Abstimmung Kinderabzüge: Eine dreiste Mogelpackung

Nr. 35 –

Gehören Sie zu den fünfzehn Prozent SpitzenverdienerInnen im Land und haben Kinder? Falls nicht, werden Sie kaum – oder gar nicht – von der Erhöhung des Kinderabzugs bei den Bundessteuern profitieren, über die in vier Wochen abgestimmt wird: Die obersten fünfzehn Prozent der Familien mit den höchsten Einkommen würden nämlich siebzig Prozent der 370 Millionen Franken einstecken, die mit dem Steuerabzug verteilt würden. Den übrigen Familien und Kinderlosen bliebe vor allem das entsprechende Finanzloch in der Bundeskasse.

Dieses doch eher unverfrorene Geschenk an die Reichsten geht auf den Zürcher CVP-Nationalrat Philipp Kutter zurück, der 2018 in den Nationalrat nachgerückt ist: Es war im Frühling 2019, als die grosse Kammer über einen höheren Steuerabzug für Kitakosten beriet, der den Bund zehn Millionen Franken gekostet hätte. Da zauberte Kutter seinen Vorschlag aus dem Hut, nach dem auch der allgemeine Kinderabzug bei den Bundessteuern erhöht werden soll: Statt den heutigen 6500 könnten Eltern neu 10 000 Franken bei der direkten Bundessteuer abziehen. Schwups, erhöhten sich die Kosten der Vorlage von 10 auf 380 Millionen Franken. Der Abzug sei «ein guter Ansatz, um alle Familien zu entlasten», sagte Kutter.

Stimmt nicht, intervenierten noch während der Debatte nicht nur Grüne, SP und GLP, sondern sogar SVP-Finanzminister Ueli Maurer, dem die Ungleichheit im Land ansonsten nicht allzu viele schlaflose Nächte bereitet. Maurer legte Zahlen der Steuerverwaltung auf den Tisch: Während die 15 Prozent SpitzenverdienerInnen 70 Prozent der 370 Millionen erhielten, könnten weitere 40 Prozent der Familien die restlichen 30 Prozent unter sich aufteilen – sie würden monatlich maximal rund 30 Franken einsparen. Die ärmsten 45 Prozent der Familien bezahlen keine direkte Bundessteuer. Sie würden also mit keinem Rappen vom Abzug profitieren, obwohl sie Unterstützung am nötigsten hätten.

«Es ist eine Steuerentlastung für höhere Einkommen», stellte Maurer in der Debatte klar. «Das kann man wollen, aber dann darf man das nicht als Familienvorlage verkaufen.» Kutter, der sich in der «Schweizer Illustrierten» gerne als liebevoller Familienvater inszeniert, liess sich von den Fakten nicht beirren, genauso wenig wie seine CVP. Ohne sich gross die Mühe zu machen, gegen SP, Grüne, GLP und Finanzminister Maurer zu argumentieren, drückte die CVP zusammen mit BDP und SVP den Antrag in der grossen Kammer durch.

Zwar stellte sich im Ständerat eine Mehrheit aus Linken und FDP dagegen. Im Herbst kippte auch die FDP im Nationalrat plötzlich auf Kutters Seite, kurz darauf überstimmte der Nationalrat die kleine Kammer bei der Differenzbereinigung – worauf die Linke erfolgreich das Referendum ergriff.

Wider die Fakten behauptet CVP-Nationalrat Kutter auch im jetzigen Abstimmungskampf zusammen mit seiner Partei, der BDP und der SVP, dass «vor allem die mittelständische Familie» vom erhöhten Kinderabzug profitieren würde. Die SVP ist gleichzeitig gegen den zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub, der seinerseits tatsächlich allen jungen Familien zugutekäme und nicht einmal zwei Drittel des Steuergeschenks kosten würde.

Selbst vielen Bürgerlichen ist mit der Vorlage nicht ganz wohl: Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse hat Stimmfreigabe beschlossen, die wirtschaftliche Denkfabrik Avenir Suisse spricht sich gar offen gegen die Vorlage aus. Die FDP will sich nicht im Ja-Komitee engagieren, darin vertreten sind lediglich unbekanntere FDP-ParlamentarierInnen. Schwergewichte wie Christa Markwalder und Andrea Caroni engagieren sich sogar im «liberalen» Nein-Komitee, das im Kern die Position des linken Nein-Lagers teilt, das von «Kinderabzugs-Bschiss» spricht. Die Vorlage, so das «liberale Komitee», sei eine «teure», «nutzlose» und «dreiste Mogelpackung», von dem der breite Mittelstand nicht profitiere. Das Komitee bezeichnet die Vorlage gar als «Klientelpolitik», von der viele ParlamentarierInnen selber profitierten.

Harte Worte – für eine Partei wie die CVP, die gerne behauptet, die mittelständischen Familien zu vertreten. Doch sind sie wahr.