Auf allen Kanälen: Pressefreiheit gilt nur, wenns nett bleibt

Nr. 12 –

Rund um den Frauentag berichtete das Zürcher Radio LoRa vor Ort über die Kundgebungen. Nun erheben die «Radias» Vorwürfe gegen die Polizei.

Das Zürcher Radio LoRa ist eine Instanz. Seit bald vierzig Jahren sendet das nichtkommerzielle Lokalradio für Aktivistinnen, für Migranten, für Personen, die im Gefängnis sitzen – und auch für alle anderen, die das bunte, experimentelle und vielsprachige Programm der kleinen Station mit Sitz im Langstrassenquartier zu schätzen wissen. Das LoRa polarisiert, stellt in seinen Formaten ganz unverhohlen die Macht infrage und eckt damit auch an – für die Zürcher Stadtpolizei wohl etwas zu sehr.

Während der feministischen Proteste rund um den Frauenkampftag am 8. März war die feministische Redaktion des LoRa unterwegs, um direkt aus dem Herzen der Kundgebungen, Sitzstreiks und Demonstrationen zu berichten – so wie es das LoRa seit Jahrzehnten macht.

Doch dieses Jahr war es der Stadtpolizei Zürich wohl etwas zu viel des Guten. An der Demonstration vom 6. März auf dem Helvetiaplatz wurden die «Radias», wie sich die feministischen Sendungsmacherinnen nennen, vom Platz verwiesen, weil sie mit ihrem Bus, aus dem live das Radioprogramm gesendet wurde, zu einer illegalen Zusammenrottung von Menschen beitragen würden, so erzählt Redaktionskoordinatorin Nekane Txapartegi.

Falsch parkiert!

«Erst hiess es, wir sollten gehen, weil wir die Coronaregeln nicht einhielten, dann wieder, weil unser Auto als Privatfahrzeug auf dem Platz nicht erlaubt sei», erinnert sich Txapartegi. «Das Vorgehen der Polizei schien willkürlich, jeder Beamte sagte wieder etwas anderes.» Schliesslich wurde der Übertragungsbus von einigen Beamten an den Rand dirigiert, wo die Radiomacherinnen von der Verkehrspolizei prompt eine Busse wegen Falschparkieren bekamen.

Die Polizei sei ihnen durchweg feindselig entgegengetreten, sagt Txapartegi. «Was ihr macht, gefällt mir eh nicht!», habe ein Beamter zu den LoRa-Frauen auf dem Helvetiaplatz gesagt. Auch die vorgezeigten Presseausweise hätten die Beamten nicht beeindruckt. Eine der Redaktorinnen sei von der Polizei kontrolliert worden, nachdem sie eine kritische Frage zum harten Vorgehen der Beamten gegen die kurdischen Frauen auf der Strasse gestellt hatte. Als es zu einem Polizeikessel neben dem Platz kam, hielten die Beamten eine Reporterin physisch vom Filmen ab.

Ausweis? Egal

Auf Anfrage der WOZ weist die Medienstelle der Stapo die Vorwürfe «entschieden zurück». Die Stadtpolizei Zürich habe nie ein generelles Filmverbot erteilt und behindere Journalisten (sic) grundsätzlich auch nicht bei deren Arbeit. Anders verhalte es sich aber bei «verbotenen Veranstaltungen», wie die Medienstelle weiter schreibt. Hier gelten Anwesende als Teil der Veranstaltung, unabhängig davon, ob ein Presseausweis vorgezeigt werde oder nicht. Deshalb müssten sie auch damit rechnen, kontrolliert, weggewiesen und allenfalls verzeigt zu werden.

«Es kommt immer wieder vor, dass die Polizei einen bestimmten Einsatz nicht gefilmt haben will, obwohl das der Pressefreiheit widerspricht», sagt Bettina Büsser von Reporter ohne Grenzen. Wie der Fall LoRa rechtlich zu beurteilen sei, werde derweil noch abgeklärt.

Txapartegi sagt, die LoRa-Journalistinnen hätten sich zu jedem Zeitpunkt ungefragt und deutlich als Medienschaffende ausgewiesen. An einer Sitzblockade am 8. März drohte man den Radias mit Rayonverbot, wenn sie sich nicht umgehend entfernen würden. So auch an einer feministischen Kundgebung am 18. März. Ähnliche Szenen spielten sich schliesslich auch an einer weiteren feministischen Demonstration am vergangenen Samstag ab.

«Wir wurden nicht als Journalistinnen behandelt, sondern als Aktivistinnen. Dabei wäre es unsere Aufgabe, über eben jene Repression zu berichten, die uns schlussendlich selber widerfuhr», resümiert Txapartegi die letzten Wochen. Radio LoRa prüft rechtliche Schritte.