Asylpolitik: Bumerang für die FDP

Nr. 25 –

Eine Reform der vorläufigen Aufnahme ist dringend. Nur die Partei von Justizministerin Keller-Sutter will das noch nicht wahrhaben.

Warten, warten, warten: So lässt sich die Situation von Zehntausenden beschreiben, die in der Schweiz zwar nicht als Flüchtlinge anerkannt werden, aber eine vorläufige Aufnahme erhalten, den Status F. Sie warten oft Jahre im Asylverfahren, dann warten sie weitere Jahre in der vorläufigen Aufnahme, bis sie ein Härtefallgesuch stellen können. Erst dann erhalten sie im besten Fall den Bescheid «definitive Aufnahme».

In all diesen Jahren werden sie von der Politik in ein zermürbendes Dauerprovisorium versetzt. Sie dürfen die Schweiz nicht für eine Reise verlassen, der Familiennachzug ist eingeschränkt. Sie erhalten eine reduzierte Sozialhilfe, die von den Gemeinden willkürlich festgelegt wird. Im Kanton Zürich zum Beispiel variiert der festgelegte Grundbedarf zwischen 300 und 700 Franken – eine beschämend tiefe Summe. Nur bei der Arbeitssuche gab es für vorläufig Aufgenommene in den letzten Jahren leichte Verbesserungen, doch werden sie wegen ihres prekären Status meist nur für Temporärjobs angestellt.

«Wir treten an Ort und Stelle»

Warten, warten, warten: Das gilt auch in Bezug auf eine politische Verbesserung der Situation. «Bei der vorläufigen Aufnahme treten wir seit Jahren an Ort und Stelle», sagte der Migrationsrechtler Alberto Achermann kürzlich in der WOZ. Unter dem Eindruck der unbürokratischen Aufnahme der Geflüchteten aus der Ukraine kommt nun Bewegung in die Sache. Politiker:innen aus der Linken und der politischen Mitte schwebt ein Status des «humanitären Schutzes» mit einer besseren Rechtsstellung vor. Personen mit dem neuen Status würden wie anerkannte Flüchtlinge nach dem Asylverfahren nicht mehr in ein Dauerprovisorium versetzt. Die Erkenntnis dahinter: Wenn die Schweiz Menschen ein Bleiberecht zuspricht, muss sie ihnen beim Aufbau einer neuen Existenz nicht noch Steine in den Weg legen (siehe WOZ Nr. 21/2022 ).

Einen solchen humanitären Status, wie ihn auch die EU kennt, forderte vor wenigen Jahren selbst der Bundesrat. Dann blockierte FDP-Ständerat Philipp Müller die Idee. Auch jetzt kommen irritierende Signale von den Freisinnigen. Nationalrat Andri Silberschmidt, bisher nicht durch besonderes Interesse an der Asylpolitik aufgefallen, hat im Namen der Partei ein neues Positionspapier präsentiert. Es trägt weniger die Handschrift des smarten Jungunternehmers Silberschmidt als die von Justizministerin Karin Keller-Sutter.

«Keine neuen Pull-Effekte»

Nach dem Brand des Flüchtlingslagers Moria auf Lesbos oder der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan liess Keller-Sutter jegliche Hilfsbereitschaft vermissen, bei der Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine zeigte sie sich grosszügiger. Das Papier erlaubt ihr nun eine Rückkehr zur restriktiven Haltung: Die Aufnahme von Ukrainer:innen soll auf die Rückkehr ausgerichtet bleiben. Gegen den Globalen Süden werden die Grenzen weiter dichtgemacht: Anfragen des UNHCR für Flüchtlingskontingente sollen zurückhaltend beantwortet, Ausschaffungen in Kooperation mit Frontex rigide durchgesetzt werden.

Zur Reform der vorläufigen Aufnahme schweigt sich das Papier aus. Auf Nachfrage präzisiert Silberschmidt, eine solche sei im Parlament bisher nicht mehrheitsfähig gewesen. (Logisch, seine Partei war ja dagegen.) Einer Reform verschliessen will er sich jedoch nicht vollständig. «Diese sollte aber keine neuen Pull-Effekte auslösen.» (Wie gesagt, geht es sowieso nur um Menschen, die in der Schweiz bleiben dürfen.)

Mit der Betonung ihrer harten Asylpolitik will sich die FDP offenbar für den Wahlkampf 2023 rüsten. Sie hofft, von der SVP Wähler:innen zu gewinnen. Der umgekehrte Effekt ist wahrscheinlicher: Sie dürfte noch mehr progressive Wähler:innen an die GLP verlieren. Für Karin Keller-Sutter könnte sich das Papier gar als Bumerang erweisen. Droht bei der Bundesratswahl ein Sitzverlust, hat Ignazio Cassis dank der Unterstützung der SVP die besseren Karten.

Keller-Sutter hingegen ist auf Stimmen aus der Mitte und von links angewiesen. Die Reform der vorläufigen Aufnahme könnte dabei einen hohen Wert erhalten: Verweigert sich ihr Keller-Sutter, wird man ihr das so schnell nicht vergessen.