Kultour

Nr. 22 –

Kunst

Grrrringo Domingo

Da ist er wieder, der unverkennbare Strich, der wie von selbst durch die Strassen läuft: Und Häuser entstehen und Werbeschilder und Menschen und Autos, und manchmal wird der Strich auch zum Zeichner selbst, mit Stoppelbart. Ingo Giezendanner alias GRRRR erzählt in Büchern von seinen Reisen, die neuste führt ihn nach Haiti und in die Dominikanische Republik. Der schwarze Strich läuft gegen Zäune und Mauern – was da wohl dahinter liegt? – und hinein in offene Strassencafés. Und wird immer wieder zum politischen Fragezeichen: Ein Graffiti fordert die Vereinigung der Karibikstaaten. Schliesslich lösen sich die Zeichnungen in Farbe auf: Auch GRRRR, der rastlose Stadtwanderer, setzt sich gern mal an den Strand.

Die Zeichnungen sind nun in einer Ausstellung im Künstlerhaus S11 an den Solothurner Literaturtagen zu sehen. Zusätzlich gibt es im Landhaus eine performative Lesung mit der Rapperin Big Zis zu Bildern des Künstlers. Erschienen ist von GRRRR auch ein Heft mit dem schönen Titel «Andere werden Eltern, ich älter!». Zu sehen sind darin Zeichnungen aus San Francisco aus den Jahren 1998 und 2013/14. Aufeinandergelegt dokumentieren sie die Veränderungen im Stadtraum. Kein Wunder, läuft dieser Strich immer weiter.

«Grrrringo Domingo» in: Solothurn Künstlerhaus S11, Vernissage Do, 29. Mai 2014, 16 Uhr. Bis So, 8. Juni 2014.

«Schichten zählen – eine performative Lesung mit Bildern» in: Solothurn Landhaus, Fr, 30. Mai 2014, 18 Uhr. Weitere Infos: www.grrrr.net.

Kaspar Surber

Musik und Literatur

Kontrapunkt

Wie kann man mit Musikkompositionen politisch Stellung beziehen, wie sich äussern zu den Missständen der Welt? Ausgehend von drei Meldungen aus den Medien in den vergangenen Monaten haben die Komponisten Alex Buess, Thomas Lauck, Daniel Ott und Rico Gubler neue Werke kreiert. Die Themen: die Erwerbslosenquote Spaniens, die mit 24,5 Prozent die höchste in Europa ist; die Eurokrise und die daraus resultierende Gefahr eines Rückgangs der Sozialstaatlichkeit; die Tatsache, dass eine «Supereinheit» von 147 Firmen die Fäden der globalen Wirtschaft in der Hand hält. Entstanden sind so zum Beispiel das Stück «Plumbum» von Lauck, das sich musikalisch mit dem Thema Gleichgültigkeit auseinandersetzt, oder «6/7 Gare du Sud» von Ott, das die Wegweisung von MigrantInnen im Bahnhof Chiasso thematisiert. Gespielt werden die Stücke vom Ensemble Kontur mit José Navarro an der E-Gitarre, Karolina Öhman am Violoncello und Remo Schnyder am Saxofon.

Ruth Schweikert, Jürgen Theobaldy und Guy Krneta ergänzen die Musikstücke mit literarischen Texten, deren Basis dieselben Medienzitate bilden wie jene der Kompositionen. Entstanden ist so «Kontrapunkt. Sieben musikalische und literarische Kommentare zu den Misstönen der Gegenwart», das dieser Tage in mehreren Städten zu hören ist.

«Kontrapunkt. Sieben musikalische und literarische Kommentare zu den Misstönen der Gegenwart» in: Basel Gare du Nord, Mi, 28. Mai 2014, 20 Uhr; 
Bern Dampfzentrale, Fr, 30. Mai 2014, 19.30 Uhr; 
Leuk Schloss Leuk, So, 8. Juni 2014, 16 Uhr. Weitere Vorführungen siehe www.ensemble-kontur.com.

Silvia Süess

Literatur

1914

Bald hundert Jahre ist es her: das Attentat auf den Thronfolger Österreich-Ungarns, Franz Ferdinand, das schliesslich zum Ersten Weltkrieg führte. Dieser Krieg veränderte ganz Europa und wird als «Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts» fleissig in den deutschsprachigen Medien verhandelt.

Doch wie schrieben die Medien vor hundert Jahren über den Ausbruch des Kriegs? 23 AutorInnen aus 23 Städten Europas haben die Zeitungen ihrer jeweiligen Stadt von Juli und August 1914 gelesen. Aus dem darin gefundenen Material verfassten sie Texte, die sich damit beschäftigen, wie und was die Menschen in den unterschiedlichen Regionen Europas damals dachten. Entstanden sind unterschiedlichste Essays und Erzählungen, die alle in der Zeit des beginnenden Ersten Weltkriegs verankert sind. Die Texte sind nun in einem Band versammelt, der den Titel trägt «August 1914. Mit dieser Welt muss aufgeräumt werden. Autoren blicken auf die Städte Europas». Geschrieben sind sie unter anderen von Marcel Beyer, Marjana Gaponenko und Bettina Balàka. In Zürich präsentieren die Schweizer Autorin Melinda Nadj Abonji sowie der serbische Schriftsteller Sreten Ugricic das Buch, in dem auch sie Texte verfasst haben.

«August 1914. Mit dieser Welt muss aufgeräumt werden. Autoren blicken auf die Städte Europas». Lesung in: Zürich Literaturhaus, Do, 5. Juni 2014, 
19.30 Uhr. www.literaturhaus.net

Silvia Süess

Festival

Das gute Leben

«Das gute Leben» findet in der Provinz statt. Zumindest gilt das für das Wochenende vom 29. Mai bis 1. Juni 2014: In Langenbruck BL werden kurzweilige, feine Häppchen aus der Wissenschaft aufgetischt, über die sich zu einem Glas Wein oder einer Tasse Tee debattieren lässt. Zum Beispiel mit dem Volkskundler Friedemann Schmoll über Nichtstun als produktiven Daseinszustand oder mit der Philosophin Patricia Purtschert über die Frage, ob das gute Leben aus feministischer Perspektive nicht einfach ein schlechter Trick ist.

Der Basler Verein Flying Science veranstaltet in der ländlichen Abgeschiedenheit des gut tausend EinwohnerInnen zählenden Dörfchens Langenbruck ein kleines Wissenschaftsfestival rund um das Thema des «guten Lebens». Die appetitanregenden Kurzvorträge halten WissenschaftlerInnen aus Bereichen wie Astronomie, Theologie und Ethik, Biologie oder Medienwissenschaften. Und natürlich dreht sich beim «guten Leben» vieles ums Essen und Trinken: Wie ernähren wir uns, was heisst «lokal», und wer bestimmt, was wir essen? Selbst Alfred Hitchcocks Dramaturgie des Suspense lässt sich mit Ritualen und Symbolen rund um den Verzehr von Speisen fassen. Da ist es nur folgerichtig, dass die Survival-Spezialistin Judith Heckendorn Kinder in Überlebenstechniken für draussen unterrichtet.

Die Vorträge sind ebenso wie die Konzerte und Ausflüge im Rahmenprogramm kostenlos, anmelden muss man sich nur für den Survival-Workshop.

«Das gute Leben» in: Langenbruck, diverse Veranstaltungsorte, Do, 29. Mai 2014, bis So, 1. Juni 2014. Weitere Infos: www.flyingscience.ch.

Franziska Meister

Theater

Pilze

Manche werden aus Liebeskummer zu Mördern oder zu Selbstmördern – dieser Mann wird zum Wilderer: Als seine Geliebte ihn verlässt, zieht sich der Mann im Theaterstück «Pilz» in den Wald zurück und beginnt zu wildern. Als zwei Boten zu ihm gelangen – der eine ein vergesslicher Mann, der andere ein Geisterseher – möchte er mit ihnen Bären und Wölfe jagen und interessiert sich nicht für die Botschaft, die die Männer ihm überbringen wollen. Das Theaterstück über Wilderer und andere Jäger stammt aus der Feder der Autorin Ursina Trautmann, die ab und zu auch für die WOZ schreibt. Auf der Bühne stehen, fliehen, jagen und wildern Marco-Luca Castelli, Manuel Löwensberg und Peter Neutzling.

«Pilz. Ein Theaterstück über Wilderer und andere Jäger» in: Chur Klibühni, Di, 3. Juni 2014, 20.30 Uhr, Premiere, Do–Sa, 5–7. Juni 2014, jeweils 20.30 Uhr. Weitere Vorstellungen siehe: www.klibuehni.ch.

Silvia Süess

Söhne

Das Theater als Ort der Begegnung und der Kultur für alle – dies ist das Credo der Volksbühne Basel. Sowohl auf der Bühne wie auch im Publikum sollten Menschen aus allen Bevölkerungsschichten und mit unterschiedlicher kultureller Herkunft Platz haben.

Divers sind denn auch die Biografien der Männer, die im aktuellen Stück von Anina Jendreyko, «Söhne», auf der Bühne stehen. Was sie vereint, ist ihre Migration über nationale Grenzen hinweg – erzwungen oder freiwillig. Doch jede ihrer Geschichten ist wieder eine ganz andere. In einem Imbiss treffen sie zufällig aufeinander, für kurze Zeit wird dieser Ort Mittelpunkt ihrer Welt, Geschichten und Biografien prallen aufeinander.

Mit Nadim Jarrar, Robert Baranowski und Orhan Müstak stehen alles Männer auf der Bühne, die einen Migrationshintergrund haben. Die Musik zum Stück kommt von Arjin Haki und Delchad Ahmad.

«Söhne» in: Basel Volksbühne, Mi, 28. Mai 2014, 20 Uhr, Premiere; Fr, 30. Mai 2014, Di–Sa, 3.–7. Juni 2014, 
jeweils 20 Uhr. www.volksbuehne-basel.ch

Silvia Süess