Massentierhaltung: Schweinewürde

Nr. 37 –

Die Massentierhaltungsinitiative macht die Schweiz weltverträglicher und hat ein überzeugtes Ja verdient.

Im Ausland ist es schlimmer. Stimmt.

In Niedersachsen, der grossen Tierfabrik Deutschlands, sind 200 000 Schweine in Quarantäne. Anfang Juli wurde in einem Stall die Afrikanische Schweinepest nachgewiesen. Die Berichte aus der Sperrzone sind grauenhaft: Die Tiere, die sonst mit maximal 120 Kilo in den Schlachthof kommen, nehmen weiter zu, werden grösser und fetter – bei nur 0,75 Quadratmeter Platz pro Tier. Sie erdrücken sich fast, fressen einander Schwänze und Ohren an. Kollateralschäden ­einer Seuche, die es ohne Massentierhaltung wohl nicht gäbe.

Ein Schweineleben

In der EU, erst recht auf anderen Kontinenten hat die industrielle Tierhaltung ganz andere Dimensionen als in der Schweiz. Enge Kastenstände für Muttersauen, in denen sich die Tiere nicht einmal drehen können, tagelange Tiertransporte, Betriebe mit Zehntausenden von Schweinen, Gülleseen, die ganze Regionen verseuchen – alles normal. In der Schweiz sind Transporte auf sechs Stunden beschränkt, es gibt Höchsttierbestände pro Betrieb, mehr als drei Viertel der Kühe können auf die Weide. Darauf weisen Geg­ner:in­nen der Massentierhaltungsinitiative (MTI), die am 25. September an die Urne kommt, gerne hin.

Ja, die Schweiz macht es etwas besser. Aber genügt das?

Die Kampagne für die Initiative zeigt vor allem Schweine. Zu Recht: Wohl bei keiner Tierart werden die arttypischen Bedürfnisse in einem solchen Ausmass missachtet. Schweine sind neugierige Tiere mit hoch entwickelten Sinnesorganen, die sehr viel Zeit damit verbringen, die Umgebung zu erkunden und im Boden nach Futter zu wühlen – wenn man sie lässt. In einem konventionellen Schweizer Standardstall – harter Boden, kein Auslauf, unendliche Langeweile – werden sie lebenslang dieser Möglichkeiten beraubt. Und für zehn Tage ist auch der Kastenstand erlaubt.

Wir müssen die Zahl der Tiere so radikal senken, dass für jedes ein würdevolles Leben möglich ist.

Die MTI fordert für die Nutztierhaltung Standards, die mindestens den Bio-Suisse-Richt­linien von 2018 entsprechen. Die Übergangsfrist beträgt 25 Jahre. Als Folge würden die Tierbestände sinken, am stärksten in der Poulet- und Schweinemast. Die Schweiz würde viel weniger Futter importieren. Damit gingen auch die immensen Güllemengen, die der Biodiversität schaden, stark zurück. Und mehr Ackerfläche würde für die menschliche Ernährung frei. Die Schweiz würde weltverträglicher – allerdings nur unter einer wichtigen Bedingung: wenn auch die Kon­su­ment:in­nen mitmachen und über diese 25 Jahre ihren Fleischkonsum stark reduzieren. Denn sonst führt die Initiative einfach zu einer Zunahme der Fleischimporte. Wünschenswert ist ein solches Szenario nicht. Aber immerhin müssten die Importe strengen Standards entsprechen. Diese Initiative nimmt, wie oft gefordert, auch die Kon­su­ment:in­nen in die Pflicht. Einfach indirekt: Sie schafft das alltägliche, achtlos gemampfte Billigfleisch ab.

Quälerische Effizienzlogik

Seit Russlands Überfall auf die Ukraine steht die Verletzlichkeit der globalen Lieferketten auch bei der Nahrung im Fokus. SVP-Kreise nutzen das, um Angst vor jeder Alternative zur industriellen Landwirtschaft zu schüren. So behauptete SVP-Präsident Marco Chiesa an der Medienkonferenz der MTI-Geg­ner:in­nen, die Initiative gefährde die Versorgungssicherheit der Schweiz. Das ist Blödsinn: Alle, die sich auch nur oberflächlich mit Landwirtschaft beschäftigen, wissen, dass mit Pflanzen mehr Menschen ernährt werden können als mit Tieren.

Wir brauchen einen anderen Umgang mit Tieren. Im Zentrum der Debatte sollten nicht einzelne tierquälerische Betriebe stehen, sondern die Profit- und Effizienzlogik, die Lebewesen Gewalt antut – den Tieren wie den Menschen, vor allem jenen, die all diese Tiere töten müssen. Das Ziel ist klar: die Tierzahlen so radikal zu senken, dass für jedes Tier ein würdevolles Leben möglich ist. Und es von der Geburt bis zum Tod sorgfältig zu behandeln: Tötung auf dem Hof ist heute mit strengen Auflagen erlaubt, und sie sollte Standard werden. Letzteres ist nicht Teil der Initiative. Trotzdem ist sie ein entscheidender Schritt auf diesem Weg.