Kultour
Literatur
Laure Wyss
Am 20. Juni 2013 wäre Laure Wyss, die Grande Dame des Schweizer Journalismus, hundert Jahre alt geworden. Zum Jubiläum hat Barbara Kopp die Biografie «Laure Wyss. Leidenschaften einer Unangepassten» verfasst, aus der die WOZ im Juni einen Vorabdruck brachte (vgl. Nr. 24/2013 ). Im Rahmen der Reihe «Literatur am Donnerstag» im Bodmanhaus Gottlieben unterhält sich Barbara Kopp nun mit WOZ-Redaktor Stefan Keller.
«Literatur am Donnerstag» in: Gottlieben Bodmanhaus, Do, 7. November 2013, 20 Uhr.
Armin Büttner
Ausstellung
Vintage
«I wear your granddad’s clothes, I look incredible» (Ich trage die Kleider deines Grossvaters, ich sehe unglaublich aus), rappt der US-amerikanische Musiker Macklemore in «Thrift Shop», was eine Art Brockenhaus bezeichnet. Der Erfolg dieses Lieds hat deutlich gezeigt, dass der Trend des Alten und Gebrauchten inzwischen im Mainstream angekommen ist. Es gilt als modisch, die alten Lederschuhe des Grossvaters oder eine Sonnenbrille aus den siebziger Jahren zu tragen. Secondhandläden wählen ihre Produkte heute sorgfältiger aus und präsentieren sie ansprechend. Die etwas verstaubten Wühlgeschäfte sind edlen Boutiquen gewichen.
Das Wort «Vintage» stammt ebenfalls aus dem Englischen und steht für «alt» oder «erlesen». Es ist eine Mode der jüngeren Generation, die sich dem Konsumwahn der letzten Jahrzehnte entgegensetzt. Gleichzeitig nutzen ihn Mode- und MöbelherstellerInnen, indem sie ihren Produkten den Anschein eines gebrauchten Gegenstands geben. Das Museum für Gestaltung in Zürich greift diesen Trend mit der Ausstellung «Vintage. Design mit bewegter Vergangenheit» auf. Ausgestellt werden Möbel und Kleider, die den Wunsch nach Gegenständen aus der Vergangenheit und den Reiz des Gebrauchten ausstrahlen. Am Beispiel der mit Sandstrahlern bearbeiteten Jeans betont die Ausstellung aber auch die Ambivalenz des Vintage-Trends und hinterfragt unsere Sehnsucht nach natürlich und künstlich gealterten Objekten.
«Vintage. Design mit bewegter Vergangenheit» in: Zürich Museum für Gestaltung, Vernissage Mi, 12. November, 19 Uhr. Bis 6. April 2014. www.museum-gestaltung.ch
Anina Ritscher
Sebastian Forkarth
Im Juni 1967 eroberte Israel im Sechstagekrieg das gesamte Westjordanland sowie den Gazastreifen und nahm Ostjerusalem ein. Kurz darauf begann der israelische Staat mit Enteignungen: Er vertrieb palästinensische Familien von ihrem Land, um Siedlungen zu erstellen. Seit über vierzig Jahren ist Israel eine Besatzungsmacht, jede israelische Regierung hat seither den Siedlungsbau vorangetrieben.
Die jüdische Siedlung Ma’ale Adumim liegt bei Ostjerusalem und ist seit ihrer Gründung 1975 stetig gewachsen. Heute ist sie mit vierzig Quadratkilometern flächenmässig die grösste Siedlung im Westjordanland, 39 000 Menschen leben hier. Der deutsche Fotograf Sebastian Forkarth verbrachte ein Gastsemester an der Jerusalemer Bezalel Academy of Arts and Design. Für seine Diplomarbeit hat er sich in Ma’ale Adumim umgeschaut und das Ortsbild auf den Hügelkuppen fotografisch festgehalten. Seine eindrücklichen Bilder sind nun während einer Woche im Kulturraum Kassette in Zürich zu sehen.
«Jenseits von Jerusalem – Ma’ale Adumim. Eine Fotoausstellung von Sebastian Forkarth» in: Zürich Kassette (Wolfbachstrasse 9), Mo–Sa, 11.–16. November 2013, 14–17 Uhr. Mo, 11. November 2013, 19.30 Uhr: Vernissage und Gespräch mit Sebastian Forkarth, Michael Guggenheimer und Hanno Loewy. www.die-kassette.ch
Silvia Süess
Lachende Würste
In den dreissiger Jahren eroberten zunehmend Markenartikel die Regale der Lebensmittelgeschäfte und Dorfläden. Sie verdrängten die anonyme Stapelware. 1945, nach Kriegsende, folgten die ersten Selbstbedienungsläden. Die KundInnen mussten sich selbst über Produkte informieren. Damit sie dabei die Orientierung nicht verloren, wurde mit Werbung etwas nachgeholfen.
Der französische humoristische Zeichner Marius Rossillon alias O’Galop entwarf mit Bibendum bereits 1898 eine Figur, die menschenähnliche Züge aufwies und für Autopneus warb. Jahre später verlor Bibendum seinen Namen und wurde als Michelin-Männchen weltbekannt. Die Idee der «beseelten Produkte» wurde in den dreissiger Jahren wieder aufgenommen, und Bibendum feierte in vielerlei Gestalt Auferstehung. Als roter Wollstrang warb ein Torwart für Schaffhauser Wolle. Er angelte sich mit Schiebermütze auf dem Kopf den Ball, der ein Wollknäuel war.
Der bekannte Grafiker Herbert Leupin schuf 1949 die lachende Wurst, die auf die Produkte der Metzgerei Ruff aufmerksam machte. Ein abenteuerliches Teigwarenmännchen balancierte einen dampfenden Teller Spaghetti für die Firma Wenger, und das Akkordeon spielende Blasenmännchen machte auf Persil aufmerksam: «die strahlende Symphonie moderner Wäschepflege». Die Vermenschlichung der beworbenen Produkte hatte zwischen 1930 und 1950 ihre beste Zeit. Sie entführte in eine kindliche Welt, liess Märchen und Fabeln anklingen und geriet dann Ende der fünfziger Jahre wieder ausser Mode.
«Lachende Würste, fussballspielende Wollknäuel» in: Zürich Schweizer Nationalbank, Schaufenster an der Fraumünsterstrasse/Stadthausquai, Eröffnung Mi, 13. November 2013, 17.30 Uhr, Bis 10. März 2014.
Fredi Bosshard
Festival
Arabische Filmnächte
Am 20. März 2003 bombardierten Streitkräfte der Vereinigten Staaten sowie Grossbritanniens Bagdad. Nur eineinhalb Monate später erklärte Präsident George W. Bush den Krieg für beendet – was so jedoch nicht der Realität entsprach. Inoffiziell ging der Krieg weiter, und das Leben der Menschen im Irak ist seither nicht mehr wie zuvor. Wie der Alltag im Krieg aussieht – dies zeigen die Filme, die an den Arabischen Filmnächten in Zürich zu sehen sind. Im Zentrum der fünften Ausgabe der Filmnächte steht das irakische Filmschaffen, das trotz Ausnahmezustand des Landes existiert.
Unter schwierigsten Umständen und mit LaienschauspielerInnen hat der Regisseur Shawkat Amin Korki 2009 seine Tragikomödie «Kick off Kirkuk» in der erdölreichen Stadt Kirkuk im kurdischen Norden des Irak gedreht. Hier, in einem stillgelegten Fussballstadion, haben Hunderte von Vertriebenen Unterschlupf gefunden und leben in improvisierten Hütten und Häusern. In diesem Umfeld versucht ein junger Mann, ein Fussballspiel zu organisieren, das kurdische und arabische BewohnerInnen einander näherbringen soll. Zu sehen sind an den Arabischen Filmnächten neben aktuellen Spiel-, Dokumentar- und Animationsfilmen auch historische Werke wie «Der Schaffner» von Jafar Ali, in dem der Protagonist quer durch das Bagdad der siebziger Jahre fährt, durch einen Mikrokosmos aus verschiedensten sozialen Schichten.
Seit 2003 wurden im Irak über 250 JournalistInnen getötet. Der Kurzfilm «Speak Your Mind» von Imad Ali zeigt die traumatisierenden Erlebnisse dreier Journalisten und dokumentiert auf erschütternde Weise die schrecklichen Folgen des Kriegs. Neben den Filmvorführungen gibt es auch Diskussionen und Begegnungen mit den FilmemacherInnen.
5. Arabische Filmnächte in: Zürich Boulevard Theater (Albisriederstrasse 16), Mi–Fr, 13.–15. November 2013. www.iaffz.com
Silvia Süess
Theater
Die unsichtbare Stadt
Die Stadt Zürich, die offene Stadt, die unsichtbare Stadt, die Stadt, die es so noch nicht gibt: Die Stadt als Summe aller Erlebnisse und aller Menschen, die sie betreten, wird diese Saison gleich von zwei Theatern thematisiert.
Das Theater Neumarkt widmet das erste Drittel seines Programms dem Thema mit der Plattform «Offene Stadt». In der Serie «Arrivals» wird die Stadt als Ankunftsort dargestellt, und das Stück «Hundeherz», nach der Erzählung von Michail Bulgakow, dreht sich um eine Figur am Rand der städtischen Gesellschaft.
Die Gessnerallee rückt die Stadt Zürich als Lebens- und Erlebnisraum in den Fokus. Bis zum 15. Dezember 2013 verwandelt das «sozial-artistische Stadtlabor zURBS» die Bühne unter dem Namen «invisible Zürichs» in ein Stadtreisebüro. Neben Lesungen und Darbietungen veranstaltet das Kollektiv jeden Samstag einen sogenannten «Walkshop». Die TeilnehmerInnen wandeln jeweils durch einen Stadtteil. Die Idee ist inspiriert vom Text «Die unsichtbaren Städte» von Italo Calvino. In Zürich, so die Annahme, liegen viele «unsichtbare Zürichs» verborgen, die erkundet und belebt werden wollen. Es werden spontane Tanzvorführungen veranstaltet und Fremde auf der Strasse in Gespräche verwickelt. Von den «Walkshops» bleiben Fundstücke, Ideen und Bilder übrig, die in einem Stadtarchiv in der Gessnerallee ausgestellt werden. InteressentInnen können sich für einen der «Walkshops» anmelden.
«Offene Stadt» in: Zürich Theater Neumarkt,
bis Ende Dezember.
«invisible Zürichs» in: Zürich Gessnerallee,
bis zum 14. Dezember 2013, «Walkshop» jeden Samstag, Teilnahme gratis, Anmeldung via E-Mail
(tickets@gessnerallee.ch). www.invisible-zurichs.ch
Anina Ritscher
Valzeina – «Life in Paradise»
Seit 2007 betreibt der Kanton Graubünden im 140-Seelen-Dorf Valzeina im Prättigau ein Asylausreisezentrum. Ganz oben am Hang leben dort abgewiesene AsylbewerberInnen in einem Vakuum zwischen verweigerter Aufnahme und drohender Ausschaffung im alten Ferienheim Flüeli. Die WOZ hat in den letzten Jahren immer wieder über Valzeina berichtet, über die Solidaritätsbewegung im Dorf und die Skrupellosigkeit der Bündner Behörden.
Nun hat der Filmemacher Roman Vital aus Arosa einen Dokumentarfilm über Valzeina und sein Flüchtlingsheim gedreht. «Life in Paradise» heisst er und stellt tatsächlich paradiesisch anmutende Landschaftsbilder eindringlichen Gesprächen mit Einheimischen, Behörden und Asylsuchenden gegenüber. Vital zeigt die Wut, die Trauer und die Ratlosigkeit in der Solidaritätsgruppe Miteinander Valzeina, als eine Flüchtlingsfamilie ohne Vorankündigung im «Flüeli» abgeholt und in ein Ausschaffungsgefängnis gesteckt wird. Er redet mit den DorfbewohnerInnen über die praktischen Auswirkungen der Asylpolitik vor der eigenen Haustür, schaut dem Zentrumsleiter über die Schulter, wenn er einem «Flüeli»-Bewohner die Hausregeln darlegt, und hört den Asylsuchenden zu, wenn sie den Staat analysieren, der nicht ihr Gastland sein will. Auffällig dabei: Mit den Einheimischen redet Vital direkt, die Fremden beobachtet er beim Miteinander-Sprechen.
«Life in Paradise» in: Zürich Kino Xenix, So, 10., 17., 24. November 2013, 12 Uhr; Davos Kino Arkaden, So, 1. Dezember 2013, 18 Uhr, Mi, 4. Dezember 2013, 20.30 Uhr; Liestal Kino Sputnik, So, 8. Dezember 2013, 11 Uhr.
Dominik Gross