Leser:innenbriefe

Nr. 33 –

Sorgfältige Entwirrung

«Konzertabbruch in Bern: Zuhören als Provokation», WOZ Nr. 31/2022 , und «Leser:innenbrief: Die moralische Dimension», WOZ Nr. 32/2022

Vielen Dank, Kaspar Surber. So viel sorgfältige, leise und gut informierte Entwirrung zum Thema kulturelle Aneignung auf einer halben Seite – ich bin beeindruckt, weiss mehr als vorher und empfehle den Artikel weiter. Damit sind nicht alle Fragen gelöst. Eben nicht. Zuhören, Entwirren und Aufzeigen sind Schritte in Richtung antirassistische Arbeit, Dekolonialisierung, Emanzipation. Sie versprechen weder Checklisten noch abschliessende Antworten.

Estheranna Stäuble, Tägerwilen

So gut wie in der Sahara

«Energieversorgung: Für Natur und Klima: Ruhe bewahren und vorwärtsmachen», WOZ Nr. 26/2022

Ich finde es erfreulich, dass die Umweltorganisationen vom Ruf der Klimaverhinderer wegkommen wollen, indem sie zu Kompromissen bereit sind. Dass aber geschützte Biotope von nationaler Bedeutung und sogar generell freie Landschaftsflächen ausgeschlossen werden, scheint mir im Rahmen der aktuellen Notsituation (Klima und Krieg) eine prohibitive Einschränkung, welche vorab AKW-Förderer freuen wird. Solaranlagen, wie sie im Wallis (Goms, Gondo) geplant sind, das heisst, grossflächige Fotovoltaik in Alpgebieten, wo nachher immer noch Schafe weiden können, müssen möglich sein. Vorab weil sie auch im Winter so gute Wirkungsgrade wie in der Sahara aufweisen. Stichwort: Agrofotovoltaik ausserhalb von Bauzonen.

Auch Windturbinen müssen prioritär gefördert werden – wie zum Beispiel auf der ersten Jurakette (Chasseral), wo die Windverhältnisse gut und bewohnte Gebiete weit weg liegen. Auch sie liefern viel Winterstrom. Die Folgen der Wasserkraft sind auch nicht immer schön anzusehen, wenn ich an die Starkstromleitungen über den Grimselpass denke, waren aber im damaligen Krieg eine Pioniertat, um von der Abhängigkeit importierter Kohle wegzukommen. Fotovoltaik-Anlagen auf Alpen, Felswänden und in Landwirtschaftszonen können nach meiner Berechnung auf der Fläche des Brienzersees den gesamten Gas- und Ölverbrauch substituieren. Grössere Anlagen in nebelfreien Gebieten sind auch effizienter zu erstellen als Kleinanlagen im Unterland.

Ulrich Burri, Dipl. Ing. ETH, Biel/Bienne

Reise in den Irrsinn

«Kommentar von Raphael Albisser: In der Hand der Autokraten», WOZ Nr. 31/2022

Die Hoffnungsvorräte scheinen aufgebraucht. Als hätte man der Welt das Herz herausgerissen. Zu lange haben wir uns auf eine Welt geeinigt, die nur Dank der Fähigkeit des Vergessens erträglich war. Wir müssen uns eingestehen, dass es für begangene Fehler und Lügen kein Verfallsdatum gibt. Nun leben wir in einer leicht entflammbaren Welt, in der Worte und Taten wie Streichhölzer wirken. Die Geschichte der Menschheit als Reise in den Irrsinn: Blinde fahren Taube ins Konzert.

Richard Knecht, Glarus

Fussballfans sind der CS dankbar

«Skandalbank Credit Suisse: Hoffen auf Superreiche», WOZ Nr. 31/2022

Die Credit Suisse dürfe nicht bankrottgehen, trotz aller Verfehlungen, sagt im Artikel Professor Marc Chesney. Die Steuerzahler:innen müssen also die Bank retten, komme, was wolle. Was auch stossend ist: Diese Bank investiert immer noch viel Geld in Rüstungsunternehmen, auch in Firmen, die an der Produktion von Atomwaffen beteiligt sind. Seit der Revision des Kriegsmaterialgesetzes im Jahr 2013 gibt es zwar ein Finanzierungsverbot von verbotenen Waffen, das aber wegen angeblich «erheblicher Gesetzeslücken» nicht durchgesetzt wurde.

Laut der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen steckte die CS 2021 über zwei Milliarden US-Dollar in die Atomwaffenindustrie. Da im Moment weltweit nuklear aufgerüstet wird, bringen Investitionen in die Atomwaffenindustrie hohe Profite. Unterschreibt deshalb der Bundesrat den Atomwaffenverbotsvertrag nicht? Falls Bern den Vertrag unterschreiben würde, müssten die Banken wohl oder übel ihre Investitionen aus dieser Weltuntergangsindustrie zurückziehen.

Trotz allem: Die Zürcher Fussballfans sind froh, dass die CS massgeblich mithelfen wird, ein zweites Stadion in Zürich zu bauen: die «Credit Suisse Arena» auf dem Hardturm-Gelände. Ich hörte bisher nichts davon, dass diese Investition die Zürcher Regierung stören würde. Anderes stört sie: Anschriften und Bilder wie «Zum Mohrenkopf» oder «Zum Mohrentanz». Sie sollen nun abgedeckt werden. Nicht störend aber scheinen die Investitionen von Banken, Versicherungen und Pensionskassen in die konventionelle und die nukleare Rüstungsindustrie. Sonst würde man das Stadion nicht mit der CS zusammen bauen.

Heinrich Frei, Zürich