Agenda

Nr. 39 –

Ganz schön bieder

Mit «Biedermeier» werden die Jahrzehnte zwischen 1815 – dem Ende der Napoleonischen Kriege – und dem europäischen Revolutionsjahr 1848 bezeichnet. Diese Ära war eine Zeit der Reaktion; charakteristisch für sie war der Rückzug der Menschen in die bürgerliche Häuslichkeit. Die Ausstellung «Bürgerwelten – Porträtminiaturen des Biedermeier» widmet sich der Epoche aus kunstgeschichtlicher Perspektive. Die Flucht ins heimelige Idyll drückte sich in der Popularität von Porträtminiaturen aus, die den geliebten Menschen in Zeiten der Trennung ersetzen sollten. Technisch und künstlerisch handelte es sich dabei oft um anspruchsvolle Werke.

«Bürgerwelten – Porträtminiaturen des Biedermeier» in: Winterthur Kunst Museum / Reinhart am Stadtgarten, Stadthausstrasse 6, Di–So 10–17 Uhr, Do 10–20 Uhr. Bis 31. Januar 2021.

Daniel Hackbarth

Ganz schön spät

Die Literaare in Thun war eines der ersten Festivals, das wegen Corona abgesagt werden musste. Nun findet sie im September statt, mit coronageschuldetem Zusatzprogramm: Tom Combo, Mariann Bühler und Aleks Sekanic lesen aus dem «Stoff für den Shutdown», einem Magazin, das während des Lockdowns innert kurzer Zeit aus dem Boden gestampft wurde und Texte von Schweizer AutorInnen versammelt. Zu hören und zu sehen sind an der Literaare nebst SchweizerInnen wie Simone Lappert, Sandra Künzi, Ruth Schweikert oder Christoph Geiser auch Katerina Poladian, Miku Sophie Kühmel oder Hengameh Yaghoobifarah. 

Literaare in: Thun verschiedene Orte, Fr–So, 25.–27. September 2020. www.literaare.ch

Silvia Süess

Ganz schön akribisch

Als 1971 in der Schweiz das Frauenstimmrecht eingeführt wurde, war sie eine der ersten Nationalrätinnen: Tilo Frey. Sie kam als Tochter einer Kamerunerin und eines Aargauers in Kamerun zur Welt und zog mit fünf Jahren mit ihrem Vater in die Schweiz. Hier machte sie eine Ausbildung zur Sekretärin, unterrichtete Stenografie, wurde Direktorin der höheren Töchterschule – und sie war in der FDP aktiv. Was sie immer akribisch tat, war Protokolle schreiben: «Sie war eine Expertin des Protokolls», schreibt das Experi-Theater über sie, die über Jahrzehnte wie aus dem historischen Gedächtnis des Landes gestrichen war. Mit dem Theaterhaus Gessnerallee lädt das Experi-Theater nun zu einem «Colonial Walk» ein, einem «performativen Gang» durch Zürich, der an Tilo Freys Geschichte aufzeigt, wo der Kolonialismus seine Spuren hinterlassen hat und der Rassismus noch immer präsent ist. 

«Protokolle Tilo Frey: Colonial Walk» in: Zürich Treffpunkt Theaterhaus Gessnerallee Blackbox, Sa, 3. Oktober 2020, 17 Uhr. www.experitheater.ch

Silvia Süess