Kost und Logis: Das Kapseldilemma

Nr. 38 –

Karin Hoffsten über einen Genuss voller Widerhaken

So mit zwölf entdeckte ich, dass Kaffee auch anders schmecken kann. Bohnenkaffee kannte ich schon, weil ich ihn – nach einer Krankheit genesend – mit Zucker und Milch im Bett serviert bekam, um meinen Kreislauf anzukurbeln. Das Gefühl war schön – die erste Droge.

Aber im Eiscafé Venezia auf der Sulzbacher Hauptstrasse schmeckte er ganz anders und hatte ein braunes Schäumchen obendrauf. Und das schöne Gefühl war stärker. Es brauchte einige Zeit, bis ich kapierte, dass italienischer Kaffee anders entstand: nicht mit Wasser und Filter, sondern durch Dampfdruck in der Espressomaschine.

Erfreut realisierte ich später, dass man in der Schweiz fast ausschliesslich solche Maschinen benutzte, bald hatten wir selbst eine. Bei Reisen durch Deutschland, wo vielerorts «draussen nur Kännchen» serviert wird, machte ich mich häufig unbeliebt, indem ich das Servicepersonal fragte, wie denn in ihrem Etablissement der Kaffee gemacht würde. Manche verstanden mein Problem; andere antworteten knapp «in einer Kaffeemaschine wie überall» und waren ein bisschen beleidigt, wenn ich die auch noch sehen wollte.

Als besonders kompliziert erwies sich in ländlichen Gegenden der Wunsch nach einem doppelten Espresso, wie ich ihn gewohnt war. Man nickte eifrig und servierte mir dann in einem Espressotässchen circa zwei Teelöffel einer tintenartigen Brühe, lauwarm und bitter.

Eine Kaffeeaficionada wie die Person, die kürzlich twitterte: «Morgens Filterkaffee, mittags Mocca, nachmittags Kaffee aus der French Press und abends Espresso aus der Siebträger», wurde ich nie. Aber mit den Jahren traf ich auch in Küchen weltanschaulich gefestigter GastgeberInnen immer häufiger auf eine Kapselmaschine. Diskussionen über die Kapsel und ihre Entsorgung hielt ich kurz oder vermied sie ganz, weil ich nicht als diejenige gelten wollte, die mit ideologischer Sturheit den Abend stört.

In unserem Haushalt stand nach Hebelmaschinen inzwischen ein gealterter Vollautomat mit Macken und beträchtlichem Reinigungsbedarf, wollte man Schimmelbildung vermeiden. Die Kapselmaschinen meiner FreundInnen machten mich neidisch, doch es war klar: Die Umweltbelastung durch weltweit Milliarden Kapseln schloss das System für uns aus.

Bis ich ein Inserat sah: Beanarella, die Espressomaschine mit kompostierbaren Kapseln, gefüllt mit Bio- und Fairtrade-Kaffee. Um es kurz zu machen: So eine steht jetzt in unserer Küche. Sie ist preiswert, klein und handlich, die angebotenen Kapselkaffeesorten unterscheiden sich zwar geschmacklich nicht allzu stark, aber unseren Bedürfnissen genügen sie.

Um zu beurteilen, ob das vollmundige Versprechen zutrifft, die Kapseln bauten sich in vier Wochen ab, ist es allerdings noch zu früh – und auch zu diesem System gibt es im Internet harsche Kritik. Aber das Leben besteht nun mal aus einer Abfolge unauflösbarer Widersprüche.

Karin Hoffsten versichert, von der genannten Kaffeemaschinenfirma weder finanzielle noch materielle oder ideelle Vergünstigungen entgegengenommen zu haben.