F-35: Amherd im Überschallflug

Nr. 21 –

Der F-35 ist wie eine prall gefüllte Piñata: eine mexikanische Pappfigur für Geburtstage, aus der allerlei süsse Überraschungen herausfallen, wenn man mit einem Stock auf sie einschlägt. Der Kampfjet ist für feindliche Radarsysteme kaum zu entdecken, weshalb er sich bestens für Einsätze im Feindesland eignet. Er kann sogar Nuklearangriffe durchführen, weswegen Deutschland im Zuge der von der Nato verlangten «nuklearen Teilhabe» neuerdings starkes Interesse an ihm zeigt. Und er verfügt über modernste Aufklärungstechnik, mit der er Feinde ausspäht.

Auf die Schweiz heruntergebrochen: Der F-35 könnte, wenn er über dem Bündnerland kreist, etwa Wilderer in Tirol aufspüren. Zudem, entsprechend bewaffnet, eine Atomrakete auf sie abfeuern. Logisch, sind Schweizer Militärs vom neusten US-Kampfjet begeistert.

Ab 2030 sollen 36 Exemplare des F-35 in Schweizer Diensten stehen. In den USA, in Australien und einigen weiteren Ländern ist er schon im Einsatz. Und was dort aus dem Jet herauspurzelt, sind keine strategischen Versuchungen, sondern eine bunte Mischung an Problemen. Über 800 technische Schwierigkeiten muss der Hersteller Lockheed Martin laut US-Regierungsberichten aus dem Weg räumen.

Wird eine behoben, entsteht oft eine neue. Besonders schwer wiegen die Schwächen im Antriebssystem, die in den USA zu einer weit tieferen Einsatzfähigkeit führen als verlangt. Schon wird diskutiert, ob das Triebwerk bald ganz ersetzt werden soll. Auch die Unterhaltskosten für den Jet sind explodiert. 110 Bestellungen hat das US-Militär deshalb storniert. Trotz Aufrüstungsoffensive sind die Generäle ausgerechnet beim Prestigeobjekt F-35 auf die Bremse getreten.

Das alles beeindruckt Verteidigungsministerin Viola Amherd bekanntlich nicht. Ganz im Gegenteil: Sie will den Deal über sechs Milliarden Franken möglichst schnell abschliessen. Der Vertrag müsse, sagte sie letzte Woche, bis Ende März 2023 unterschrieben sein, sonst würden sich die Kosten um eine Milliarde erhöhen. Dieses Datum gab es bislang nicht. Oder es wurde verheimlicht. Was ganz gut zum Milliardengeschäft passen würde, in dem so vieles intransparent ist.

Alles scheint, als wolle Amherd – sekundiert vom bürgerlichen Parlament – den Kauf abwickeln, bevor kritische Informationen den Deal gefährden könnten. Etwa über die eigenwilligen Kalkulationen des Verteidigungsdepartements (VBS) zu den Unterhaltskosten. Die sind in der Schweiz deutlich tiefer veranschlagt als in anderen Ländern, die den F-35 beschafft haben. Ein Untersuchungsbericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle soll die Schweizer Berechnungen auf ihre Stimmigkeit und das Geschäft auf seine Risiken abklopfen. Doch noch bevor dieser Anfang Juli vorliegen soll, verkündet Amherd den Kaufentscheid.

Ähnlich irrelevant für das VBS ist eine laufende Untersuchung der Geschäftsprüfungskommission, die sich die Typenwahl genauer anschaut. Dort kam es laut Medienberichten zu abenteuerlichen politischen Manövern mit dem französischen Mitbewerber Dassault Aviation. Der Schaden an der nachbarschaftlichen Beziehung ist beträchtlich.

Der hastige Vollzug des Geschäfts bricht auch mit demokratischen Gepflogenheiten. SP, Grüne und GSoA wollen demnächst ihre «Stop F-35»-Initiative einreichen. Berücksichtigen will Amherd diese trotz gegenteiliger Beteuerungen plötzlich nicht mehr. Natürlich gibt es keine rechtliche Verpflichtung, eine Initiative abzuwarten, für die noch nicht mal genug Unterschriften gesammelt sind. Doch wird so der Stimmbevölkerung die Möglichkeit genommen, ihren Willen zu artikulieren: Ist der Vertrag unterzeichnet, wird der Volksentscheid wirkungslos.

Viola Amherd beschleunigt auf Überschallgeschwindigkeit. Dazu passt ein weiterer Bundesratsentscheid. Obwohl riesige Kreditreste aus verpatzten Rüstungskäufen übrig sind und ein abschliessender Parlamentsentscheid aussteht, darf die Armee kommendes Jahr 300 Millionen Franken mehr ausgeben. So wenig verantwortungsvolles Regierungshandeln war selten in Bern.