LeserInnenbriefe

Nr. 20 –

Bürgerliche Abwehrpolitik

«Asylzentren: Die Rapporte der Gewalt», WOZ Nr. 18/2021

Dieser Bericht beleuchtet die inakzeptable Seite des schweizerischen Asylwesens. Eine Folge der durch die bürgerlichen Mehrheiten geprägten Abwehrpolitik gegenüber den Menschen, die in ihrer Heimat keine Perspektiven haben. Auf der Suche nach einer wirklichen Zukunft werden sie von unserer Migrationsbehörde wie Kriminelle behandelt. In den Zentren gilt offenbar das Faustrecht.

Ich war selber ab 1991 über zehn Jahre im Asylwesen des Kantons Bern tätig. Damals hatten wir ganz andere Gesuchszahlen zu bewältigen. Stichwort Jugoslawienkrise. Im Rapport nicht erwähnt ist die Führungsebene der Zentren. Sie wählt die MitarbeiterInnen aus. Sie bildet sie aus und leitet sie für das Tagesgeschäft an. Warum wird die damit beauftragte Organisation nicht genannt? Das gilt auch für die Sicherheitskräfte. Offenbar nehmen weder Protectas noch Securitas ihre Führungsverantwortung wahr. Im freien Markt wäre unter ähnlichen Zuständen die Zusammenarbeit längst beendet worden. Aber offenbar ist der Umgang mit diesen Menschen den zuständigen EJPD und SEM gerade recht.

Roland Beeri, Münsingen

Diskriminierend

«Erwachet! Verhüten dank Vatikan», WOZ Nr. 18/2021

Ich zitiere: «der weisse Greis mit Käppi auf dem Kopf». Wenn mein Freund, mein Bruder oder mein Nachbar so qualifiziert würde, hätte ich keine Freude. Ebenso wenig gefällt mir diese despektierliche Umschreibung für Papst Franziskus. Das grenzt an Diskriminierung; nur Senioren mit Stetson erwünscht?

Wenn die Schweiz bezüglich Gesetz gegen die Diskriminierung schon weiter ist als Italien, so hinkt sie doch bezüglich Familie und Fortpflanzung anderen Ländern hinterher. In der Schweiz pocht nicht nur die (kath.) Kirche auf «natürliche Familie» / «natürliche Fortpflanzung», was viele heterosexuelle und homosexuelle Paare und Singles dazu bringt, ins Ausland zu reisen. NB: Ich (w, 77) gehöre keiner Glaubensgemeinschaft an.

Leonie de Maddalena, Aarau

Ökologische Landwirtschaft?

Diverse Artikel zu den Agrarinitiativen

Merci für eure differenzierenden Wortmeldungen von Bäuerinnen und Bauern zu den beiden Agrarinitiativen in der WOZ Nr. 19. So ausgewogen hätte ich mir auch eure Berichterstattung zu den Initiativen gewünscht, die sich ja deutlich gegen die Trinkwasserinitiative stellt. In der gleichen WOZ wiederholt Bauer R. Schaufelberger in seiner Zuschrift gegen die beiden Initiativen zwei Argumente, die mir in Diskussionen mit «probäuerlichen» Personen auch immer wieder vorgehalten werden, die aber deswegen nicht zutreffender werden.

So würde es, erstens, Bäuerinnen und Bauern niemals in den Sinn kommen können, den Boden oder die Umwelt zu vergiften, weil diese ja ihre Einkommensgrundlage darstellten. Schön wärs ja, aber wir wissen es besser. Der Umgang unserer Landwirtschaft und unserer Gesellschaft mit ihren natürlichen Ressourcen beweist doch vielmehr seit langer Zeit, dass wir in kapitalistisch geprägten Gesellschaften sehr wohl und heute auch wissentlich unsere eigenen Lebensgrundlagen zerstören. Herr Schaufelberger sieht auch «bedeutende Fortschritte» in der Nachhaltigkeit der Landwirtschaft. Der Bund (das Bafu) ist da anderer Meinung: «Die Landwirtschaft hat kein einziges ihrer 13 Umweltziele erreicht» (Umweltziele Landwirtschaft, Statusbericht 2016). Diese Zielverfehlung sollte übrigens in der vom Bauernverband ja erfolgreich abgeschossenen AP22+ in den eidgenössischen Räten debattiert werden …

Zweitens verstünden sich Bäuerinnen und Bauern «als Teil der Lösung». Das sehe ich im Hinblick auf eine zukunftstaugliche und ökologische Landwirtschaft auch so. Voraussetzung wäre aber, dass sie sich hier zuerst einmal auch als Teil des Problems verstehen, das sie (mit-)verursachen. Ohne erkennbare Selbstkritik und darauf aufbauende Veränderungen wird es keine «Lösung» geben, sondern nur das bisherige «Weiter so» unserer Agrarlobby.

Michael Clerc, Ligerz

Die Analysen von Bettina Dyttrich stimmen einmal mehr und zeigen, wie gut sie die Landwirtschaft und auch die LandwirtInnen kennt. Einwandfreier, neutraler Journalismus. Ich bin beeindruckt.

Die Trinkwasserinitiative (TWI) ist aus meiner Sicht nicht ganz ausgewogen, und ein «Tierbestand, der mit dem auf dem Betrieb produzierten Futter ernährt werden kann», ist für mich keine Kann-Formulierung, wie sie Nationalrat Kilian Baumann nennt, sondern eine klare Forderung. Von einem regionalen Austausch von Futtermitteln ist nicht die Rede. Dagegen hat der Bund den Initiativtext so ausgelegt, dass Betriebsgemeinschaften als ein Betrieb angesehen würden. Ein gewisser Spielraum bei der Auslegung wohnt auch diesem Initiativtext inne. Die TWI ignoriert zudem Importe. Ein Schwachpunkt. Warum stimme ich als Biolandwirtin trotz allem nicht dagegen? Ich kann nicht anders, aus tiefster Überzeugung.

Es gibt für mich kein Argument, die Initiative abzulehnen, das nicht entkräftet werden kann. Ich sehe die Schwierigkeiten, die sie mit sich bringt, und auch, dass die Landwirtschaft nicht alleine für die Umweltverschmutzung verantwortlich ist. Aber ich sehe auch, was eine nachhaltige, naturnahe Produktion auf einem Betrieb bewirken kann. Das ist überhaupt mein wichtigster Antrieb, als Landwirtin 55 Stunden und mehr pro Woche für einen Bruttolohn von siebzehn Franken die Stunde zu arbeiten.

Ich würde mir wünschen, dass man aufhört, von der TWI betroffene LandwirtInnen Giftmischer zu nennen. Sie sind bloss Teil einer Gesellschaft, die akzeptiert, dass ihre Lebensmittel mithilfe von Pestiziden angebaut werden, nicht die treibende Kraft dahinter. Es gibt viele konventionelle BäuerInnen, die helfen würden, die Biolandwirtschaft vorwärtszubringen, wären sie Teil davon. Wird dieser Wandel solidarisch von allen getragen, ist er eine Herausforderung, die wir meistern können.

Kathrin Preisig, Fachfrau Biodynamische Landwirtschaft