«Unia-Millionen»: Mobilmachung gegen links

Nr. 41 –

Nachdem sich eine knappe Mehrheit der Schweizer Stimmberechtigten an der Urne für die Konzernverantwortungsinitiative (Kovi) ausgesprochen hatte, wollte Ruedi Noser im Dezember im Ständerat etwas klarstellen. Er habe kein Problem damit, wenn NGOs politische Positionen vertreten. «Alle sollen ihre Meinung sagen, ich habe nichts dagegen», erklärte der FDP-Politiker – «aber bitte nicht mit Millionenbeträgen.» Eine ganze Welle von Vorstössen ging damals im Parlament ein, die darauf abzielten, den politischen Spielraum jener Organisationen einzuschränken, die in einem fast zehn Jahre dauernden Effort ein linkes Anliegen bis weit ins bürgerliche Lager hineingetragen haben. Was Noser, unter anderem Präsident der Wettbewerbskommision des Wirtschaftsverbands Economiesuisse, mit seinem Votum zum Ausdruck brachte: In der Schweizer Politik dürfen alle mitspielen, solange die Machtverhältnisse nicht angetastet werden.

Waren es zuletzt die kritischen NGOs, die zur heimlichen Übermacht stilisiert wurden, so war es in den letzten Wochen eine Gewerkschaft: Die Unia dürfte «mit hoher Wahrscheinlichkeit die finanzkräftigste politische Organisation der Schweiz sein – potenter als alle Parteien, Wirtschaftsverbände und NGOs», hiess es im «Tages-Anzeiger». Dort wurde der grössten Gewerkschaft des Landes in einer kampagnenartigen Artikelserie vorgeworfen, ein Vermögen von Hunderten Millionen Franken «verheimlicht» zu haben. Die Zeitung begleitete damit eine FDP-Offensive im Parlament, die unter anderem zum Ziel hat, grössere Transparenzvorschriften bei der Überwachung von Gesamtarbeitsverträgen durchzusetzen. Gewerkschaften würden sich an diesem System nämlich bereichern, so der Vorwurf.

Wie beim Angriff auf die NGOs wird dem politischen Gegner also auch in diesem Fall fehlende Transparenz unterstellt. Das ist ungemein dreist – kommt der Vorwurf doch von jenen Kräften, die sich im Normalfall mit Händen und Füssen gegen jegliche Schritte in Richtung Transparenz wehren. Etwa wenn es um Parteien- und Kampagnenfinanzierung geht oder um den Finanzplatz Schweiz, dessen globale Schurkenrolle jüngst durch die Pandora Papers wieder aufgezeigt wurde. Unia-Präsidentin Vania Alleva hat recht, wenn sie nach dem medialen Sturm der letzten Wochen von den Journalist:innen fordert: «Messen Sie mit gleichen Ellen.»

Was die Kampagnen gegen Kovi und Unia ebenfalls gemein haben: Sie sollen die Integrität linker Politik unterwandern. Um Inhalten auszuweichen, wird auf die Absender:innen geschossen: Genauso wie Aktivist:innen der Klimastreikbewegung als unglaubwürdig dargestellt werden, wenn sie ein iPhone besitzen, sollen Gewerkschaften verdächtig sein, wenn sie eigenes Kapital anlegen. Weil sich die Linke selbst schwertut mit dem richtigen Leben im falschen, darf mit Blick auf die Unia das Gesamtbild nicht vergessen gehen: Deren Kapital gehört über 180 000 Mitgliedern. Laut «Bilanz» verfügen allein die 300 reichsten Menschen in der Schweiz über ein Vermögen von 700 Milliarden Franken. Ein Machtverhältnis, das sich in der Politik ständig abbildet.

Es erweckt den Eindruck, dass die bürgerlichen Hüter:innen dieser Ungleichheit zuletzt nervöser als auch schon auf jene reagierten, die sich der herrschenden Ordnung in den Weg stellen. Davon zeugen auch Bundesrät:innen, die in Abstimmungskämpfen stoisch nachweisliche Falschaussagen verbreiten. Das alles könnte dafür sprechen, dass auch sie die gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahre erkannt haben: Es wird wieder breit über Verteilfragen debattiert, über soziale und wirtschaftliche Teilhabe, über systemische Diskriminierungsformen. Die Frage ist, wie weit die Verfechter:innen des Status quo zu gehen bereit sind. Angesichts eines neuen Terrorgesetzes, bei dem weitere Verschärfungen drohen, und der wachsenden Kriminalisierung etwa von Klima- und Asylaktivist:innen in der ganzen Schweiz sind die Anzeichen durchaus bedenklich. Die Antwort der Linken kann nur lauten, wie sie immer schon lautete: Sie muss sich organisieren.