Kultour

Nr. 14 –

Konzert

Traktorkestar

Auf dem Cover der neuen CD des Traktorkestar ist eine – im Stil des sozialistischen Realismus gemalte – emporgereckte Faust zu sehen. Sie umklammert einen Cervelat. Von den vier Zinken des einen Endes tropft Chilisauce: «Scharf Extra» heisst das Album. Die Berner Balkanbrassband feiert folgerichtig ihre CD-Taufe im Bierhübeli und hat Schmidi Schmidhauser (Stop the Shoppers) als Gast dabei. Das Intro des starken Balkangebläses klingt wie das Signet eines Fernsehkrimis und hebt schnell ab. Schmidhauser singt total entspannt die melancholische Ode «Oh Slivovica» an die «Augenweide im glasigen Kleid». Die bandinternen Komponisten Thierry Luethy und Maro Widmer haben erneut einige Perlen aufgereiht und Traditionals scharf arrangiert. Mit der Gastsängerin Tanja Smitran und dem Akkordeonisten Goran Smitran erweitern sie das klangliche Spektrum der Band.

Das Traktorkestar, das wir vergangenes Jahr gern zum 30-Jahr-Jubiläum der WOZ eingeladen hätten, spielt nun bei einem Anlass, der auf eine weit ältere Tradition zurückgeht: am Zürcher Sächsilüüte. Dieses Jahr heisst es «Bärn z’Züri? Äuä de scho!». Der Gastkanton präsentiert ein musikalisches Alternativprogramm auf dem Lindenhof. Dem Traktorkestar dürfte es leichtfallen, den öden «Zürcher Sechseläutenmarsch» wegzublasen.
Fredi Bosshard

Traktorkestar in: Bern Bierhübeli, 
Sa, 7. April 2012, 21 Uhr; Zürich Lindenhof, Fr, 13. April 2012. 
Weitere Konzerte: www.traktorkestar.ch.

Festival

Pâqu’son

Das Festival Pâqu’son in Wädenswil befindet sich im verflixten siebten Jahr. Es hat ein Flair für die frankofone Welt entwickelt: Da wäre die polnische Sängerin Aldona Nowowiejska, die in Paris lebt und heimische Melancholie mit französischer Leichtigkeit verbindet. Das Westschweizer Quintett Boulouris 5 stellt zusammen mit dem US-amerikanischen Sänger Lee Maddeford Songs von Randy Newman solchen von Tom Waits gegenüber.

In der kanadischen Provinz New Brunswick wird Französisch und Englisch gesprochen. Der Gitarrist und Sänger Marc-André Léger gehört zwar zur französischsprachigen Minderheit der Arcadiens, aber den kanadischen Blues hat er auf Englisch. Seine CD «Sail On» steht in der Tradition des Südens der USA und ist auch Reverenz an die Blueslegende Mississippi Fred McDowell.

In Frankreich wird das Pendant zum Schwiizerörgeli liebevoll «Diato» genannt: Norbert Pignol gehört zu den einfühlsamsten Interpreten auf dem diatonischen Akkordeon. Mit seinen Musettes, Valses und anderen wehmütigen Weisen sorgt er bestimmt für einen stimmungsvollen Ausklang der Ostertage.
Fredi Bosshard

Pâqu’son in: Wädenswil Theater Ticino, 
Do, 5. April 2012, Aldona. Fr, 6. April 2012, Boulouris 5 & Lee Maddeford. So, 7. April 2012, Marc-André Léger Trio (22. 4.2012 am Cully Jazz Festival). 
Mo, 8. April 2012, Norbert Pignol. Alle: 20.30 Uhr. 
www.theater-ticino.ch

Ausstellung

Die Zukunftsstube

Wenn der Mensch mit technischem Haushaltgerät ringt, sind Filmsatiren nicht weit. In «The Sleeper» (1973) etwa schlägt sich Woody Allen mit dem akustisch höchst anrüchigen «Orgasmatron» herum. Auch das Design der guten Stube ist futuristisch – das raumschiffähnliche «Sculptured House» des US-Architekten Charles Deaton diente Allen als Filmset.

Demgegenüber mutet das «Wohnzimmer der Zukunft», das als Teil der Ausstellung «As Time Goes Byte: Computer und digitale Kultur» im Museum für Kommunikation in Bern zu sehen ist, ziemlich unspektakulär an. Zumindest auf den ersten Blick. Fantasie scheint nicht gefragt, wenn WissenschaftlerInnen im Rahmen eines Forschungsprojekts die gute Stube im Jahr 2032 entwerfen. Das hat bei näherem Betrachten aber vor allem damit zu tun, dass Technik zunehmend unsichtbar wird. Das Wohnzimmer der Zukunft ist ein omnipräsenter Computer, ein digitales Netzwerk, in dem Raum, Möbel und BewohnerInnen miteinander interagieren.

«Smart» ist nicht länger nur das Telefon, sondern auch das Sofa: Wer es sich darauf bequem macht, wird prompt medizinisch durchgecheckt. Je nach Resultat fällt am Tisch dann der Menüvorschlag aus. Nichts für Couchpotatoes und andere, die sich nicht bevormunden lassen wollen. Oder überwachen – denn selbstverständlich ist das Wandbild eine Kamera. In der «intelligenten Umgebung» können Utopie und Dystopie einander gefährlich nahe kommen.
Franziska Meister

«Wohnzimmer der Zukunft» in: Bern 
Museum für Kommunikation, Di–So, 10–17 Uhr (Dauerausstellung). 
www.mfk.ch

Diskussion

Inventionen

In Spanien sind die sozialen Spannungen aufgrund der Prekarisierung vieler Teile der Bevölkerung besonders ausgeprägt. Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern ist das politische Klima entsprechend explosiv – die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei vierzig Prozent. Noch bevor die Occupy-Bewegungen aktiv wurden, hatten sich am 15. Mai 2011 landesweit Menschen zusammengefunden, um gegen die sozialen und wirtschaftlichen Missstände zu protestieren und erste Camps zu errichten. Sie forderten: wahre Demokratie!

Unter dem Label «Inventionen» präsentiert das Institut für Theorie der Zürcher Hochschule der Künste Veranstaltungen zur Neuerfindung des Politischen und des Theoretischen in «poststrukturalistischen Zeiten». Unter der Federführung von Isabell Lorey, Gerald Raunig und Roberto Nigro findet ein Abend mit Raúl Sánchez Cedillo und Montserrat Galcerán statt. Beide PhilosophInnen sind Mitglied der Universidad Nómada in Madrid, Cedillo ist zudem Redaktionsmitglied der Pariser Zeitschrift «Multitude». Unter dem Titel «Real Democracy» sprechen die ReferentInnen, die an der Bewegung «15. Mai» teilgenommen haben, über theoretische Hintergründe und praktische Strategien dieser «von der Strasse» geforderten anderen Demokratie.
Johanna Lier

«Real Democracy» in: Zürich Rote Fabrik, Shedhalle, Do, 12. April 2012, 19.30 Uhr. www.zhdk.ch/?inventionen und www.universidadnomada.net

Film

Spanischer Bürgerkrieg

Die Filmreihe «Guerra Civil» im Neuen Kino Basel zeigt sechs Filme, die sich mit dem Spanischen Bürgerkrieg auseinandersetzen. Als am 7. November 1936 General Francos Truppen am Stadtrand von Madrid standen, schien der Fall der Hauptstadt besiegelt. Doch die Stadt widerstand dem Grossangriff Francos. Unter den Freiwilligen, die gegen Franco kämpften, waren auch SchweizerInnen.

Richard Dindo lässt in seinem Dokumentarfilm «Schweizer im Spanischen Bürgerkrieg» (1974) Schweizer VeteranInnen von ihrer Zeit in Spanien erzählen und verbindet die Geschehnisse mit späteren Bewegungen. «Ein Volk in Waffen» (1936/37) stellt die soziale Revolution in den Vordergrund. «La Guerre est finie» (1966) von Alain Resnais zeigt drei Tage im Leben eines spanischen Berufsrevolutionärs. In «El laberinto del fauno» (2006) bilden die dunklen Gemäuer einer Mühle den Ausgangspunkt einer Reise ins Fantastische, und das Drama «Die fünf Patronenhülsen» (1969) erzählt von fünf Kameraden, die eine Nachricht ihres schwer verletzten Kommissars übermitteln müssen.
Silvia Süess

«Guerra Civil – Filme zum 75. Jahrestag der Revolution in Spanien» in: Basel Neues Kino, im April 2012, jeweils Do/Fr. www.neueskinobasel.ch

Jugendfilmfestival

Wie schreibt man eine Filmkritik? Wie arbeitet man als Schauspielerin? Wie entsteht ein Musikclip? An den 36. Schweizer Jugendfilmtagen erhalten Jugendliche in Workshops Einblicke in unterschiedliche Bereiche des Filmschaffens. An einem Werkstattgespräch erzählt Dokumentarfilmer und Jurymitglied Christian Frei von seinem Werdegang, seiner Arbeitsweise und seinen Erfahrungen als Filmemacher. Der Filmklub Zauberlaterne zeigt für Sechs- bis Zwölfjährige Animationsfilme von StudentInnen der Hochschule Luzern, für die Grösseren gibt es ein Symposium zum Thema «Authentizität».

Und natürlich sind auch viele Filme der jungen Filmschaffenden selbst zu sehen: Von 248 eingereichten Filmen wurden 58 ausgewählt, die nun in fünf Wettbewerbskategorien gezeigt werden.
Silvia Süess

36. Schweizer Jugendfilmtage in: Zürich Theater der Künste, Mi, 11., bis So, 16. April 2012. 
www.jugendfilmtage.ch