Auf allen Kanälen: Original digital

Nr. 16 –

Sogenannte Non-Fungible Tokens machen derzeit viel Wirbel: Beliebig reproduzierbare digitale Güter werden in Sammlerobjekte transformiert – und zu absurden Preisen verkauft.

Am 11. März 2021 versteigerte das Auktionshaus Christie’s ein digitales Kunstwerk des Künstlers Beeple für 69 Millionen US-Dollar. Dieses besteht aus einer wilden Collage von 5000 Bildern, die Beeple bereits über die Jahre online veröffentlicht hatte. Was hier versteigert wurde, war daher nicht die Collage selbst – denn diese lässt sich mit einem Klick auf jeden Rechner laden. Vielmehr kam ein sogenanntes «Non-Fungible Token» (NFT) unter den Hammer, das den Besitz des «Originals» garantieren soll. Der Käufer, der indische Investor Vignesh Sundaresan, darf jetzt von sich behaupten, dass ihm das «echte» Bild gehört.

Die Auktion war ein Höhepunkt des aktuellen Hypes um NFTs. Diese zertifizieren die Echtheit und Einzigartigkeit eines digitalen Gutes, sei es ein animiertes Bild, ein Song, ein Video oder ein Gegenstand in einem Game. Wie Sammelkarten lassen sich NFTs tauschen oder verkaufen. Das digitale Gut «gehört» der Person, die auch dessen NFT besitzt. Die Idee ist an sich nicht neu: An vielen Kühlschränken hängt eine Kopie von van Goghs Sonnenblumen, das Original gehört jedoch jemand anderem. NFTs allerdings verwandeln mit technischen Mitteln ein per se beliebig reproduzierbares Gut in etwas Einmaliges.

Das nächste grosse Ding

Die NFTs werden dabei auf einer Blockchain gespeichert. Diese garantiert, dass sich die Zertifikate nicht fälschen lassen und dass jeder Transfer von einer Person zur anderen transparent dokumentiert ist. Auf Websites wie nonfungible.com lässt sich nachverfolgen, wie oft und zu welchem Preis ein NFT weiterverkauft wurde. Das Pixelbild eines Zombiekopfs etwa wechselte zum Beispiel vier Mal die Besitzerin – ursprünglich vor einem halben Jahr für 12 000 Dollar verkauft, wurde es vor einigen Tagen für das achtzigfache weiterverkauft. Bezahlt wird dabei meist in der Kryptowährung Ether.

Fans sagen: NFTs sind das nächste grosse Ding im Kunstmarkt. Sie transformieren universelle Verfügbarkeit in künstliche Knappheit und verleihen damit blossen Dateien den «mystischen Charakter» eines Sammlerobjekts: Endlich können wir wieder Musik, Bilder und Filme kaufen und in unsere Sammlung aufnehmen, statt sie bloss im Abo zu streamen! Das Plattengestell der Zukunft wäre demnach ein scrollbares NFT-Archiv. Für Kunstschaffende seien NFTs zudem eine Möglichkeit, ihre Werke zu Geld zu machen, zumal es bei NFTs die Möglichkeit gibt, einen Teil des Preises bei jedem Weiterverkauf automatisch an die Urheberin zu überweisen.

Der Drei-Millionen-Tweet

KritikerInnen entgegnen: Alles reine und auf die Spitze getriebene Spekulation – ein gefundenes Fressen für Menschen, die mit dem Besitz digitaler kultureller Güter protzen und Profit aus einer eigentlich wertlosen Sache schlagen wollen. Ein paar Beispiele: Twitter-Gründer Jack Dorsey verkaufte im März seinen ersten Tweet («just setting up my twttr») für fast drei Millionen Dollar an Sina Estavi, den CEO der Blockchain-Firma Bridge Oracle. Estavi meinte gegenüber der BBC, dass der Tweet ein «Stück Menschheitsgeschichte» darstelle: «Wer weiss schon, wie hoch der Preis für den ersten Tweet der Geschichte in fünfzig Jahren sein wird?»

Beliebt für NFTs sind auch die in der Internetkultur allgegenwärtigen und sich ständig wandelnden Memes. So wurde das originale «Nyan Cat»-Video – eine aus einer Süssigkeit bestehende Katze fliegt, einen Regenbogen nach sich ziehend, endlos durchs Weltall – im Februar für 600 000 Dollar verkauft, obwohl es im Internet tausendfach in den unterschiedlichsten Variationen zu sehen ist.

Der Wert der digitalen Güter richtet sich dabei allein danach, wie viele Leute für den Mythos der Einmaligkeit zu zahlen bereit sind – das lockt Investoren und Spekulantinnen an. Sie rechnen damit, dass der Tauschwert der Sammlerobjekte genauso wie der Kurs der Kryptowährungen in die Höhe schnellen wird. Das macht sich auch die US-amerikanische Profibasketballliga NBA zu Nutzen. Auf ihrer Website lassen sich Kurzvideos der besten Momente vergangener Spiele wie Sammelkarten als NFTs kaufen und weiterverkaufen. Jüngst wechselte ein Video eines Dunks von Superstar LeBron James für 208 000 Dollar den Besitzer. Bereits wurden auf der Plattform mehrere Hundert Millionen Dollar umgesetzt.