Leser:innenbriefe

Nr. 12 –

Fans und Verharmloser

«Rechte Rhetorik: Aus Putins Mund ins rechte Ohr», WOZ Nr. 9/2022

Die Love Affair der internationalen Rechten mit Wladimir Putin wird derzeit auf die Probe gestellt, aber wie der Autor zeigt, bleiben Roger Köppel & Co. ihrer Linie treu. Haben sie gestern noch bestritten, dass Putin überhaupt Kriegspläne hege, und angebliche Provokationen der Nato angeprangert, so verhöhnen sie jetzt die westliche Deeskalationspolitik als Zeichen von Schwäche und Verweichlichung.

Auch wenn derzeit kaum jemand aus Putins Fanklub den Angriffskrieg offen unterstützen mag: Die Bewunderung dieses politischen Milieus gehört letztlich dem maskulinen Helden, der den Mumm hat, schwache Nachbarländer mit militärischer Übermacht zu überfallen und, vom Bürosessel aus, Tausende Menschen in den Tod zu schicken oder ihre Verhaftung anzuordnen.

Putin ist ein rechtsnationaler, revanchistischer Autokrat, der seit Jahren einen internationalen Propagandakrieg gegen Demokratie und Liberalismus führt – mit bemerkenswertem Erfolg. Von den «Querdenkern» über Rechtsparteien wie SVP und AfD, Rechtsmedien wie Fox News und «Weltwoche» bis zu Regierungschefs wie Viktor Orban und Donald Trump reicht(e) sein Einfluss. Diese Politikerinnen und Demagogen müssen isoliert und angeprangert werden.

Doch auch auf der Linken gibt es Fans und Verharmloser Putins, deren Einfluss nicht zu unterschätzen ist. In den USA ist das etwa das «Jacobin»-Magazin oder der in Europa von der WOZ mitgetragene «Monde diplomatique», dessen Direktor Serge Halimi in der Februarausgabe suggerierte, der eigentliche Kriegstreiber sei Biden. Was diese Milieus trotz aller Unterschiede gemeinsam haben, scheint mir, ist ein antiliberaler Nihilismus. Manche Kritiker:innen des westlichen Imperialismus sind bereit zum Schulterschluss mit der extremen Rechten, nach der Devise «Der Feind meines Feindes ist mein Freund».

Es ist zu hoffen, dass die Krise zu einer Auseinandersetzung mit diesen Tendenzen auch innerhalb der Linken führt. Die WOZ wäre dafür prädestiniert.

Toni Menninger, Bern

Verantwortlicher Mensch

«Klimagerechtigkeit: Die systemische Katastrophe», WOZ Nr. 9/2022

Jetzt steht es also auch in der WOZ: Die Städte «sind global für rund siebzig Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich». Immer öfter lese und höre ich gerade im Zusammenhang mit dem Klimawandel die Begriffe «verantwortlich» oder gar «schuld» (verantwortlich für die Brände ist die lang anhaltende Dürre; schuld an der Überschwemmung ist der Starkregen, oder: Schuld an der Überflutung ist die Klimaerwärmung, und so weiter).

Dabei geht es mir nicht um eine linguistische Spitzfindigkeit oder intellektuelle Empörung über Sprachverluderung, sondern um eine aus zwei Gründen sehr bedenkliche Entwicklung. Zum einen ist es schlicht falsch, einen Kausalzusammenhang mit Verantwortung oder Schuld gleichzusetzen. Städte oder ein Regen, mag er noch so stark sein, können keine Verantwortung tragen, und Dürre oder auch der Klimawandel als Ganzes tragen keine Schuld.

Zum anderen verlieren die Begriffe durch diesen inflationären und falschen Gebrauch an Wert, Gewicht, und ihre eigentliche Bedeutung wird verwässert. Damit wird auch die tatsächliche Verantwortung oder Schuld verwischt.

Wenn der Klimawandel schuld ist am Artensterben und Hitzewellen für die Vernichtung der grünen Lungen dieser Welt verantwortlich sind, mit welchen Begriffen wollen wir denn die wirklich Verantwortlichen bezeichnen? Und sie korrekt mit einem deutlichen, starken Begriff zu bezeichnen, ist wichtig, da nur von ihnen eine Veränderung ausgehen kann, nur sie können und müssen diese Verantwortung auch übernehmen und entsprechend handeln. Verantwortlich für den Klimawandel mit all seinen Folgen ist der Mensch. Nichts anderes. Punkt.

Claudia Zielmann, Luzern

Für die Muttersprache

Zur Berichterstattung über den Krieg gegen die Ukraine

Als mich ein Offizier während meines Militärdienstes fragte, ob ich bereit sei, für das Vaterland zu kämpfen, antwortete ich ihm, ich würde lieber für die Muttersprache kämpfen, weil sie dazu benutzt wird, Friedensverträge zu formulieren, nachdem die Väter alles kurz und klein geschlagen haben. Worauf er mich einen Büffel nannte und abtreten liess. So absolvierte ich den Rest meines Militärdienstes als vaterlandsloser Büffel.

In jedem Krieg werden Fahnen hochgehalten, und viele sind schon für Fahnen gefallen. Eigentlich merkwürdig, welche Macht Fahnen auf Menschen ausüben, obwohl so vieles, vom Ort der Geburt eines Menschen bis hin zur Festlegung von Landesgrenzen, doch von Zufällen mitbestimmt wird. Wir sollten dem Zufall im Leben ein Zuhause geben. Die Welt wäre friedlicher und ehrlicher, wenn auch der Zufall eine Fahne hätte. Wer zieht schon für den Zufall in den Krieg oder fühlt sich aus Zufall andern gegenüber überlegen?

Richard Knecht, Glarus