G8: Bewegung oder SP?

Nr. 18 –

Ein Buch will zur Mobilisierung gegen den G8-Gipfel beitragen. Das gelingt nicht ganz.

Die Vorwürfe sind happig: Acht Regierungen, die nur vierzehn Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren, führen sich auf wie die Herren der Welt. Mit ihrer Politik nehmen sie Hunger und Kriege in Kauf und schränken erkämpfte soziale Rechte ein. Es gibt sicher genug Gründe, um gegen die Gruppe der acht (G8) zu protestieren, das Gremium der sieben wirtschaftsmächtigsten Industrieländer und Russlands. Der nächste G8-Gipfel findet Anfang Juni im deutschen Ostseebad Heiligendamm statt, die Protestvorbereitungen laufen auf Hochtouren.

Das Buch «G8 - Gipfel der Ungerechtigkeit» will zur Mobilisierung beitragen. Das Vorwort klingt wie ein Flugblatt: 18 Millionen Menschen sterben jährlich an den Folgen der Armut, das Jahresbudget des Pentagons beträgt 439 Milliarden Dollar, und nur 346 Milliarden wären nötig, um «die schlimmste Armut erfolgreich zu bekämpfen». Das macht schon stutzig: als könnte Armut mit einer einmaligen Zahlung beseitigt werden.

Von allem ein bisschen

Jenseits der Schlagwörter wäre es gut, mehr über die G8, ihre Politik und den Widerstand dagegen zu erfahren. Der Sammelband nimmt sich allerdings gar viel vor für weniger als 200 Seiten. Es soll um die G8 gehen, aber auch um «Strategien der Linken über die G8-Proteste hinaus» und um Alternativen zur Politik, die die G8 betreibt. Am Anfang stehen zwei gut lesbare Einführungen über die Entstehung des Gremiums in den siebziger Jahren. Viele andere Texte, darunter eine Rede von Venezuelas Präsidenten Hugo Chávez, berühren die G8 jedoch nur am Rand. Am enttäuschendsten ist der Teil zu den Strategien: Chantal Mouffes Text behandelt sehr allgemein die Linke nach dem Ende des Kalten Krieges. Nicht sehr interessant ist ein anderer Text über die Probleme der PDS in Mecklenburg-Vorpommern, die an der Regierung beteiligt ist und dadurch auch Ziel von Protesten wird, die sie eigentlich unterstützt («Das tut weh.»).

Doch die Wahl dieses Textes ist kein Zufall: Nicht wenige der Schreibenden gehören der neuen deutschen Linkspartei an und begrüssen daher, dass sich ein Teil der globalisierungskritischen Bewegung den linken Parteien angenähert hat. Der britische Marxist Alex Callinicos steht ziemlich allein mit der Haltung, dass die Regierungsbeteiligung für die radikale Linke oft eine Falle sei: Der Staat gehe zwar auf Forderungen von Bewegungen ein, aber auf eine Weise, «die die Herrschaft des Kapitals unangetastet lässt und die sozialen Bewegungen schwächt». Callinicos weist auch darauf hin, dass die deutsche Linkspartei traditionelle sozialdemokratische Politik betreibt. Das stimmt: Viele Schreibende wollen offensichtlich wieder dorthin, wo Europa vor vierzig Jahren war: Sozialstaat, Vollbeschäftigung, Keynesianismus. Bedenklich genug, dass diese wahrlich nicht radikale Position heute an den linken Rand des Parteienspektrums gerückt ist.

Problematische Solidarität

Sozialdemokratische Wirtschaftspolitik ist nicht das Kernthema der Bewegungen von Davos und Genua. Auf die Themen und Konflikte dieser Bewegungen geht das Buch leider kaum ein. Die Herausgeberinnen haben zwar einen umstrittenen Text des philippinischen alternativen Nobelpreisträgers Walden Bello, der den «irakischen Widerstand» glorifiziert, in den Band aufgenommen. Er wäre gut geeignet, um die problematische Verherrlichung von «Befreiungskämpfen», egal wie reaktionär sie sind, zu kritisieren, der ein Teil der Bewegung anhängt. Doch die Diskussion über Inhalte, Stärken und Schwächen der Proteste der letzten Jahre findet im Buch kaum statt. Die Idee, zum Schluss einige AktivistInnen über ihre Motivation für den G8-Protest sprechen zu lassen, ist sympathisch - aber sie sagen auch wieder alle etwa das Gleiche.

Christine Buchholz und Katja Kipping (Hrsg.): G8 - Gipfel der Ungerechtigkeit. VSA-Verlag. Hamburg 2006. 174 Seiten. Fr. 21.40