Von oben herab: Mehr Plutokratie wagen!

Nr. 21 –

Stefan Gärtner über oligarchisches Versteckis

Zwei Monate ist es her, da ging die Story durch die Schweiz, dass es die Schweiz und das Seco so genau nicht nähmen damit, russischen Oligarchen den Zugriff auf ihre Vermögen zu verwehren. «Es ist doch nicht an uns, jetzt jede Firma abzuklappern und zu schauen: Ist da alles in Ordnung?», sprach der Zuger Finanzdirektor Tännler (SVP) in eine Kamera des SRF. «Ich muss nicht wie ein Detektiv dem nachgehen.»

Nein, das muss er nicht, schliesslich ist die Schweiz ein weltberühmter Finanzplatz und nicht Interpol! Die Oligarchen haben längst verstanden, dass sie sich keinen abbrechen müssen, um die Kontrolle über ihr Geld zu behalten, und «als der russische Oligarch Andrei Melnitschenko sanktioniert wurde, übertrug er seine Schweizer Milliardenfirma einfach seiner Frau. Der Bund akzeptierte und deckte dieses Vorgehen.» Schreibt der «Tages-Anzeiger», und wir glauben ihm ungern, schliesslich verbreitete das Seco jetzt per Twitter ein Zitat seiner Direktorin, die den unbezahlbaren Namen Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch trägt: Eine ihrer Hauptaufgaben in den letzten elf Jahren sei es gewesen, «mehr Regulierung abzuwehren». Und wenn es in Helvetien derart einfach ist, als Putinist aus dem Schneider zu sein, dann muss man sich nicht wundern!

So übertrug der Oligarch Rodion Raskolnikow seine Milliarden einfach seiner Dogge Waldimir (5). Der Bund war sich erst nicht sicher, ob er dieses Vorgehen akzeptieren und decken könnte, traute sich aber nicht, an Waldimirs Hütte zu klopfen. «Der Selbstschutz hat immer Vorrang», so Finanzdirektor Tännler in einem neuerlichen SRF-Bericht. «Ich muss nicht wie Rambo dem nachgehen. Oder wie Cesar Millan, dieser Hundeflüsterer aus dem Fernsehen, dessen Methoden im Übrigen äusserst umstritten sind!»

Der Oligarch Rasputin Kleptokratikow behalf sich damit, einfach das Namensschild am Briefkasten seiner Villa auszuwechseln. «Die entsprechenden Dokumente konnten leider nicht zugestellt werden», heisst es in einem Seco-Tweet, und gegen einen Herrn Rudolf Widmer liege schliesslich nichts vor. «Was glauben Sie, wie viele Briefkästen in diesem Land täglich klappern», so Finanzdirektor Tännler gegenüber der «Zuger Zeitung». «Ich muss nicht wie ein Hauswart dem nachgehen, auch wenn wir angeblich in einer Postdemokratie leben. Habe ich neulich irgendwo gelesen, ist bestimmt wieder so ein linker Chabis!»

Kleptokratikows Bruder Iwan wiederum übertrug grosse Teile seines Vermögens seiner Geliebten, ein Vorgehen, das sein Bruder zwar deckte («Olga? Ich kenne keine Olga!»), der Bund aber nicht akzeptierte: «Es ist ein Zeichen schlechten Benehmens und mangelnden emanzipatorischen Verständnisses, eine Ehefrau derart schamlos zu übergehen», so Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch in einem internen Vermerk. Sie bedauere es, dass in den letzten elf Jahren neben ihrer Hauptaufgabe, das Geld bei denen zu lassen, die es nun einmal haben, für eine Initiative zum Schutz betroffener Ehefrauen keine Zeit gewesen sei. «Mehr Regula abwehren» sei ein sehr guter Name für eine solche Initiative, auch wenn er freilich unterstelle, die Geliebten hiessen alle Regula, was bei russischen Oligarchen nicht unbedingt anzunehmen sei.

Olga Luderowka, die in Rede stehende Geliebte, «versteckte» das Geld ihres Geliebten einfach in Paris, u. a. bei Yves Saint Laurent, Christian Dior, Hermès und Fabergé. Seither fehlt von ihr jede Spur. «Ich muss nicht wie Wachtmeister Studer dem nachgehen», so Finanzdirektoren-Ass Tännler in einer gewagten Kombination aus zu grossem mauvefarbenem Sakko, Baumarktjeans und Tiermotivkrawatte, «vermutlich würde ich in diesem Aufzug auch aus allen diesen Läden rausgeschmissen. Ich sag Ihnen was: Ich lese jetzt noch einmal ‹Die Fieberkurve›, da bin ich auch in Paris, und es kostet mich keinen Rappen.»

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er jede zweite Woche das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.

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