Leser:innenbriefe

Nr. 3 –

Einer der unappetitlichen Faktoren

«Zürcher Stadtgespräch: ‹Sie müssten Bührle opfern. Und das wollen sie nicht›», WOZ Nr. 1/2022

Der Vorschlag von Noch-Stadtrat Richard Wolff für die Bestückung der Eingangshalle des Kunsthaus-Neubaus mit einer Bührle-Kanone ist wohl etwas brachial, im Kern aber bedenkenswert. Der Ort ist wie geschaffen für ein solches Zeichen, und die Idee liesse sich über einen thematischen Kunst-im-Bau-Wettbewerb weiterentwickeln. Vielleicht liesse sich sogar Miriam Cahn zu einer Teilnahme bewegen, und auf den Beitrag von Bettina Eichin könnte man auf jeden Fall gespannt sein.

Im Übrigen scheint mir aber die ganze Debatte momentan zu sehr verengt auf Emil Georg Bührle und Familie. Die Rüstungsgeschäfte mit den Nazis hatten den Segen politisch relevanter Kräfte weit über den Bundesrat hinaus. Sie waren einer der unappetitlichen Faktoren, die es unseren Eltern und Grosseltern erspart haben, mit Krieg überzogen zu werden. Gewollt oder ungewollt profitierten alle. Sich dessen bewusst zu sein, heisst nicht, die fetten Dividenden der Bührle-Familie aus dem blutigen Geschäft kleinzureden.

Peter Egloff, Zürich

Beeindruckt

«Sexualisierte Gewalt: Der Vorfall», WOZ Nr. 2/2022

Bin beeindruckt von der Schilderung der Aufarbeitung einer Vergewaltigung, eines traumatisierenden Erlebnisses im Freund:innenkreis. Gut, gibt die WOZ dem ausführlichen Bericht Raum.

Christina Dolderer, Zürich

Für Jahrhunderte unbewohnbar

«EU-Klimapolitik: AKWs vertragen keinen Krieg», WOZ Nr. 1/2022

«AKWs vertragen keinen Krieg. Ein kaputt geschossenes Windrad ist ein kaputtes Windrad. Ein kaputt geschossenes AKW hingegen ist etwas, das man sich nicht vorstellen kann», schreibt Susan Boos. – Beznau, Gösgen, Leibstadt durch Artilleriebeschuss beschädigt, die Kühlung fällt aus? Grosse Teile der Schweiz würden für Jahrhunderte unbewohnbar, wie rings um die dünn besiedelte Gegend um das AKW Tschernobyl.

Ein Verteidigungskrieg der Schweizer Armee oder ein Bürgerkrieg in Helvetien verträgt sich mit Atomkraftwerken wirklich nicht. Auch eine guerillamässige Verteidigung der Eidgenossenschaft könnte zu einer Katastrophe in einem Atomkraftwerk führen, wenn die Kühlung ausfällt.

Noch furchtbarer wäre eine schwere Panne in einem Krieg in einer atomaren Wiederaufbereitungsanlage, im französischen La Hague bei der Cogéma oder in Sellafield bei der British Nuclear Fuels Ltd. Weite Teile Europas, je nach Windrichtung, würden unbewohnbar. Ein grosser Unfall in einer Wiederaufbereitungsanlage wäre x-mal schlimmer als die Unfälle in Tschernobyl oder in Fukushima.

Prof. Dr. Dr. Gofmann fasste die Folgen von Unfällen in einer atomaren Wiederaufbereitungsanlage, wie sie einmal in Gorleben (BRD) geplant war, wie folgt zusammen: «Wenn nur 1 % der Radioaktivität in dieser Anlage frei würde, müsste man jeweils nach Windrichtung und Wetterbedingung (zum Beispiel Regen) folgende westeuropäische Grossstädte samt Umfeld evakuieren; London, Brüssel, Paris, München, Berlin, Kopenhagen, Hamburg usw., weil sonst die Bevölkerung erheblich geschädigt würde.»

Atommülldeponien und Lager für abgebrannte Brennstäbe sind im Normalbetrieb sehr sicher, heisst es. Im Krieg könnten aber auch solche Lager beschädigt werden. Die strahlenden radioaktiven Rückstände, die in Tanks oder sogenannten Abklingbecken gelagert werden, müssen nämlich ständig gekühlt werden. Ohne Kühlung kocht die radioaktive Suppe über, verbreitet sich und verseucht weite Landstriche. 1957 explodierte in der Nähe der sowjetischen Wiederaufbereitungsanlage Majak ein solcher Atomabfallbehälter. Gegen eine halbe Million Menschen wurden damals einer hohen Dosis radioaktiver Strahlung ausgesetzt. Die Strahlung in der Nähe der Anlage von Majak ist, laut Greenpeace, heute noch um ein Mehrfaches stärker als jene in der Nähe des Havariereaktors in Tschernobyl.

Heinrich Frei, Zürich

Umstrittenes Interview

«Coronaproteste: ‹Diese Vorstellung, die Menschen hätten einst im Einklang mit allem gelebt …›», WOZ Nr. 1/2022

Na so was! Da dachte ich in meinem naiven Kinderglauben doch tatsächlich, dass wir Menschen im Einklang mit der Natur leben sollten. Etwas überraschend ist es nun die WOZ, die mich mit Sozialökonom Andreas Speit eines Besseren belehrt. Über zwei Seiten hinweg erklärt dieser ausführlich und geduldig, was Sache ist und warum es heute wirklich keinen Grund mehr gibt, nicht auf die segensreichen Errungenschaften der Moderne zu setzen. Reformbewegung, Homöopathie, Waldorf-Pädagogik … alles geschenkt, wenn uns die Wissenschaft doch ein so potentes Mittel wie die mRNA-Impfung zur Verfügung stellt. Das meine kurze Zusammenfassung des Interviews.

Mit Verlaub, liebe WOZ: Seid ihr noch bei Trost? Gab es hier nicht früher mal diese Suche nach dem anderen, diese Auseinandersetzung mit alternativen Ideen? Bekomme ich von euch nun bald auch Anlagetipps für die Börse? Ich habe mich sehr über den Text geärgert und wünsche mir, dass es wieder möglich wird, über Inhalte und Ideen zu sprechen, und nicht nur darüber, welches der einzig richtige Weg ist.

Peter Schmid, per E-Mail

Ich möchte mich bei euch für das Interview mit Andreas Speit bedanken. Ihr bleibt damit eurer Linie treu, die ihr von Anfang an in dieser Pandemie verfolgt habt. Ich bin so froh und dankbar, dass ihr nicht in das Schwurbler:innen-Kaninchenloch hinabgestiegen seid, sondern dass ihr konsequent und nüchtern die esoterischen Abgründe zur Linken immer wieder benennt. Vielleicht hat euch das Abonnements und Leser:innen gekostet, ich weiss es nicht. Aber mich und vermutlich viele andere bestärkt eure Haltung in diesen eigenartigen Zeiten.

Caspar Schärer, Zürich