Kommentar: Überwachung: Freiheit vor Sicherheit

Nr. 18 –

Wie viel verraten Daten über einen Menschen? Welche Beziehungen, welches Verhalten legen sie offen? Und wer weiss darüber Bescheid? Balthasar Glättli, Nationalrat der Grünen, hat ein halbes Jahr seines Lebens öffentlich gemacht.

Eine interaktive Grafik, erstellt von Open Data City und am Wochenende publiziert von der «Schweiz am Sonntag», «Watson» und der NZZ, dokumentiert Glättlis Datenspur vom 16. Januar bis zum 16. Juli 2013: wann der Nationalrat von wo aus mit wem und wie lange gesprochen hat. Nicht verfügbar sind die Inhalte der Gespräche und Glättlis Mails. Trotzdem – oder gerade deswegen – ist die Datensammlung eindrücklich. Denn was Glättli der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt hat, ist das, was die Telekommunikationsanbieter in der Schweiz von Gesetzes wegen über jede Person speichern müssen – unabhängig davon, ob jemand eines Vergehens verdächtigt wird.

Der Europäische Gerichtshof urteilte kürzlich, die Überwachung auf Vorrat sei unzulässig. Trotzdem soll mit der Totalrevision des Überwachungsgesetzes Büpf die Vorratsdatenspeicherung in der Schweiz ausgeweitet werden: von sechs Monaten auf zwölf. Und mit dem neuen Nachrichtendienstgesetz hätte auch der Geheimdienst Zugriff.

Die Macht der Metadaten ist gross. Durch sie lassen sich nicht nur detaillierte Bewegungsprofile erstellen, sie offenbaren auch persönliche Netzwerke und können Geheimnisse auffliegen lassen. Im Fall von Balthasar Glättli etwa wurde bekannt, dass er mit der Sicherheitskommission des Nationalrats einen geheimen Ausflug unternahm.

Die Speicherung von Randdaten mag in den Augen der Behörden die Strafverfolgung erleichtern. Doch sie gefährdet die Privatsphäre unbescholtener BürgerInnen.

Aus Eigeninteresse sei auf eine zusätzliche Gefahr verwiesen: Die Vorratsdatenspeicherung setzt die verfassungsmässig garantierte Medienfreiheit aufs Spiel. Denn sie ermöglicht den Ermittlungsbehörden, Kontakte von JournalistInnen zu überwachen und so InformantInnen ausfindig zu machen. Die Medien aber sind darauf angewiesen, ihren InformantInnen Quellenschutz zu gewähren. Sicherheit darf nicht vor Freiheit gehen.