WOZ News
Defeminisierte I
«Die ‹Stadt Luzern› – sie ist das Flaggschiff der Dampferflotte des Vierwaldstättersees. Mit viel Herzblut wurde die über 90 Jahre alte Dame während mehr als zwei Jahren wieder auf Vordermann gebracht», schrieb zentralplus.ch. So weit nach herkömmlichem Sprachgebrauch korrekt. Trotzdem kommt es nicht von ungefähr, dass Leser N. uns den Ausschnitt hat zukommen lassen. Denn wir können diesen kaum noch lesen, ohne Sternchen zu sehen. Doch soll aus dem Vordermann wirklich ein* Vorder* werden? Muss nicht sein: lieber den militärischen Sprachgebrauch von Anfang an vermeiden.
Jürg Fischer
Defeminisierte II
Die Mutter, der am Sonntag wieder einmal zugunsten des Blumenfachhandels kitschige Ehrungen zuteilwerden, beraubt man in der Deutschschweiz konsequent ihres Geschlechts. Dass auch das hiesige Gewerbe den Widerspruch zu spüren scheint, zeigt eine Kampagne von Ifolor, in der es heisst: «Mis Mami isch diä Bescht wos git!» Wir geben erst Ruhe, wenn auch das Papi mehr Elternzeit kriegt.
Karin Hoffsten
Entpuppte
«Der Walliser Nationalrat wird wohl Ständerätin Andrea Gmür – Gegenkandidaturen gibt es keine mehr.» Diese Meldung von srf.ch bezieht sich auf den Oberwalliser Nationalrat Philipp Matthias Bregy, der Chef der «Mitte»-Fraktion werden soll. Die «Mitte» unterschlägt zwar verschämt das C der Vorgängerpartei, aber wundersame Transzendenzen scheint sie bei Bedarf immer noch ganz praktisch zu finden.
Jürg Fischer
Missmutige
«Kein Zeitung am 1. Mai», kündigte der «Tages-Anzeiger» am 30. April an. Nun ja, war ja auch kein Umzug. Kein Solidarität spürbar. Kein schönes Wetter. Kein Bier. Kein Lust, sich irgendwie am Riemen zu reissen.
Jürg Fischer
Verdächtigte
Der «Tages-Anzeiger» berichtete über eine Aktion, bei der PolizistInnen verdeckt in eine Familie eingeschleust wurden. Sie gingen «dem Verdacht nach, er habe seinen acht Wochen alten Sohn getötet. Oder aber seine Frau, von der er mittlerweile getrennt lebt.» Ob er seine Frau getötet hat oder nicht, sollte doch leicht festzustellen sein. Anscheinend hat sie auch einen festen Wohnsitz.
Karin Hoffsten
Saugende
In einer Theaterbesprechung schrieb das «Zofinger Tagblatt», ein Schauspieler trete «mal als Verfechter des Druckluft-Systems, mal des Saufluft-Systems» auf. Wir vermuten, die wahre Bedeutung des Saufluft-Systems bringt erst die Pandemie ans Licht.
Karin Hoffsten
Hypermotivierte
Dass bei der Videoaktion deutscher SchauspielerInnen auch solche aus Österreich auftauchen, «verdankt sich eines Netzwerks, das weit über die Filmbranche hinausreicht», vermerkte tagesspiegel.de. Fast zeitgleich berichtete das «St. Galler Tagblatt»: «Der Angeklagte erwiderte, sein Freund habe sich zuerst des Messers behändigt.» Offenbar entsteht gerade ein Netzwerk, das sich ohne Rücksicht auf Verluste der Rettung des Genitivs annehmen möchte.
Karin Hoffsten