anbetung der Heiligen drei Könige“ (siehe Abbildung) hat Cosimo Rosselli (1439–1507) ein Lieblingssujet der Florentiner Kunstmäzene in voller Farbenpracht ausgeführt. Die Ankunft der drei Könige im Stall von Bethlehem ist ja eine der wenigen Bibelszenen, die reiche Leute in ein positives Licht stellen, zumal die überbrachten Gaben magische Kräfte und Weisheit repräsentieren.

Der Auftrag für das Gemälde stammte offenbar von der Confraternita dei Maghi, einer der einflussreichsten Bruderschaften, deren Mitglieder anlässlich des Dreikönigstags in Luxusgewändern durch Straßen von Florenz zogen, um der Madonna ihren Wohlstand vorzuführen. Im 15. Jahrhundert stand der Präses der Bruderschaft zudem häufig an der Spitze der Medici-Bank – und damit auch an der Spitze der Stadt.

Auch hier ist offensichtlich, wie ein frommes Gemälde benutzt wird, um den Reichtum der Stadt zu zelebrieren: mit der imposanten Ansammlung modischer, farbenprächtiger Gewänder, aber auch in Gestalt des Schimmels auf der linken Bildseite, der dem Betrachter sein anmutig gerundetes Hinterteil zuwendet, das auf der Schabracke die sechs roten Kugeln des Wappens der Medici präsentiert. So waren Florenz und das Heilige Land auf elegante Weise überlagert, wobei die Reichen zu Mäzenen einer Kunst wurden, die das Volk näher zu Gott bringen sollte.

Seit Mitte des 15. Jahrhunderts leisteten sich die Kaufmanns- und Bankiersfamilien eine kostspielige humanistische Erziehung. Die Erkundung der Antike machte sie mit anderen als den streng christlichen Werten vertraut, was zweifellos als entlastend empfunden wurde. Im Zuge dieser neuen und zuweilen esoterischen Gelehrsamkeit entdeckten die Reichen das befriedigende Gefühl, zu der kleinen Elite zu gehören, die auch die subtileren antiken Bezüge auf den von ihnen gestifteten Gemälden verstanden. Das bestätigte ihre überlegene Stellung in der sozialen Hierarchie, die nunmehr auf ihrem Reichtum und ihrer Bildung und nicht mehr auf Geburtsrechten und göttlichem Willen beruhte.

Damals begann Botticelli die erstaunliche Bilderserie seiner platonischen Periode. Eine nackte Venus zum Beispiel soll uns davon überzeugen, dass Schönheit zu einer höhere Ebene des Wissens und des Daseins führen könne. Jetzt konnte ein Gemälde auch ohne christliche Motive eine positive moralische Botschaft vermitteln. Die Verknüpfung zwischen traditioneller Frömmigkeit und der neuen platonischen Mode zeigt sich am deutlichsten in Botticellis eher strengem „Porträt einer Frau“: Die im Vollprofil dargestellte junge Frau, die wie ein antikes Idealporträt auf einem römischen Medaillon anmutet, ist zugleich Ehegattin und perfekte Madonna.

Die Ständegesellschaft verlangte Schlichtheit

Die scheinbar harmonische Balance konnte nicht von Dauer sein. Das Verbot politischer Parteien und das subtile System der Machtaufteilung, das die Republik auszeichnete, erwiesen sich als untauglich und naiv. Sind vererbare Herrschaftspositionen erst einmal abgeschafft, können nur allerstrengste Regeln verhindern, dass Geld in das entstandene Machtvakuum einströmt.

Die Florentiner Kommune, die sich in notorischer Geldnot und häufig im Kriegszustand befand, war ständig auf Anleihen von Bankiers und Kaufleuten angewiesen. Die Medici nutzten das aus, um sich am Ende zum Schiedsrichter über das Schicksal der Stadt aufzuwerfen. Nach Machiavellis Geschichte von Florenz urteilte Niccolò da Uzzano über Cosimo de Medici: „Die Werke, die ihn uns verdächtig machen, sind, daß er mit seinem Gelde Jedermann dient, nicht allein den Privaten, sondern dem Staate, nicht allein den Florentinern, sondern den Condottieris, daß er bald diesen, bald jenen Bürger unterstützt, der die Magistrate nöthig hat; daß er durch die Liebe, die die Masse zu ihm hegt, bald diesen bald den andern seiner Freunde zu höheren Ehrenstellen erhebt.“

Unter Cosimos Enkel Lorenzo il Magnifico, der 1469 an die Macht kam, war der Schein, dass es sich nicht um eine Einmannherrschaft handele, weitgehend dahin. Schließlich beschloss eine andere Bankiersfamilie, die Pazzi – die mit den Medici um das Alaunmonopol konkurrierten und sich von der politischen Beutemacherei ausgeschlossen fühlten –, die Stadt durch ein Attentat von ihren faktischen Oberherren zu befreien. In heimlicher Absprache mit der Kirche, die das Alaunmonopol vergab, schlugen die Pazzi am 26. April 1478 zu: Lorenzos Bruder Giuliano wurde getötet, aber Lorenzo überlebte und ließ die Pazzi lynchen.

Wieder waren Bankiers und Kirchenleute aneinandergeraten; und wieder wurden die Künstler dafür bezahlt, eine annehmbare Version der Ereignisse zu präsentieren. Auf einem wunderbaren Medaillon von Bertoldo di Giovanni ist der Mordanschlag in seiner ganzen Dramatik wiedergegeben. Botticelli und Andrea del Castagno bekamen den Auftrag, Fresken zu malen, auf denen die Hinrichtung der Verschwörer dargestellt ist. Eine solcher Einsatz der Kunst und der Künstler für direkte politische Zwecke lässt erkennen, dass sich die Bankiers über den Propagandawert der von ihnen bestellten Gemälde stets im Klaren waren.

Womöglich hat diese übertriebene Selbstgewissheit, diese Verschiebung der Macht zugunsten der Bankiers und Humanisten, die Gegenbewegung ausgelöst, die sich in Girolamo Savonarola verkörperte. Der Dominikanermönch war nach Florenz gelangt wie eines von vielen interessanten Objekten für die erlesene Sammlung einer Händlerfamilie. Pico della Mirandola, ein Gelehrter aus reichem Hause, hatte Lorenzo de’ Medici überredet, Savonarola an die Spitze des Konvents der Kirche San Marco zu berufen, die fünfzig Jahre zuvor von den Medicis für 30 000 Florin restauriert worden war. Aber von der dahinterliegenden Botschaft, dass zwischen Frömmigkeit und Geld, zwischen der Kirche und dem Studium der großen römischen Dichter kein Widerspruch bestehe, wollte Savonaralo nichts wissen. Für ihn war vielmehr klar: „Der wahre Prediger kann einem Prinzen nicht schmeicheln, er kann nur dessen Laster geißeln.“

Savonarola war die Gegenfigur zu Lorenzo, den Medici und den Bankiers im allgemeinen. Er hielt vom Handel nichts, er wollte nichts von der Kunst des Tausches wissen, er war nicht verführbar. Seine furchterregenden Bußpredigten, die von Tod und Verderben kündeten und von der Notwendigkeit einer radikalen spirituellen Erneuerung, haben das Florenz der Medici-Bank in ihrer letzten Phase grundlegend verändert. Als 1494 Frankreichs König Karl VIII. mit seiner Armee in Florenz einzog – wie eine Wahrwerdung der von Savonarola prophezeiten Katastrophe –, wurden die Medici vertrieben und die Herrschaft der Bankiers vorübergehend durch die der Prediger abgelöst.

Ein von einem unbekannten Meister stammendes Porträt Savonarolas ist als strenges Profil angelegt; der scharfe Hell-Dunkel-Kontrast, der kahl geschorene Schädel, der feurige Blick und die zusammengepressten Lippen geben die Psychologie des frommen Extremisten vorzüglich wieder: „Ihr Kaufleute, gebt eure Wuchergeschäfte auf“, deklamierte der Dominikaner, „gebt zurück, was ihr unrechtmäßig erworben habt! Eure Häuser sind voll von eitlen Dingen, unsittlichen Bildern und gottlosen Büchern. Bringt sie zu mir, auf dass sie als Opfer für Gott verbrannt werden.“

Mit solchen Worten verfügte Savonarola am Fastnachtsdienstag 1497 die öffentliche Verbrennung der verfluchten Objekte, bei der viele Kunstwerke und Luxusgegenstände in Flammen aufgingen. Bedenkt man, wie berüchtigt und symbolisch aufgeladen dieses Ereignis war, scheint es verwunderlich, wie wenig Bilder es davon gibt.

Man kann allerdings leicht nachvollziehen, dass reiche Leute es gar nicht toll fanden, ein Gemälde zu bestellen, auf dem von reichen Leuten bestellte Kunstwerke vernichtet werden. Und auch die Kirche hat sich schnell von Savonarola distanziert. Er wurde auf derselben Piazza gehängt und verbrannt, auf der er die Verbrennung angeordnet hatte. Die Erinnerung daran wollte niemand aufrecht erhalten.

Aus dem Englischen von Niels Kadritzke

Tim Parks ist Schriftsteller und Übersetzer. Er schreibt Romane und Sachbücher. Auf Deutsch erscheinen seine Bücher beim Kunstmann-Verlag (zuletzt „In Extremis“, München 2018). London Review of Books, für die deutsche Übersetzung LMd, Berlin.

Dieser Text, der anlässlich der Ausstellung „Geld und Schönheit. Bankleute, Botticelli und das Fegefeuer der Etelkeiten“ im Palazzo Strozzi entstand, erschien im Dezember 2011 in LMd.