WOZNews

Nr. 49 –

Verwitterte I

Am Sonntag informierten diverse Onlineportale über Vorgänge, deren historische Bedeutung noch gar nicht erfasst werden kann. Deshalb wurde die Nachricht auch vorerst wieder vom Netz genommen: «Die Solothurner FDP verliert somit erstmals nach 163 ihren Sitz in der kleinen Kammer.» Zu untersuchen, wie sich die Partei seit dem 2. Jahrhundert in einer kleinen, sauerstoffarmen Kammer entwickeln konnte, wird in naher Zukunft zu den vornehmsten Aufgaben der Archäologie gehören.
Karin Hoffsten

Verwitterte II

Im «Tages-Anzeiger» bescheinigte Kurt Felix dem abtretenden «Wetten dass..?»-Moderator, dass er gerade noch rechtzeitig den Absprung geschafft habe. Dazu zitierte er mahnende Worte, die ihm der deutsche Ur-Showmaster Hans-Joachim Kulenkampff vor Jahrzehnten ins Mikrofon gesagt habe: «Junger Mann, sollten Sie jemals in meinem Beruf arbeiten, müssten Sie als Erster merken, wenn es Zeit ist, vom Bildschirm abzutreten. Nämlich bevor Sie dem Publikum überdrüssig werden.» Nun wird ja entweder der Entertainer des Publikums überdrüssig oder das Publikum seiner – wobei vermutlich beide Ausgangslagen dazu Anlass gäben, sich umgehend in der Garderobe volllaufen zu lassen. Da wir jedoch annehmen, Hans-Joachim Kulenkampff sei des Genitivs mächtig gewesen, muss die historische Aufnahme im felixschen Tonarchiv gelitten haben.
Karin Hoffsten

Sportliche

«Jede Menge Tore, aber auch jede Menge Alkohol» bestimmten das Leben des kürzlich verstorbenen brasilianischen Fussballers Sócrates laut «Tagesschau»-Moderatorin Katja Stauber, denn er «war genial auf dem Fussplatz, aber süchtig im Leben». Kein Wunder, wenn ihm keiner einen Ball gab.
Karin Hoffsten

Tolerante

«Wie wichtig ist Ihnen das Aussehen anderer Menschen?», fragte der «Blick am Abend» junge Leute von durchwegs angenehmem Äusseren. Einer antwortete: «Auf den ersten Eindruck, den man von einer Person hat, hat das Aussehen sicher einen Einfluss. Man sollte jedoch jedem eine Chance geben, ob sie einem nun persönlich gefällt oder nicht.» Schlechte Chancen gibt man in jedem Fall besser weiter.
Karin Hoffsten

Shakespearsche

Bedauernswerte, aber im Grunde banale Tatsachen werden dramatisch, wenn sie von Shakespeare erzählt werden. Dieser hätte nie gesagt: «Es stinkt», oder: «Ich verstehe dich nicht», sondern: «My nose is in great indignation», beziehungsweise: «Thy speech is enigmatical.» Auch der Zürcher Staatsanwalt Ulrich Weder ist ein Meister des elegant geschraubten Wortes. Es zitiert ihn der «Tages-Anzeiger»: «Als normaler Verkehrsteilnehmer rechnet man nicht damit, plötzlich einen tödlichen Schuss appliziert zu bekommen.» Unsereins wäre da schlicht erschossen worden.
Jürg Fischer

Kriminologische

Auch inhaltlich macht es sich der oben erwähnte Staatsanwalt nicht einfach; er bleibt ein bisschen enigmatisch: «Zudem habe es [der Schuss] eine Person getroffen, die sich an einem stark befahrenen Ort [am Zürcher Bucheggplatz] und nicht einmal ansatzweise in einem kriminellen Umfeld aufhielt.» Was zu beweisen war – oder eben gerade nicht? Der fehlende Ansatz wurde hier möglicherweise durch einen perfiden Vorsatz ersetzt.
Jürg Fischer

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