Kultour

Nr. 4 –

Tanz

Unterirdische Winde

Der Verein Tanzprojekte unter der Leitung der Basler Choreografin Anna Röthlisberger startet seine Projektreihe «Freaks and Friends»: Drei interdisziplinäre Bühnenstücke widmen sich in unterschiedlichen Formaten und Formationen der «Exposition der Geschlechter».

Den Auftakt macht das Duett «Vents Souterrains – Subterranean Winds». Röthlisberger steht dabei wieder einmal selbst auf der Bühne und taucht zusammen mit der Tänzerin Ayala Frenkel aus Tel Aviv in unvorhersehbare Zustände. Begleitet werden die beiden vom Musiker Marc Rossier aus Bern und der Raumgestalterin Brigitte Dubach aus Basel. Ausgangspunkt für die Tanzkreation waren Fragen wie: Was bewegt den Menschen hinter der Fassade seiner Öffentlichkeit und seiner äusseren Ästhetik? Wo liegt die Grenze der eigenen Berührbarkeit?
Adrian Riklin

«Vents Souterrains – Subterranean Winds» in: 
Basel/Birsfelden Theater Roxy, Premiere: Do, 
26. Januar, 20 Uhr. Fr/Sa, 27./28. Januar, Do–Sa, 
2.–4. Februar, 20 Uhr. www.theater-roxy.ch

Theater

«Dumm und Dick»

Mit ihrer Autobiografie «Dumm und dick. Mein langer Weg» landete Rosmarie Buri 1991 in der Schweiz einen Bestseller – und wurde von einem Tag auf den anderen berühmt. Buri, Jahrgang 1930, erzählt darin die Geschichte einer Frau, die sich ohne fremde Hilfe aus einer schier unerträglichen Isolation befreite.

«Dumm und dick» waren die Worte, die sie auf ihrem Lebensweg begleiteten. Ihr Buch gibt nicht nur Einblick in ein Frauenschicksal, sondern auch in ein Stück Sozialgeschichte. So werden die Verhältnisse deutlich, unter denen Buris alleinerziehende Mutter während des Zweiten Weltkriegs zu bestehen hatte – und was es bedeutete, aus der Unterschicht zu kommen.

Der Berner Theaterautor und Publizist Werner Wüthrich hat, angeregt von Buris Buch, ein Stück geschrieben, das vom Berner Theater 1231 uraufgeführt wird: Rose, die Protagonistin im Stück «Dumm und Dick», wird als Erfolgsautorin in eine Talkshow eingeladen. Vom Moderator aufs Glatteis geführt, landet sie erneut im Strudel der Demütigungen, von denen sie sich mit ihrem Buch zu befreien versuchte. Doch die Arbeiterfrau aus Burgdorf schlägt zurück.
Adrian Riklin

«Dumm und Dick» in: Bern Nydeggkirche, Fr, 
27. Januar, 19.30 Uhr, Premiere; Lyss Reformierte Kirche, Fr, 3. Februar, 20 Uhr; Thun Stadtkirche, 
Sa, 3. März, 20 Uhr; Kehrsatz Ökumenisches Zentrum, So, 11. März, 11 Uhr. Weitere Vorstellungen: siehe www.theater1231.ch

Konzert

Palko!Muski 

In einer verrauchten Gaststätte in Transnistrien sassen einst ein Jäger aus der Vojvodina, ein Schnapsbrenner aus Siebenbürgen, ein Freskenmaler aus Lemberg, ein Bienenzüchter von der Hohen Tatra und ein Hirte aus Chalkidiki an einem Tisch. Sie speisten und tranken, und bald darauf holte der Jäger seine Fidel hervor. Sie sangen die ganze Nacht hindurch – ohne dabei den vorzüglichen transnistrischen Wein zu vergessen –, und im Morgengrauen stand fest: Das Schicksal hatte fünf Seelenverwandte zusammengeführt, die fortan gemeinsam musizierend durch die Landen zogen. 

Natürlich gibt es diese Band nicht wirklich. Aber deren Brüder im Geiste: Palko!Muski. Sie wandern auf ihren Instrumenten Mittel- und Osteuropa ab, zügellos, wild und ohne Rücksicht auf den Morgen danach. Ihr Mix aus Polka und Punk, aus Gypsy und Klezmer heizt jedenfalls mehr ein als jedes Gulasch und macht besoffener als Slivovice. In den kommenden Tagen satteln Palko!Muski ihre Esel und bitten zum Tanz. Im Gepäck dabei haben sie ihre neue Platte «Street Desire». Egeszegedre!
Jan Jirát

Palko!Muski in: Zürich Helsinki, Fr, 27. Januar, 21.30 Uhr; Schaffhausen Kammgarn, 
Sa, 28. Januar, 22 Uhr; Davos Bolgenschanze, 
Fr, 3. Februar, 22 Uhr; Flims Arena, Sa, 4. Februar, 22 Uhr. Weitere Daten: www.palkomuski.com

Ausstellung

Roman Signer

Das Aargauer Kunsthaus hat vergangenes Jahr die 47-teilige Fotoserie «Strassenbilder» des St. Galler Kunstschaffenden Roman Signer angekauft. Diese Bereicherung seiner Sammlung nimmt das Kunsthaus zum Anlass, in einer monografischen Ausstellung auch die zwischen 1975 und 1989 entstandenen Super-8-Filme vorzuführen. In einer raumgreifenden «Installation» werden – einer konventionellen Hängung von Bildern ähnlich – 36 Filme gleichzeitig projiziert. Es dürfte spannend werden, die zeitlichen Überlagerungen und Verschiebungen der «Ereignisse» (Signer) zu beobachten.

Signer hatte sie als Performances inszeniert und auf Super-8-Filmen ohne Ton dokumentiert. So sind die Explosionen, Feuerwerke und Wasserspielereien auch heute noch – mindestens auf der visuellen Ebene – zu geniessen. In den meist kurzen Filmen taucht Signer öfters als «Auslöser» oder Teil einer vergänglichen Skulptur auf.

Die «Strassenbilder» hingegen zeigen Impressionen einer Autofahrt durch ländliche Gebiete in Osteuropa. Es sind seriell angelegte Motive von improvisierten Verkaufsständen für Obst und Gemüse, von Gedenkstätten für Verkehrsopfer, auf die er bei seinen Reisen durch Polen, Rumänien und die Ukraine gestossen ist.

In der Ausstellungsreihe «Caravan», die Kunst von jungen KünstlerInnen präsentiert, wird man mit klein- und grossformatigen Bildern des Baslers Daniel Karrer bekannt gemacht. Er überträgt Bildfragmente aus dem Internet und der virtuellen Welt der Computerspiele mit den Mitteln der Malerei in zeitgenössische Bildcollagen.
Fredi Bosshard

Roman Signer «Strassenbilder und Super-8-Filme» in: Aarau Aargauer Kunsthaus, Fr, 27. Januar, 
18 Uhr, Vernissage. Di–So, 10–17 Uhr; 
Do, 10–20 Uhr. www.aargauerkunsthaus.ch

Mao-Design

Mein Onkel – seines Zeichens Finanzdirektor – brüstete sich in den siebziger Jahren damit, tief in seiner Schreibtischschublade vergraben ein Exemplar von Mao Zedongs «Rotem Buch» zu besitzen. Jahre später stiess ich bei Recherchen an der Stanford University in Kalifornien in einem Bibliothekskarton auf Streichholzbriefchen, Ansteckknöpfe und andere «Fanartikel» der Black Panthers. Die linksradikale schwarze Organisation war 1966 – zu Beginn der Grossen Proletarischen Kulturrevolution in China – in Kalifornien entstanden. Als Erstes verkauften ihre Begründer Huey Newton und Bobby Seale 
Maos «Rotes Buch» an StudentInnen auf dem Unicampus in Berkeley. Später druckten sie selber Zitatsammlungen Maos und widmeten ihm regelmässig ganze Seiten in der Zeitung «The Black Panther».

Wie tief Mao bis weit über Chinas Grenzen hinaus in die westliche Alltagskultur eingedrungen ist, veranschaulicht das Völkerkundemuseum Zürich in seiner neuen Ausstellung «Die Kultur der Kulturrevolution: Personenkult und Politisches Design im China von Mao Zedong». Sogar aus Zürichs 68er-Bewegung finden sich Mao-Devotionalien in der abenteuerlichen Sammlung von Alltagsobjekten aus jener Dekade (1966–1976), in der Symbole des Mao-Kults in den meisten Haushalten Chinas zu finden waren. Zu Letzteren zählen unter anderem ein Wecker, auf dem eine Rotgardistin das «Rote Buch» in den Himmel streckt, Guetzlibüchsen und Blumenvasen mit Arbeitermotiven, ein Plattenspieler mit Handkurbel und Mao-Zitaten oder ein kleiner Spielzeugsoldat aus Gummi mit roter Handgranate.

Neben solchen «Kultartikeln» verblassen die blauschwarzen T-Shirts, Wimpel und Propagandaposter der Black Panther Party in den USA. Die Intention jedoch war dieselbe und kam aus China, kulturell nur wenig adaptiert, an die schwarze Ghettojugend: Die breiten Massen sollten auf die politischen Parolen der Parteileitung eingeschworen und auf die bevorstehende Revolution vorbereitet werden. All power to the people!
Franziska Meister

«Die Kultur der Kulturrevolution» in: Zürich Völkerkundemuseum, Do, 26. Januar, 18 Uhr, Vernissage. Di–Fr, 10–13 und 14–17 Uhr; 
Sa, 14–17 Uhr; So, 11–17 Uhr. Bis 10. Juni. 
www.musethno.uzh.ch