Leser:innenbriefe

Nr. 44 –

Nicht ernst genommen

«Elternzeit: Für alle eine Zumutung», WOZ Nr. 42/2021

Zunächst einmal Danke, dass Sie mit Ihrem Artikel zur Elternzeit diesem wichtigen und drängenden Thema Gehör verschaffen. In keinem anderen europäischen Land haben Eltern so wenig Zeit, sich um das neugeborene Kind zu kümmern. Ein Zustand, unter dem vor allem berufstätige Mütter leiden, die durch Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit einer grossen (körperlichen) Doppelbelastung ausgesetzt sind, sowie Geringverdiener:innen, die es sich nicht leisten können, auf eigene Kosten unbezahlten Urlaub zu nehmen – was über achtzig Prozent der Schweizer Mütter tun.

Leider nimmt der Autor die Bedürfnisse dieser Menschen nicht ernst, indem er einen so einseitigen und unreflektierten Artikel schreibt – zu einem Thema, zu dem es viel zu sagen gibt. Zum Beispiel, wofür sich denn die feministischen Aktivistinnen «mit einer Intensität, die schwer nachzuvollziehen ist», einsetzen: für eine Elternzeit, die diejenigen am meisten unterstützt, die unter dem jetzigen System am meisten leiden, nämlich gebärende und stillende Mütter, Geringverdiener:innen, Alleinerziehende. Eine Elternzeit, die nicht für gut situierte Vorbildfamilien massgeschneidert ist, sondern flexibel genug ist, um den verschiedenen Lebensrealitäten in der Schweiz gerecht zu werden. Eine Elternzeit, die Geschlecht nicht binär denkt, die anerkennt, dass einige Mütter keinen Partner haben, oder dass manche Familien es sich nicht leisten können, wenn das Einkommen temporär auf achtzig Prozent des Gehalts sinkt.

Wir sprechen uns also für ein flexibles Modell aus, das weniger privilegierte Familien mitdenkt und allen Lebenssituationen gerecht wird. Der gemeinsame Nenner ist: Mütter brauchen mehr Zeit und Geld! Eine Aufstockung um lediglich vier Wochen – und dies auf Kosten einer rechtlichen Schlechterstellung von Müttern, da in den diskutierten Modellen der bisherige Mutterschutz aus der Verfassung gestrichen würde – ist daher inakzeptabel.

Jana Freundt, per E-Mail

Kein Podium bieten

Kommerzielle Beilage «Goetheanum», der WOZ Nr. 43/2021 beigelegt

Ich war offen gestanden etwas irritiert, als ich die neue WOZ samt Beilage mit Spendenaufruf zugunsten des Goetheanums Dornach in meinen Händen hielt.

Dass die dem progressiven Spektrum verpflichtete WOZ sich auch als Meinungsforum versteht und grundsätzlich publizistische Toleranz auch gegenüber Stimmen ausserhalb der eigentlichen Linken übt, ist begrüssenswert. Den Vertretern von Rudolf Steiners sektenartiger esoterischer Weltanschauung indessen sollte – ungeachtet aller Sympathien, die dieser von gewissen grünen Kreisen entgegengebracht werden – in der WOZ kein Podium zur Verbreitung zur Verfügung gestellt werden, zumal sich die massgebenden Exponenten der Anthroposophie bis zum heutigen Tag nie klar und eindeutig von den offen rassistischen und völkischen Theorien ihres «Religionsstifters» distanziert und es zugelassen haben (und es bisweilen noch immer zulassen), dass sich in ihren Reihen – vorzugsweise als Lehrer in Waldorfschulen tätig – braune Esoteriker und offen Rechtsextreme tummeln.

René Edward Knupfer, Linden

Nicht konsequent

«Unia-Millionen: Müssen Linke arm sein?», WOZ Nr. 41/2021

Die Frage im Titel Ihres Artikels zu den «Unia-Millionen» ist falsch gestellt: «Müssen Linke arm sein?» Natürlich nicht! Sollten Linke kritisch hinterfragen, ob und wo sie ihr Geld anlegen? Natürlich ja!

Von einer Gewerkschaft erwarte ich da einfach mehr Konsequenz und Systemkritik: Die Millionen, die die Unia beispielsweise an der Börse anlegt, erzielen da Dividenden. Geld, das eigentlich den Arbeiter:innen zusteht, die die Unia ja anscheinend vertreten möchte.

Mit den Millionen, die die Unia in Immobilien steckt, trägt sie dazu bei, dass die Mieten für ebendiese Arbeiter:innen steigen. Nicht sehr konsequent und durchdacht von einer angeblich linken Organisation!

Thomas Lippe, per E-Mail