Kultour

Nr. 6 –

Ausstellung

Hundert Jahre Schweizer Grafik

Mit «Let’s groove to the Früehligsputz», aufgedruckt auf einem Plastikhandschuh, lud das Zürcher Kanzlei 1997 zur Party. Das Objekt hat Eingang gefunden in die Ausstellung «100 Jahre Schweizer Grafik» des Zürcher Museums für Gestaltung. Sie stellt mit Plakaten, Logos, Piktogrammen, Flyers, Werbegrafik, Buchgestaltungen und anderem die äusserst innovationsreiche Geschichte der Schweizer Grafikbranche dar.

Einige dieser Zeichen – wie etwa das Swissair-Logo, der Cynar-Schriftzug oder die Kampagne der Toni-Molkerei für das Joghurt im Glas aus den achtziger Jahren – haben sich ins kollektive Gedächtnis eingegraben, auch wenn sie aus dem Alltag verschwunden sind. Die Ausstellung lässt Rückschlüsse auf längst vergangene Zeiten zu. So gestaltete Max Bill ein äusserst zeitgemäss wirkendes Plakat für die Ausstellung «negerkunst – prähistorische felsbilder südafrikas» im Kunstgewerbemuseum Zürich (1931).

Für seine Ausstellung konnte das Museum für Gestaltung auch auf die grosse eigene Sammlung zurückgreifen, die zu den weltweit umfassendsten ihrer Art gehört.
Fredi Bosshard

«100 Jahre Schweizer Grafik» in: Zürich Museum für Gestaltung, Do, 9. Februar, 19 Uhr, Einführung und Vernissage; Di–So, 10–17 Uhr; Mi, 10–20 Uhr; bis 3. Juni. www.museum-gestaltung.ch

Theater

Der Urknall

Der Weltraum. Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2012. Dies sind die Abenteuer des Cern, das mit seiner 3460 Mann starken Besatzung unterwegs ist, um neue Welten zu erforschen … Viele Lichtjahre vom gesunden Menschenverstand entfernt, dringt das Cern in Galaxien vor, die nie zuvor ein Mensch gesehen hat.

Oder so. Die ForscherInnen am Cern, die mit dem Teilchenbeschleuniger LHC das Higgs-Boson oder «Gottesteilchen» nachweisen wollen, haben mehr mit Captain Kirk und seinem ersten Offizier Spock gemeinsam, als ihnen vielleicht lieb ist. Das scheint auch die Einsicht der Theatergruppe Capriconnection zu sein, nachdem sie führende Wissenschaftler des Cern sowie den Chaostheoriker und LHC-Kritiker Otto Rössler interviewt hat. Worauf wird man stossen, wenn man mit den Experimenten im Teilchenbeschleuniger möglichst nah an den Urknall, der zur Entstehung der Welt geführt hat, herankommen will? Von den Hoffnungen und Ängsten, die damit verbunden sind, erzählt Capriconnection in ihrer neusten Produktion. Und von den Bereichen jenseits des gesunden Menschenverstands, in die die Enterprise – pardon, Capriconnection natürlich – das Publikum katapultiert. Als Beschleuniger dient eine Klangmaschine aus 32 Lautsprechern. Faszinierend.
Franziska Meister

«Der Urknall oder Die Suche nach dem Gottesteilchen» in: Basel Reithalle Kaserne Basel, Do, 9. Februar, 20 Uhr, Premiere; Sa, 11., und 
Mo/Di, 13./14. Februar, 20 Uhr; So, 12. Februar, 
19 Uhr; in: Zürich Fabriktheater Rote Fabrik, 
Mi, 29. Februar, Do, 1., und Sa, 3. März, 20 Uhr. 
www.capriconnection.ch

Tanz

Bern–Kairo retour

Vor einem Jahr hätte das Stück «Whilst closely gazing at the soup, so you see what I see?» der Tänzerinnen Daria Gusberti und Karima Mansour in Bern aufgeführt werden sollen. Dann brachen die Unruhen in Ägypten aus, und Mansour, Tänzerin und Choreografin aus Kairo, reiste überstürzt in ihre Heimat. Sie habe keine Angst, sagte sie damals in einem Telefongespräch dem «Bund»: «Es gibt nichts, wovor wir Angst haben müssen. Es muss einen Wechsel geben. Diesmal gibt es kein Zurück. Auch wenn alles gestoppt würde. Es wird nie mehr so sein wie vorher. Wir müssen jetzt zusammenhalten und unsere Hausaufgaben machen.»

Ein Jahr später ist das Stück in der Dampfzentrale zu sehen. «Whilst closely gazing at the soup …» ist ein Spiel mit Blicken, Bildern, Projektionen und Perspektiven, entstanden in Zusammenarbeit mit der Berner Künstlerin Daria Gusberti. Regie führt Laila Soliman, die Musik kommt von Mahmud Refat – beide sind wie Mansour aus Kairo. Am selben Abend ist auch die Performance des Berner Schauspielers Peter Zumstein, «Es liegt an mir / Die anderen sind schuld», zu sehen, in der sich ein Mann auf einen bewaffneten Konflikt mit der Polizei vorbereitet hat und bereit ist zu sterben.
Silvia Süess

«Whilst closely gazing at the soup …» und 
«Es liegt an mir / Die anderen sind schuld» in: 
Bern Dampfzentrale, Fr/Sa, 10./11. Februar, 20 Uhr, 
So, 12. Februar, 19 Uhr. Gespräch mit Peter Zumstein, Daria Gusberti und Karima Mansour im Anschluss an die Vorstellungen am Sa, 11. Februar. 
www.dampfzentrale.ch

Festival

Filme und mehr

Das Filmfestival ewz.stattkino versteht sich als Veranstaltung, die «verschiedene Kunstsparten vereint und Kinoerlebnisse anbietet, die weit über die Leinwand hinausgehen».

So wird etwa der Kultfilm «Hellzapoppin’» (1941), in dem eine der genialsten Tanzszenen überhaupt zu sehen ist, mit einem Lindy-Hop-Crashkurs kombiniert, und die Projektion von Louis Malles’ «Ascenseur pour l’échafaud» (1958) wird von Christian Niederer, Eric Wildbolz, Herbie Kopf und Pim Nieuwlands mit dem originalen Miles-Davis-Soundtrack begleitet. «Never Hang Around» der Zürcher Nik Emch und Laurent Goei, ein Nachfolgeprojekt der Punkoper «Super Biker Girl», ist eine originelle Kombination von Musik-, Video- und Performancekunst.

Für die Kleinsten ist das Monster «Grüffelo» nicht nur im Film, sondern auch in einer Lesung zu erleben. Und noch ein Held, der Kultstatus in Kinderzimmern geniesst, flimmert über die Leinwand: «Der Kleine Maulwurf» des im November 2011 verstorbenen tschechischen Zeichners Zdenek Miler.
Silvia Süess

ewz.stattkino in: Zürich ewz-Unterwerk Selnau und Arthouse Le Paris, Mi, 15., bis So, 26. Februar. www.ewz.stattkino.com

Literatur

Guido Bachmann

2003 starb der Schriftsteller Guido Bachmann im Alter von 63 Jahren in St. Gallen. Zuvor lebte Bachmann, der auch als Schauspieler und Musiker zu begeistern wusste, in Luzern, Bern – und in Basel, wo er in den siebziger, achtziger und frühen neunziger Jahren eine prägende Figur im Stadtleben war.

Die Universitätsbibliothek Basel würdigt den Autor, der sich mit seiner monumentalen Trilogie «Zeit und Ewigkeit» in die Literaturgeschichte eingeschrieben hat, in einer Ausstellung. Aufschluss über die Entstehung seines Werks eröffnet der umfangreiche Nachlass, den der Autor der Bibliothek schon zu Lebzeiten vermacht hat. Dieser liegt auch der Ausstellung zugrunde, die Studierende des Deutschen Seminars erarbeitet haben. Am Eröffnungsabend berichtet Martin R. Dean von seinen Begegnungen mit Bachmann und erläutert die Bedeutung von dessen Werk für sein eigenes Schreiben.
Adrian Riklin

«Guido Bachmann» in: Basel Universitätsbibliothek; Ausstellungseröffnung: Mi, 15. Februar, 18 Uhr. www.ub.unibas.ch

Konzert

Zehn Jahre «Gare du Nord»

Vor zehn Jahren ist aus dem Badischen Bahnhof von Basel der Bahnhof für Neue Musik geworden, der sich als «Gare du Nord» schnell einen wohlklingenden Namen geschaffen hat. Zuvor schon hatte das architektonische Bijou als passendes Ambiente für Inszenierungen von Christoph Marthaler gedient und inspirierte in der Folge einige Bühnenbilder von Marthaler-Produktionen, die in aller Welt zu sehen waren.

Im «Gare du Nord» fanden unzählige Konzerte und Performances statt, die weit über das Label «Neue Musik» hinausgehen. Das bildet sich auch während des Jubiläumsfests ab: Nach einem Überraschungsact geht es mit der Gruppe Tango Crash weiter, die sich zusammen mit BOWW Tribal Poetry an Jimi Hendrix und rauchige Tangonächte in Buenos Aires erinnert. Gegen Mitternacht übernehmen die rockigen Zlang Zlut, und bevor die Gäste in die kalte Nacht entlassen werden, können sie sich zum Sound von DJ Ice Cream Man warm tanzen.

In der folgenden Woche geht es weiter mit «Klassikern» wie Alexander Skrjabin, Giacinto Scelsi, Bernd Alois Zimmermann und Morton Feldman.
Fredi Bosshard

10 Jahre Gare du Nord in: Basel Gare du Nord, 
Sa, 11. Februar, ab 18.30 Uhr. www.garedunord.ch