Kultour

Nr. 35 –

Fotografie

Bieler Fototage

Auf den ersten Blick irritiert es schon, das Thema der diesjährigen Bieler Fototage: In 22 Ausstellungen befassen sich FotografInnen aus dem In- und Ausland mit dem Thema Anpassungsfähigkeit. Im Fokus steht der Mensch als extrem anpassungsfähiges Wesen, aber auch als Verursacher eines immer rascher voranschreitenden Wandels von Natur und Umwelt, an den sich Tiere und Pflanzen anpassen müssen. Die Schweizerin Sabrina Gruhne etwa richtet ihre Linse auf ein ehemaliges Bergbaugebiet in Ostdeutschland, das zum Freizeitpark mutiert ist. Pierre Montavon, ebenfalls aus der Schweiz, porträtiert die BewohnerInnen illegal errichteter Dachbauten in Hongkong. Geradezu befremdlich: Sasha Kurmaz aus der Ukraine zeigt selbst gebastelte Waffen der ukrainischen Opposition. Wird da nun Anpassung an wirtschaftliche Ausbeutung oder gar Krieg als biologistisch-evolutionäres Erfolgsprinzip gefeiert? Oder suchen die KünstlerInnen dabei nach kreativ-subversiven Formen des Widerstands?

Wer sich auf der Suche nach Antworten nach Biel begibt, kann sich jeweils samstags einer öffentlichen Führung anschliessen oder am Samstag, dem 29. August, selbst das Gespräch mit den FotografInnen suchen.

Bieler Fototage in: Biel verschiedene Orte. 
Fr, 28. August 2015, bis So, 20. September 2015. 
www.bielerfototage.ch

Franziska Meister

Performance

«Blue Garden»

«Unsere Familie wollte nie hoch hinaus, wir waren immer schon oben.» Unter diesem Motto steht das Hörspiel «Blue Garden» über eine alte Dame aus dem Zürcher Bürgertum, die auf ihr in materieller Hinsicht unbeschwertes Leben zurückblickt. In den dreissiger Jahren residierte sie mit ihrer Familie auf einem herrschaftlichen Anwesen am Zürichhorn: «Unser Bellerive!», wie die Dame ausruft, mit Kronleuchtern und Marmorsäulen, Herrensalon und Hintereingang für die Bediensteten. Später in diesem fiktionalen Porträt muss die Familie fliehen – im Niederdorf kämpft ein Superheld gegen einen Drachen, und die Tonhalle wird zerstört … Doch das alte Geld kann sich in das heutige Zürich retten, «das zwischen Gemütlichkeit und Big Business der weltweit besten Lebensqualität nachjagt», wie es in der Ankündigung heisst.

Das Hörspiel von Andreas Liebmann ist im Rahmen von «Grey Gardens» entstanden, Barbara Webers Sommerresidenz an der Zürcher Hochschule der Künste. Liebmann stützt sich dabei auf die Erinnerungen seiner Verwandtschaft, die einst das heutige Zürcher Museum Bellerive bauen liess und vor dem Zweiten Weltkrieg nach New York übersiedelte. Auch die Liveperformance wird dabei zur Familienangelegenheit: Das Hörspiel wird am Cembalo begleitet von Peter Liebmann, dem 84-jährigen Vater des Regisseurs.

«Blue Garden» in: Zürich Theater der Künste, Gessnerallee, Do–Sa, 27.–29. August 2015, jeweils um 20 Uhr. www.transitproductions.ch

Kaspar Surber

Film

Fantoche auf Polnisch

Ein leeres Zimmer. Durchs offene Fenster kommt ein Ball ins Haus geflogen, ein Junge steigt ihm nach, klettert wieder raus. So geht das nun immer weiter im Film «Tango», acht Minuten lang: Ball rein, Junge rein und wieder raus. Aber mit der Zeit treten noch andere Figuren auf und ab und wieder auf und ab, jede von ihnen gefangen in einer Endlosschlaufe: eine Frau, die immer wieder ihr schreiendes Baby ins Bettchen legt, ein Einbrecher, der immer wieder dasselbe Paket mitlaufen lässt, ein Mann, der immer wieder eine Glühbirne wechseln will, und noch viele mehr. Bald ist in dem einst unbelebten Zimmer ein solches Gewusel im Gang, dass man komplett den Überblick verliert. Mittendrin vögelt ein Paar kurz auf dem Bett, während eine Frau daneben ihr Kind wickelt.

Es ist ein ebenso wahnwitziges wie poetisches Kabinettstück über die Routinen des Alltags in einer atomisierten Gesellschaft. Zbigniew Rybczynski hat mit diesem «Tango» (1981) einst den Oscar für den besten Kurzfilm gewonnen, und natürlich darf dieser Geniestreich des filmischen Schlaufendenkens nicht fehlen, wenn jetzt am Fantoche, dem Festival für Animationsfilm in Baden, das polnische Trickfilmschaffen gefeiert wird. Der «Fokus Polen» versammelt sechs Blöcke mit Kurzfilmen und zwei Langfilme, darunter der animierte Dokumentarfilm «Crulic» (2011) über einen Rumänen, der 2008 in einem polnischen Gefängnis an den Folgen eines Hungerstreiks starb. Mit einer Retrospektive wird überdies der 1938 geborene Künstler Jan January Janczak geehrt. Der Pole kam 1980 für ein Stipendium in die Schweiz – und sah sich zum Bleiben gezwungen, als in seiner Heimat das Kriegsrecht ausgerufen wurde. Am Fantoche finden Janczaks frühe Kurzfilme, die jahrzehntelang in polnischen Archiven lagerten, erstmals zurück auf die Leinwand. Und im internationalen Wettbewerb versammeln sich Altmeister wie Jerzy Kucia, Phil Mulloy und Georges Schwizgebel neben jungen Talenten wie Sawako Kabuki oder Boris Labbé.

Fantoche, 13. internationales Festival für Animationsfilm in: Baden diverse Orte, Di–So, 1.–6. September 2015. www.fantoche.ch

Florian Keller