LeserInnenbriefe

Nr. 4 –

Was sind die Alternativen?

«Autohandel: Auf Europas Schrottplatz», WOZ Nr. 3/2020

Im Beitrag wird der Export von in der Schweiz ausgedienten Fahrzeugen nach Bulgarien kritisiert. Für mich ist Bulgarien ein Exportland unter vielen «Empfängerländern» in Osteuropa und Afrika. Eigentlich egal wohin, nur weg mit dem unerwünschten Altfahrzeug, so lautet eine Devise, die ich bei vielen Schweizer Autobesitzern, auch sonst reflektierten Menschen, beobachte. Wahrscheinlich, weil es eine unangenehme Kehrseite unserer Mobilität ist.

Die WOZ kritisiert diese Praxis – allerdings ohne Alternativen aufzuzeigen. Verschrotten ist für mich kein Weg, zu viel graue Energie steckt in dem, was wir bei uns «Altwagen» nennen und von dem noch fast alle Teile absolut intakt sind. Ein solcher «Altwagen» genügt unseren hohen Schweizer Ansprüchen nicht mehr, sein Unterhalt wird mit unseren hohen Löhnen zu teuer – und überhaupt, ein Neuwagen ist so viel sauberer. Wirklich? Die Abgaswerte mögen besser sein, der Verbrauch muss beim Neuwagen nicht unbedingt tiefer ausfallen, so ein gewichtiger SUV braucht ja auch einen kräftigen Motor. Aber wir fahren immerhin das neuste, sauberste Modell; sollen doch die andern schauen, was sie mit unseren alten Autos machen.

Mir fällt ausser einem weitgehenden Verzicht auf Autobesitz und -nutzung sowie tieferen Ansprüchen von Konsumenten und Gesetzgeber keine Alternative ein, wie wir dieses Problem lösen können. Was sagt die WOZ? Nur gegen etwas sein, ohne Lösungswege aufzuzeigen, kennen wir doch von der anderen politischen Seite …

Rolf Eicher, Villnachern

Recht und gerecht

«Urteil gegen KlimaaktivistInnen: Das Jahr des Ungehorsams», WOZ Nr. 3/2020

Eben habe ich den Artikel von Sarah Schmalz betreffend das Urteil des Bezirksgerichts von Renens gelesen und muss sagen, dass ich ein wenig schockiert und/oder enttäuscht bin.

Grundsätzlich legt die WOZ doch Wert darauf, dass kritische und reflektierte Artikel zustande kommen. Doch plötzlich, wenn es um ein Thema geht, das von der WOZ nicht kritisiert werden will, verschwindet jegliche Reflexion und gründliche Recherchearbeit.

Von mir aus kann man sich über das Urteil freuen, dass man «recht bekommen» hat etc.

Aber auf keinen Fall sollte man sich so ein Urteil «auf der Zunge zergehen lassen». Dieses Urteil ist schlicht falsch. Und auch das kann passieren, denn ein Gericht spricht keine absoluten Wahrheiten, es fällt schlicht und einfach Entscheide (die manchmal eben gerade nicht dem Recht entsprechen).

Darum finde ich es umso schlimmer, was für «erfreuliche» Aussagen in diesem Artikel stehen. Es geht nicht um das Abwägen zwischen der Dringlichkeit des politischen Prozesses und den Eigentumsrechten. Es geht nicht um das Recht als moralische Ordnung, weil das Recht nun mal keine moralische Ordnung ist. Es geht darum, dass ein Sachverhalt unter eine strafrechtliche Norm subsumiert wurde, obwohl nicht alle Tatbestandsmerkmale erfüllt waren, und gerade im Strafrecht, wo verstärkt das Legalitätsprinzip gilt, ist das fatal. Solche Entscheide öffnen Türen der Willkür, die der Staat gegen den Einzelnen verwenden kann.

Es wird nur deshalb positiv über dieses Urteil berichtet, weil das Empfinden in Bezug auf Klimaaktivismus auch positiv eingestellt ist. Das ist ja auch gut so! Es braucht Klimaaktivisten, und es braucht ein offenes (politisches) Ohr dafür. Aber ich denke nicht, dass das Strafrecht immer und überall als Regelungsmechanismus einspringen muss.

Aber die WOZ scheint in diesem Artikel nicht beachtet zu haben, dass ein solcher Entscheid gerade eben und vor allem negative Seiten hat, weil es Wege öffnet, wo keine sein sollten. Ein Beispiel: Eine Gruppe kämpft gegen die weltweite Armut und macht den Kapitalismus dafür verantwortlich. Sie bricht also in einen kleinen Dorfladen ein, besetzt den Laden und macht die Eigentümerin dafür verantwortlich, dass sie zur Armut beiträgt, weil dieser Laden eine juristische Person ist, die nichts dafür tut, dass die Armut gestoppt wird (beispielsweise durch eine Spende). Freispruch aufgrund eines rechtfertigenden Notstands. Scheint Sie doch auch nicht so richtig zu überzeugen, oder?

Ich bitte also um reflektierte und kritische Artikel auch zu Themenbereichen, die von der WOZ positiv unterstützt werden. Es leidet sonst die Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit.

Katarina Bekaj, per E-Mail

«Ein erstaunliches Urteil» nennen Sie den Spruch des Richters Philippe Colelough. Und so ist es auch. Ein mutiges Urteil eines Mannes, dessen Beruf das Richten ist. Das ist das Recht auf den Kampf für eine bessere Welt. Ein Richter im besten Sinne des Wortes. Er spricht Recht, also das, was richtig ist. Und stellt nicht den Normalfall des Legalismus vor, der bei den Winkeljuristen allerwegen opportun ist.

Marcel Niggli, Strafrechtsprofessor an der Uni Freiburg, meint nämlich, das Recht solle nicht für das Gute kämpfen, sondern für das durch Gesetz repräsentierte Recht. «Diesen Richter müsste man entlassen», so Niggli in einem Interview mit der «Südostschweiz». Wahrlich ein Winkeladvokat reinsten Wassers. Lessing oder sein Alter Ego Nathan der Weise würde sich im Grabe noch grämen. Umso mehr: Hut ab vor Herrn Colelough.

Bernd Mensing, per E-Mail