Hedgefonds: Das schnelle Geld

Nr. 23 –

Sie bezahlen keine Steuern und operieren völlig unkontrolliert. Sie spekulieren mit dem Geld der anderen - und streichen gigantische Gewinne ein.

Nie zuvor haben Finanzinvestoren weltweit in solchem Tempo und in so grossem Stil Firmen gekauft wie seit Anfang dieses Jahres: Fusionen und Übernahmen im Umfang von fast 2,5 Billionen US-Dollar wurden angekündigt. Vor allem Private-Equity-Fonds und Hedgefonds spielen in dieser Entwicklung eine tragende Rolle - dank der Banken, die ihnen für Übernahmegeschäfte Kredite in bisher unerhörtem Ausmass einräumen. Dabei werden nicht nur Aktienpakete neu verteilt und Konzerne gegründet oder aufgelöst, sondern ganze Branchen umstrukturiert und Märkte neu aufgeteilt. Durch die Fusionen und Firmenübernahmen geschieht das, was früher das Ergebnis langer und verlustreicher Konkurrenzkämpfe war, im Eiltempo, binnen weniger Monate.

Diese Beteiligungs- und Finanzierungsgesellschaften gibt es schon lange. Aber erst in den sechziger Jahren hat sich - zuerst in den USA - ein regelrechter «Markt für Unternehmen» herausgebildet. So ist ein neuer Typ von «Unternehmern» und Unternehmen entstanden, die sich auf das Aufkaufen und Weiterverkaufen von Unternehmen spezialisiert haben. Die Investmentfonds sind nicht die Einzigen, die an diesem Geschäft beteiligt sind, aber sie sind gefährlicher als Banken oder Versicherungen. Es gibt keine Banken- oder Finanzmarktkrise in den letzten Jahren, an der nicht ein Hedgefonds in irgendeiner Form mitbeteiligt war. Die Hedgefonds werden von den Investmentbanken, die ihnen Kredite geben, regelrecht vorgeschickt, um die Unternehmenslandschaft aufzumischen.

Geschlossene Gesellschaft

Die Hedgefonds sind sogenannte «geschlossene» Kapitalanlagegesellschaften, die nur für eine jeweils begrenzte Anzahl grosser InvestorInnen (superreiche Privatleute und institutionelle KapitalanlegerInnen, also Pensionskassen, Versicherungen usw.) zugänglich sind, keineswegs für das Fussvolk der KleinanlegerInnen. Durch hohe Mindesteinlagen und Gebühren bleiben die Fonds exklusiv. Massive Gewinnbeteiligungen für die EigentümerInnen der Fondsgesellschaft (in der Regel deren ManagerInnen und MitarbeiterInnen, also die professionellen SpekulantInnen) halten die Fonds auf Trab. Unabhängig von der Konjunktur der Finanzmärkte sollen sie Gewinne abwerfen - so viel und so schnell wie möglich.

Die SpezialistInnen der Fonds sind auf kurzfristig erfolgreiche Anlagestrategien trainiert, sie spekulieren mit allem und jedem - und mit allen Mitteln. Obwohl «hedging» ursprünglich eine Strategie der Absicherung gegen Schwankungen der Aktienkurse bezeichnet, sind die Hedgefonds heute alles andere als risikoscheu. Sie entfalten als AktionärInnen eine hektische Aktivität in den Unternehmen und führen mit Vorliebe Fusionen und Übernahmen oder grossartig inszenierte Strategiewechsel (meist mit Personalwechsel an der Spitze) herbei. Denn mit solchen Manövern lässt sich viel Geld verdienen - dank kurzfristiger Kurssprünge der Aktien.

Seit 1995 ist die Zahl der Hedgefonds weltweit von 2800 auf 9500 gestiegen. Mitte der neunziger Jahre verwalteten sie ein Anlagevermögen von etwas mehr als 100 Milliarden US-Dollar, heute sind es weltweit mehr als 1,4 Billionen US-Dollar. Die Mehrzahl der Hedgefonds hat ihren Firmensitz in Steueroasen, wo auch ihr Anlagevermögen registriert ist. Da sie deshalb kaum Steuern zahlen, erzielen sie traumhafte Gewinne. In den letzten fünf Jahren betrug die Rendite im Durchschnitt rund fünfzehn Prozent, bei einigen sogar dauerhaft mehr als zwanzig Prozent.

Einzelne Aktionen, vor allem gelungene Firmenübernahmen mit anschliessendem Weiterverkauf, können auch erheblich mehr einbringen: Hundert Prozent und mehr an (Kurs-)Gewinnen sind kurzfristig möglich.

Kein Wunder, dass die institutionellen AnlegerInnen ihnen das Geld geradezu nachwerfen. 2006 pumpten AnlegerInnen weltweit fast 130 Milliarden US-Dollar in die Hedgefonds, in diesem Jahr dürfte es erheblich mehr werden. Obwohl die Hedgefonds weniger als zwei Prozent des weltweit verfügbaren Anlagevermögens (rund 80 Billionen US-Dollar) direkt kontrollieren, sind sie doch die wichtigsten Akteure auf den Aktienmärkten. Denn sie setzen einen grossen Hebel an - und der heisst Kredit. Mithilfe von Krediten, die ihnen die Banken nur zu bereitwillig gewähren, und zwar auf einem historisch niedrigen Zinsniveau -, können sie ein Vielfaches des Kapitals bewegen, das sie selbst besitzen. Bei Übernahmen setzen sie heute locker das Zwanzig- bis Fünfundzwanzigfache ihres Eigenkapitals ein. Diese Schulden tragen die Fonds nicht selbst, sondern halsen sie nach der Übernahme dem aufgekauften Unternehmen auf. Damit können die Hedgefonds die Finanzmärkte ständig in Atem halten. In den USA und in Grossbritannien bestreiten sie nicht weniger als vierzig Prozent, mitunter bis zu siebzig Prozent des täglichen Aktienumsatzes. So bestimmt eine relativ kleine Zahl von Hedgefonds auf der Jagd nach kurzfristigen Börsengewinnen die Kursentwicklung für die rund 98 Prozent des weltweit verfügbaren Anlagevermögens, das meist passiv in langfristigen Anlagen gehalten wird.

Das enorme Gewicht dieser relativ kleinen Gruppe an Spekulanten erklärt ihre Gefährlichkeit. Die drohende Pleite eines Hedgefonds kann - wegen der Hebelwirkung der enormen Kredite, die im Spiel sind - in kürzester Zeit zu einer Kettenreaktion führen, zur Massenflucht vieler Grossanleger aus bestimmten Aktien, die zum Absturz der Kurse führen. In den neunziger Jahren ist das mehrfach passiert. Zurzeit gehen rund vierzig Prozent der neu gegründeten Hedgefonds wieder Pleite.

Private-Equity-Fonds sind Firmen, die nichts anderes tun, als Unternehmen aufzukaufen (ganz oder mehrheitlich), diese Unternehmen dann für eine Weile zu managen, sie umzustrukturieren, in Einzelteile zu zerlegen, um sie dann wieder mit hohem Gewinn weiterzuverkaufen. Dabei kürzen sie in den Firmen auch oft die Forschungsausgaben und Kapitalinvestititionen, um kurzfristig die Profitabilität noch weiter nach oben zu treiben. Die Zahl der Private-Equity-Fonds ist kleiner, das von ihnen verwaltete Fondsvermögen geringer (rund eine Billion US-Dollar) als das der Hedgefonds, und sie operieren auf etwas längere Sicht, da sie Zeit zur Reorganisation oder «Sanierung» der aufgekauften Firmen brauchen. Ansonsten ähneln sie den Hedgefonds: Sie sind geschlossene Anlegerfonds, sitzen hauptsächlich in Steueroasen, sind noch aktiver als die Hedgefonds (da sie in der Regel das Management der aufgekauften Firmen übernehmen) und erzielen ähnlich hohe Gewinne. Im Unterschied zu Hedgefonds sind Private-Equity-Fonds auch an mittelständischen und nicht an der Börse kotierten Firmen interessiert. Sie bewegen heute Rekordsummen von siebzig bis achtzig Milliarden US-Dollar und schliessen sich gelegentlich auch zusammen, um noch grössere Übernahmen zu machen. Kein Grosskonzern ist heute vor ihnen sicher.

Übernahmeschlachten

Wenn die Welle der Fusionen und Übernahmen rollt, dann reagieren die Finanzmärkte nicht mehr auf die Zinspolitik der Zentralbanken. Auch reale Daten über die Unternehmen spielen kaum noch eine Rolle, Übernahmegerüchte treiben die Aktienkurse in immer neue Höhen. Anfang Mai stiegen die Aktienkurse an den europäischen Finanzmärkten auf den höchsten Stand seit sechs Jahren, ausschliesslich dank einer Woge von Übernahmegerüchten. Die Übernahmeschlachten, deren Schwerpunkt inzwischen in Europa liegt, toben im Moment vor allem im Banken- und Energiesektor.

Die laufende Schlacht um die Übernahme der ABN Amro, der zweitgrössten niederländischen Bank, durch Barclays, die zweitgrösste britische Bank, ist geradezu ein Lehrstück für die Rolle, die die Hedgefonds als Antreiber und Profiteure des Übernahmebooms spielen. Die AktionärInnen der niederländischen Bank können sich freuen, denn seit die Schlacht im Gang ist, stiegen die Kurse ihrer Aktien um fast dreissig Prozent - in knapp zwei Monaten. Ein britischer Hedgefonds mit dem schönen Namen The Children’s Investment Fund (TCI), der «nur» zwei Prozent der ABN-Amro-Aktien besitzt, tat alles, um die Bank zuerst als Übernahmekandidatin hinzustellen, dann eine Übernahmeschlacht zu entfesseln und schliesslich einem konkurrierenden Übernahmeangebot, bei dem für sie mehr heraussprang, zum Erfolg zu verhelfen: Ein britisch-spanisch-belgisches Bankenkonsortium hat etliche Milliarden mehr geboten als die Barclays Bank. Ganz im Sinne der bevorzugten Strategie der Hedgefonds will dieses Konsortium keine Fusion, keine Fortführung des Unternehmens als britisch-niederländische Grossbank, es will den Konzern aufspalten, in Einzelteile zerlegen und diese weiterverkaufen. Kurzfristig springt dabei ein deutlich höherer Gewinn heraus, sodass sich das Konsortium auch einen höheren Kaufpreis - natürlich kreditfinanziert - leisten kann.

TCI hat alles getan, um dieses konkurrierende Übernahmeangebot hervorzulocken und die AktionärInnen der ABN Amro darauf einzustimmen. Obwohl die Schlacht noch nicht entschieden ist, hat TCI seinen Schnitt schon gemacht: Die zweiprozentige Beteiligung im Wert von 1,1 Milliarden Euro ist zu mindestens zwei Dritteln mit Krediten finanziert, das heisst, er hat von seinem Anlagevermögen höchstens 360 Millionen Euro investiert. Dank der kurzfristigen Aktienkurssteigerungen im Zuge der Übernahmegerüchte sind daraus fast über Nacht 1,45 Milliarden Euro geworden, ein Gewinn von 400 Prozent.

Gewinnen die SpekulantInnen, wird bald eine weitere traditionsreiche Grossbank verschwinden und rund 20000 Arbeitsplätze im Bankensektor mit ihr. In der zynischen Sprache der Finanzwelt heisst das «Konsolidierung».

Debatte Finanzkapitalismus

Eine Meldung jagt die andere: Eine europäische Beteiligungsfirma übernimmt den Musikkonzern EMI, und China investiert Milliarden in eine der grössten Private-Equity-Firmen der Welt. Während sich in Dresden eine US-amerikanische Beteiligungsfirma das städtische Wohnungswesen unter den Nagel reisst, bauen in der Schweiz internationale Finanzierungsgesellschaften über Nacht Mehrheitsbeteiligungen an traditionellen Industriebetrieben auf. Und der südlichste Teil Manhattans wird wegen der grossen Dichte von Hedgefonds bereits scherzhaft Hedgistan genannt. Die Hedgefonds werden auch Thema am G8-Gipfel sein, denn dieser hochspekulative Markt hat Dimensionen angenommen, der durch seine fehlende Transparenz und Kontrolle eine Weltwirtschaftskrise auslösen könnte.



Diese lose Serie befasst sich mit dem Wahnsinn und den Folgen des Finanzkapitalismus und geht auch der Frage nach, wie linke PolitikerInnen und Gewerkschaften eigentlich mit dieser Entwicklung umgehen. In der WOZ Nr. 18/07 startete Oliver Fahrni die Debatte, die in der Nr. 21 von Gian Trepp weitergeführt wurde. Im nächsten Beitrag in der Nr. 24 befasst sich Oliver Fahrni mit dem Zusammenhang zwischen realer Wirtschaft und Finanzkapital.