Auf allen Kanälen: Vereint im Sägemehl

Nr. 35 –

Das Sackmesser darf mit in die Arena: Die Medien fanden am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest mal wieder allerhand Beweise für die Bodenständigkeit dieses Landes.

stilisierter Bild von einem Schwingsportevent

So ist sie eben, die Schweiz: grundehrlich, einfach, ein bisschen bierselig. Und auf jeden Fall fähig, einen riesigen Anlass aus dem Boden zu stampfen, sei es Pfadi-Bundeslager oder Schwingfest. Am Wochenende ging das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest (Esaf) in Pratteln zu Ende. Was noch eine Weile weiterdauern dürfte, ist die hymnische Medienberichterstattung – bis noch das letzte Fitzelchen Schwingfest aufgebraucht ist, das in den Augen der Redaktionen einen Bericht wert ist.

Es ist natürlich nicht alles rosig – die Sicherheitsmängel im Vorfeld, der Frauenschwingverband, der für seine Mitglieder keine Tickets für das innert anderthalb Stunden ausverkaufte Fest bekam, die Schwingfest-Botschafterin der Stadt Pratteln, die wegen ihrer albanischen Herkunft rassistisch angegangen wurde. Und zuletzt das Z-Symbol, Zeichen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, auf der Tracht ­eines Vereinsmitglieds von «Russkij Basel» am Festumzug. Aber egal! Schön wars eben doch!

«Badewanne voller Friedfertigkeit»

SRF übertrug das ganze Schwingfest live und wartete mit allerlei Zusatzmaterial auf. (Highlight: das Interview mit dem Gabentisch-Verantwortlichen, der mit seinem Team drei Jahre lang daran gearbeitet hat. Sein Highlight: ein Fondueset mit elektrisch betriebenem Caquelon, Tradition und Moderne vereint.) Auch Tamedia und «Blick» sind bei der Geistigen Landesverteidigung ganz vorne mit dabei und haben auf ihren Websites eigene Rubriken eingerichtet, das «Eidgenössische» rangierte dort vor dem Ukraine-Krieg.

Es ist ja verständlich: Positive Geschichten sind gerade eher Mangelware, da macht sich ein Fest gut. Vor allem, wenn man damit ganz nebenbei den Zusammenhalt der Schweiz beschwören kann – und einige weitere Pfeiler, auf denen dieses Land vermeintlich so stabil steht: Die Bodenständigkeit! Die Authentizität! Die Tradition! Swissness allenthalben, etwa daran festgemacht, dass man am Esaf eben noch das Sackmesser mit in die Arena nehmen dürfe, für den Schüblig in der Pause. Nur die «Weltwoche» musste wieder miese­petern: aus Angst, das Esaf könnte dereinst den «letzten Rest Bodenständigkeit» verlieren. Schuld daran? Natürlich die verdorbenen Städter:in­nen, die nur zum Feiern kämen und sich für den «volkstümlichen Sport­anlass» gar nicht interessierten.

Das Esaf sei «eine grosse Badewanne voller Friedfer­tigkeit», schwärmte dafür SRF und pries den Event als eines der letzten Bollwerke, wo noch Gemeinschaftlichkeit und Respekt herrschten, trotz der Dimensionen: «Ja, das Eidgenössische ist riesig, aber es ist zugleich auch echt und berührend. Darauf können wir stolz sein. Darauf, dass wir das können.» Der «Blick» jubelte aus Pratteln: «Die Stimmung ist ­euphorisch. Es ist ein riesiges Volksfest!»

Sinn für Poesie

Trotz all der Beschwörungen, wie egalitär und zugänglich der Schwingsport sei (keine Gewichtsklassen!), gabs dann doch ein wenig Promi-Alarm. Exsportler und Unternehmer Hausi Leutenegger durfte erst den Tamedia-Zeitungen, am Wochenende dann dem «Blick» ausführlich berichten, wie sehr er das Schwingen mag und wie sehr die Leute ihn. Über das Esaf sagt er: «Das Schweizervolk rückt nochmals zusammen, wie beim Rütlischwur.» «Blick» und «BaZ» porträtierten Toni Brunner mit seiner Kuh Pauline Wayne II, die er als Lebendpreis spendete. Die Schwinglegende Nöldi Forrer wurde bei Tamedia als weiterer Beweis für Bodenständigkeit ins Feld geführt: «Nöldi blieb Nöldi», so der Journalist begeistert, der sage eben noch, was ihm in den Sinn komme – zum Beispiel indem er sich über «Sozialschmarotzer» beschwere: «Vielleicht war Forrer mit seiner Unverblümtheit der Letzte seiner Art.» Und Joel Wicki, der neue Schwingerkönig, wird als bescheidener Held inszeniert: «Mit Sieger-Muni ‹Magnus› an seiner Seite sind seine Gedanken bereits wieder beim Bauernhof», heisst es bei nau.ch.

Aber man soll sich ja nicht immer nur lustig machen. Und also lieber dem Journalisten der «BaZ» folgen, der im Schlussgang die Poesie des Schwingens erkannt hat: «Wie die Füsse tanzen, wie das Sägemehl aufspringt, wie die Körper fallen, langsam und sanft. Dann der Aufprall. Eleganz und das Brutale, in einem Moment.»