Reinigungsbranche: Die üblen Maschen der Putz-Company

Nr. 28 –

Die Angestellten miserabel oder gar nicht bezahlen, Sozialabgaben verweigern und im Zweifel Konkurs gehen: So geschäftet seit zehn Jahren die Reinigungsfirma Putz-Company. Einblick in eine kaputte Branche.

«Ich bin an die falschen Leute geraten»: Nach vier Monaten Arbeit zahlte die Putz-Company Alma Diaz* nur noch Kleinbeträge zu willkürlichen Zeitpunkten.

Für schneidige achtzig Franken kann man sich eine Hundert-Quadratmeter-Wohnung mit zwei Badezimmern reinigen lassen. Das ergibt der Kostenrechner einer Firma namens Putz-Company. Das Unternehmen wirbt aber nicht nur mit «besonders scharf nachkalkulierten» Preisen, sondern verspricht auch terminliche Flexibilität und einen ganzjährig lückenlosen Service, ausgeführt von «motivierten, erfahrenen Mitarbeiterinnen».

Alma Diaz* war zunächst froh, eine dieser Mitarbeiterinnen sein zu dürfen. Später wird sie sagen: «Ich bin an die falschen Leute geraten.» Eine Bekannte hatte ihr den Tipp gegeben, bei der Putz-Company anzuheuern, als sie im Frühling 2019 aus Spanien in die Schweiz gekommen war, um für ihre drei Kinder eine bessere Zukunft zu suchen. Der Job ist prekär, aber es ist ein Anfang: stundenweise in Privathaushalten im Raum Zürich und Winterthur sauber machen.

Im Arbeitsvertrag ist Arbeit auf Abruf vereinbart, Stundenansatz 22.51 Franken brutto, Ferien- und Feiertagsentschädigung inbegriffen. Das Dokument enthält auch die Androhung diverser Konventionalstrafen: Falsches Rapportieren der geleisteten Stunden kostet 300 Franken, nicht eingehaltene Kündigungsfristen 1000. Teilt die Angestellte den KundInnen ihren Stundenlohn oder das Ende der Anstellung bei der Putz-Company mit, soll sie 2000 Franken zahlen. Diese Klauseln sind legal und nicht ungewöhnlich in der Branche. Alma Diaz unterschreibt den Vertrag mit Vornamen.

Keine Sozialversicherungsbeiträge

Nach vier Monaten Arbeit klappt es mit der Lohnüberweisung nicht mehr. Diaz erhält nur noch Kleinbeträge zu willkürlichen Zeitpunkten. Familienzulagen sieht sie nie. Der Chef habe ihr 23 Franken pro Kind und Monat in Aussicht gestellt, erzählt sie – so viel, wie sie in Spanien erhalten würde. Das von ihm dafür vorgeschlagene Prozedere scheint ihr zu aufwendig, darum verzichtet sie freiwillig auf die Zulagen. 200 Franken pro Kind würden ihr im Kanton Zürich eigentlich zustehen.

Diaz hat noch andere Jobs, trotzdem wird ihre finanzielle Lage durch den ausstehenden Lohn immer prekärer. Sie wendet sich ans Kafi Klick, eine Anlaufstelle für Armutsbetroffene in Zürich. Dort bieten Freiwillige der Basisgewerkschaft Solnet Rechtsberatungen an. Diese finden heraus, dass die Putz-Company auch die obligatorischen Sozialversicherungsbeiträge für Diaz nicht bezahlt hat. Von drei weiteren Frauen weiss das Solnet inzwischen, dass sie zurzeit auf einen Teil ihres Lohns warten. In einem Fall sind über 13 000 Franken aufgelaufen.

31 Betreibungsverfahren

Recherchen der WOZ zeigen: Die Putz-Company geschäftet schon seit Jahren so – nicht nur auf Kosten der Angestellten. Ihre Betreibungsregisterauszüge lesen sich wie eine Anleitung zur Vermeidung von Sozialabgaben. Bis heute hat die Firma Verlustscheine von über 106 000 Franken angehäuft, also Schulden, die sie mangels Vermögen nicht bezahlen kann. Die meisten davon gehen zulasten der Sozialversicherungsanstalten (SVA). Zusätzlich sind 31 Betreibungsverfahren aktenkundig. Mit 77 000 Franken steht die Firma aktuell bei der Steuerverwaltung, verschiedenen SVAs und der Pensionskasse in der Kreide. Und auch vier ehemalige Angestellte tauchen als Gläubigerinnen in den Betreibungsregisterauszügen auf. Mit Unterstützung von Gewerkschaften haben sie den Rechtsweg beschritten, um insgesamt 22 000 Franken Lohn einzufordern. Der WOZ sind weitere Frauen bekannt, die um Geld geprellt wurden, sich aber nicht zu wehren wussten oder getrauten.

Das Solnet bringt den Fall von Alma Diaz im Januar 2020 vor das Friedensrichteramt. Der Urteilsvorschlag der Schlichterin lautet auf Anerkennung der Lohnforderung von 3300 Franken. Solnet-Übersetzerin (und WOZ-Korrektorin; Anm. d. Red.) Iris Leutert, die die 29-Jährige begleitet hat, sagt: «In der Regel lenkt der Arbeitgeber ein, sobald man vor den Friedensrichter geht.» Nicht so die Putz-Company: Inhaber Thomas Seidenschnur erscheint gar nicht erst zur Verhandlung. Nun liegt es an Diaz, die Sache weiterzuziehen. Ab jetzt wird es allerdings aufwendig – ohne sichere Aussicht auf Erfolg.

Alma Diaz leitet die Betreibung gegen die Firma ein. Der Inhaber bestreitet die Forderung umgehend, worin er, wie die Betreibungschronik zeigt, schon einige Übung hat. Das zwingt die Gläubigerin zu einem Gerichtsverfahren, um den Einspruch zu «beseitigen», und zu einem Betreibungsfortsetzungsbegehren. Wenn Seidenschnur jetzt immer noch nicht zahlt, wird seiner Firma der Konkurs angedroht, um vorhandene Vermögenswerte zur Schuldentilgung einzusetzen. Ein Konkurs wird allerdings nur durchgeführt, wenn genug Vermögen da ist, um den Aufwand der Vollstreckung zu decken und noch etwas an die Klägerin auszuzahlen. Sonst muss Diaz ihre Forderung abschreiben. Die vielen Verlustscheine der Putz-Company zeugen davon, dass schon etliche andere GläubigerInnen an diesem Punkt leer ausgegangen sind.

Für Inhaber Thomas Seidenschnur ist ein Konkurs im Übrigen nichts Bedrohliches: Seine Firma operiert mit mehreren Zweigstellen, von denen 2017 bereits eine mit vierzehn Betreibungsverfahren auf dem Buckel liquidiert wurde. Drei andere Niederlassungen laufen weiter (vgl. «Prädikat dreist» im Anschluss an diesen Text).

Drohungen per Whatsapp

Thomas und Alina Seidenschnur, die die Geschicke der Putz-Company leiten, sind für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Telefonanrufe und E-Mails bleiben unbeantwortet, zwei eingeschriebene Briefe kommen zurück. Alle Gelegenheiten, zu den konkreten Vorwürfen Stellung zu nehmen, bleiben ungenutzt. Mit mindestens einer Angestellten spanischer Herkunft, die darum bittet, ihren ausstehenden Lohn endlich zu erhalten, steht Alina Seidenschnur währenddessen allerdings in regem Whatsapp-Kontakt: Sie droht ihr mit der Polizei und der Guardia Civil, «wenn du irgendwas tust, was meinem Unternehmen schadet».

Lorenz Keller von der Gewerkschaft Unia, die eine weitere ehemalige Angestellte der Putz-Company auf dem Rechtsweg begleitet, kennt viele solcher Beispiele: «Die Firmennamen und die Geschichten sind im Prinzip austauschbar», sagt er. «Die Reinigung ist eine der kaputtesten Branchen.» Im Preisunterbietungswettbewerb mit extrem tiefen Margen seien die Angestellten, oft Migrantinnen mit wenig Deutsch- und noch weniger Rechtskenntnissen, die ersten Opfer.

Das Solnet hat nun die paritätische Kommission des Reinigungsgewerbes benachrichtigt. Diese setzt sich aus Arbeitgeber- und ArbeitnehmervertreterInnen zusammen und kann Firmen, die dem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) unterstellt sind, bei Fehlverhalten sanktionieren. Weil der GAV in der Deutschschweiz für allgemeinverbindlich erklärt wurde, gilt er auch für die Putz-Company. Zunächst würde die paritätische Kommission zur Nachzahlung der Löhne auffordern – und bei Weigerung dann eine Geldstrafe aussprechen, die bis zum Doppelten der Lohnausstände betragen kann. Aus diesem Grund zahlen die Unternehmen in der Regel die Löhne.

Alma Diaz hat nach der Putz-Company seriösere Anstellungen in der Reinigungsbranche gefunden. Sie bringt sich und die drei Kinder mit 1400 Franken monatlich durch. «Ich staune manchmal selber, dass das geht», sagt sie im März. Dann kommt die Pandemie und lässt einen Teil ihrer Einnahmen wegbrechen. Als sie nicht mehr weiss, woher sie das Geld für den nächsten Einkauf nehmen soll, organisiert Solnet-Aktivistin Leutert Hilfe vom Roten Kreuz. Dieses versorgt die Spanierin mit Lebensmittelpaketen und legt ihr nahe, sich bei der Sozialhilfe anzumelden. Alma Diaz würde lieber endlich ihren ausstehenden Lohn erhalten.

* Name geändert.

Über www.proper-job.ch können für die ganze Schweiz fair entlöhnte Putzkräfte gebucht werden. Auch die soziale Auftragsvermittlung www.etcetera-zh.ch sorgt für Reinigungspersonal (Raum Zürich).

Prädikat dreist

Warum hat eine Firma, die ihre Dienste nur in der Schweiz anbietet, ihren Hauptsitz im Ausland? Und wofür braucht sie drei Zweigstellen, wenn sie nur den Raum Zürich / St. Gallen abdeckt? Im Fall der Putz-Company könnte man sagen: um folgenlos Schulden machen zu können.

Ihr Hauptsitz an einer mutmasslichen Briefkastenadresse in Bramhall (GB) ist laut Handelsregister mit gerade mal einem Euro Geschäftskapital ausgestattet. Die hiesigen Zweigstellen benötigen kein eigenes Kapital. Die Firma lebt also von der Hand in den Mund. Macht sie Schulden, gibt es für die Gläubiger nichts zu holen. Geht eine ihrer Zweigstellen in Konkurs, betrifft das die anderen nicht, weil es rechtlich gesehen eigenständige Firmen sind. Eine Pleite wie jene der ehemaligen Niederlassung Winterthur hat gar den Vorteil, dass die Schulden damit definitiv beseitigt sind. Und bei Bedarf kann die Putz-Company jederzeit neue, finanziell unbescholtene Zweigstellen eröffnen.

Arbeit auf Abruf : Volles Risiko, kaum Schutz

Rund 220 000 Menschen arbeiten in der Schweiz auf Abruf. Viele davon sind wie Alma Diaz (vgl. Haupttext) in einem Nullstundenvertrag angestellt, haben also keinen Anspruch auf ein Mindestpensum oder ein fixes Einkommen. Sie sind dem Geschäftsgang des Betriebs ausgeliefert und tragen faktisch dessen Risiko. Werden sie plötzlich nicht mehr zur Arbeit abgerufen, ohne die Kündigung erhalten zu haben, können sie nur unter restriktiven Bedingungen Taggelder der Arbeitslosenversicherung (ALV) beantragen – nur dann nämlich, wenn die monatlichen Schwankungen des Beschäftigungsgrads in der vorherigen Anstellung maximal zehn bis zwanzig Prozent betrugen. Ausgerechnet die Lohnabhängigen in besonders prekären Arbeitsverhältnissen werden so von der sozialen Sicherung ausgeschlossen. So erstaunt es nicht, dass ein Grossteil der Menschen, die im Lockdown bei der Caritas um Hilfe ersuchten, auf Abruf arbeiteten.

Die Allianz gegen Sozialapartheid, ein Netzwerk aus Erwerbslosenkomitees, fordert deshalb, dass alle Menschen, die ein durchschnittliches Einkommen von mindestens 500 Franken erzielen, ALV-versichert sind, ungeachtet monatlicher Schwankungen. Zudem gehören laut Allianz die Nullstundenverträge abgeschafft: Eine garantierte Mindestarbeitszeit und eine vertraglich festgelegte Richtarbeitszeit sollen den Angestellten Sicherheit geben. Ein Postulat von Robert Cramer (Grüne) wurde im Ständerat im September 2019 gegen den Willen des Bundesrats überwiesen. Nun ist der Nationalrat am Zug.

Marlene Kalt