Schweizergarde: Schweizer Millionen für den Kirchenstaat

Nr. 28 –

Der Vatikanstaat möchte für die Schweizergarde eine neue Kaserne bauen, sie aber nicht selber finanzieren. Die Kosten von fünfzig Millionen Franken übernimmt die Schweizer «Kasernenstiftung», die auch Geld von Bund und Kantonen erhält.

Die Renaissanceuniformen, die Hellebarden und Helme der Schweizergarde vermitteln den Eindruck einer harmlosen Folkloretruppe. Eine Täuschung. Das über hundert Mann starke Korps ist eine moderne Polizeieinheit, die auch mit Maschinenpistolen von Heckler & Koch hantiert.

Die Garde hat ihren Ursprung im Schweizer Söldnerwesen und steht seit 500 Jahren dem absolutistischen Priesterkaiser in Rom zu Diensten. So klein die Einheit auch sein mag, man könnte sie als stehendes Söldnerheer bezeichnen. Noch im 19. Jahrhundert unterhielt der Vatikan neben der Schweizergarde Kampftruppen, in denen Schweizer dienten.

Eigentlich ist Dienst für fremde Staaten nach Schweizer Gesetz strafbar. Bereits 1929 bereinigten daher das Bundesparlament und der Bundesrat das Problem der Gardisten und legten fest, die päpstliche Garde könne nicht als «ausländische, bewaffnete Einheit gemäss Artikel 94 des militärischen Strafrechts betrachtet werden; da diese Truppe eine einfache Wachpolizei ist, kann jeder, wie bisher, in ihren Dienst treten, ohne die Zustimmung des Gesamtbundesrates einzuholen».

So können wehrpflichtige Schweizer frei von Strafverfolgung dem 0,44 Quadratkilometer kleinen Vatikanstaat und dem Papst dienen. Den Unterhalt der fürstlichen Leibgarde bestreitet der Kirchenstaat. Er wäre auch mit links in der Lage, den Neubau der Kaserne zu stemmen. Der Ministaat ist schuldenfrei, verfügt über ein Jahresbudget von etwa 400 Millionen Franken, kann eine Bank sein eigen nennen, seine Aktien- und Immobilienanlagen belaufen sich auf einen Schätzwert von zwölf Milliarden Franken. Ganz zu schweigen von den Vermögen der katholischen Landeskirchen. Allein die deutsche Landeskirche verfügt über ein geschätztes Vermögen von 250 Milliarden Euro. Die katholische Kirche ist auch eine globale Holding, die es schon immer verstanden hat, ihre Reichtümer zusammenzuhalten und zu mehren.

Praktischerweise, indem sie ihre Fans und AnhängerInnen dazu anhielt und anhält, zu spenden sowie Steuern und Ablässe zu bezahlen, auf dass ihre Schätze nicht schmelzen. Das hat sich auch unter dem «Armenpriester» Papst Franziskus nicht geändert. Gemäss diesem Muster überlässt nun der Vatikanstaat die Finanzierung der neuen Kaserne vollumfänglich SpenderInnen, den Schweizer KatholikInnen und dem Schweizer Staat.

St. Galler Söldnerfreunde

Und die Begeisterung für die Schweizergarde ist gross, besonders im Kanton St. Gallen, aus dem drei ehemalige Gardekommandanten stammen und der in der Geschichte der Garde das zweitgrösste Kontingent an Söldnern stellte. Auch der aktuelle Leiter der kantonalen Parlamentsdienste ist ein ehemaliger Schweizergardist. Mit Begeisterung am Werk sind selbst die NeutralitätsfetischistInnen der SVP. St. Gallen hat kürzlich eine halbe Million Franken aus dem Lotteriefonds gesprochen – gegen den Widerstand der Ratslinken. Diese kritisierte dabei vor allem die zweckwidrige Verwendung von Lotteriefondsgeldern. SP-Kantonsrätin Bettina Surber sagt: «Dafür sind diese Gelder nicht gedacht, ein Kasernenbau im Vatikan hat nichts mit der St. Galler Gesellschaft und Kultur zu tun. Wenn der Kanton schon einen Beitrag leisten will, dann hätte er das über den ordentlichen Haushalt laufen lassen müssen.»

Das sieht der ehemalige Fraktionschef der SVP und einstige Ministrant Michael Götte ganz anders. Er weibelte im Parlament mit Inbrunst für die Belange des Vatikanstaats: «Ich glaube, Kultur und Schweizergarde, das beisst sich überhaupt nicht. Ich stehe hier zur Kirche aus voller Überzeugung.» Auch sein evangelischer Parteikollege Karl Güntzel setzte sich für die fremde Macht ein und betrachtet die halbe Million Franken an die Polizeieinheit als Beitrag an «Tradition und Kulturgut».

Die beiden SVP-Politiker sind in dieser Angelegenheit kleine Lichter. Die einflussreichen UnterstützerInnen des Heiligen Stuhls engagieren sich in der eigens für die neue Kaserne gegründeten «Kasernenstiftung». Diese soll nach vollbrachter Mission wieder aufgelöst werden. Im Stiftungsrat sitzt Altbundesrätin Ruth Metzler, der ehemalige Präsident der Schweizer Nationalbank Jean-Pierre Roth präsidiert das Gremium. Dem Patronatskomitee, das für die Mittelbeschaffung in der Schweiz zuständig ist, steht Altbundesrätin Doris Leuthard vor. Auch Alt-CVP-Ständerat Urs Schwaller, Noch-Präsident der Schweizerischen Post, macht seinen Einfluss im Komitee geltend.

Das Spendengeschäft ist auf gutem Weg, das angestrebte Ziel von 50 Millionen Franken in Reichweite. Mittlerweile befinden sich bereits 35,5 Millionen in der Spendenkasse, wie Lara Tonet, die Leiterin der Spendenkampagne, gegenüber der WOZ sagt. Ziel der Stiftung ist, dass sowohl der Bund wie auch die Kantone einen Franken pro EinwohnerIn beisteuern, damit der Kasernenneubau bis 2027 unter Dach und Fach ist.

Dreizehn Kantone haben bislang Gelder gesprochen. Auf Bundesebene wurde das Ziel verfehlt. Wie der «Tages-Anzeiger» im November des vergangenen Jahres herausfand, wollten die BundesrätInnen Viola Amherd, Ignazio Cassis und Ueli Maurer dem Wunsch der Stiftung entsprechen und acht Millionen Franken Bundesmittel beisteuern. Justizministerin Karin Keller-Sutter intervenierte. Für eine solche Spende fehlten die rechtlichen Grundlagen.

Im Dezember 2020 beschloss dann der Bundesrat, den Neubau mit fünf Millionen Franken zu unterstützen. Er betrachte die Spende als Beitrag an die bilateralen Beziehungen zum Vatikan. Die Schweizergarde sei seit 500 Jahren das Bindeglied zwischen den beiden Staaten. Und dann tönte die Regierung ganz gross: Neben der Schweizergarde gehöre auch die Förderung des Weltfriedens zu den Schwerpunkten der bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Vatikan. Im Frühjahr landete das Geschäft schliesslich als Nachtragskredit im Parlament, zunächst in den Finanzkommissionen der beiden Räte. National- und Ständerat stimmten dem Nachtragskredit in der Junisession zu. Das Geschäft ging lautlos über die Bühne.

Mitte-Ständerat Beni Würth, der im Kanton St. Gallen noch als Regierungsrat an der Aufgleisung des Lotteriefondsbeitrags mitbeteiligt war, antwortet auf die Frage, ob öffentliche Gelder für Infrastrukturaufgaben eines fremden Staates opportun sind: «Das ist eine Ermessensfrage. Ich stehe jedenfalls voll hinter diesen Beiträgen und dem Kasernenneubau.»

Zürich sagt Nein

Ob am Ende alle Kantone ihren Obolus an den Vatikan abliefern, ist offen. Wie im Kanton St. Gallen könnte es in den anderen Kantonsparlamenten anders als im Bundesparlament ebenfalls Debatten geben. Der Kanton Zürich will gar nicht erst mitmachen und hat dem katholischen Ansinnen eine Absage erteilt. Demnächst soll im Kanton Luzern über die Angelegenheit befunden werden. Der kantonale SP-Präsident und Kantonsrat David Roth sagt: «Sollte im Kanton Luzern eine Spende über einen Lotteriefondsbeitrag geleistet werden, bin ich dagegen. Nicht aus antireligiösen Gründen. Aber das wäre eine Zweckentfremdung dieser Mittel.» Allerdings sei im Regierungsrat die Begeisterung für die Schweizergarde des Vatikans traditionell gross.

Jost auf der Maur, der ein Buch zum Schweizer Söldnerwesen verfasst hat («Söldner für Europa») und dessen Ururgrossonkel als Premierleutnant in einer Kampftruppe des Vatikans gedient hatte, vermutet, dass sich in der Begeisterung für die Schweizergarde die Sehnsucht nach der angeblich heilen Welt der alten Eidgenossenschaft spiegle und sie eine willkommene Ablenkung von den aktuellen Problemen des Landes sei. Das passt auch bestens ins Schweizbild der SVP – Neutralität hin oder her.