Pop: Das Glühen im Geflecht

Nr. 38 –

Erst sagt er es lebhaft, dann gereizt, kippt in Verzweiflung, gibt dem Groove wieder Raum zum Schwingen, bevor stufenweise blanke Wut ausbricht. Das Wort ist immer dasselbe, eine leere Form, die erst mit Bedeutung aufgeladen werden muss: «active». Minuten dauert diese furiose Belebung, Coby Sey lässt das epische «Response» damit ausklingen, das Herzstück seines ersten Soloalbums «Conduit». Ein leicht schizoides, aber doch eher zuversichtliches Saxofon kreist da über einem dunkel pochenden, verschleppten Beat, bevor Sey in der Hälfte mit bekräftigender Stimme zu rappen beginnt. Immer wieder ziemlich düstere Grossstadtmusik aus London ist das, aber irgendwo glüht immer Hoffnung mit.

Coby Sey hat viele Talente, tritt als Rapper, Produzent und Musiker in Erscheinung und lässt sich auf diverse Verbindungen ein. Diesen Sommer war er in der Schweiz an zwei Festivals in unterschiedlichen Besetzungen zu sehen: An der Bad Bonn Kilbi spielte er mit Mica Levi und Brother May als Curl ein sehr freies, im Moment und im Kollektiv ausgeklügeltes elektronisches Set mit Ausschweifungen zum Rap; am B-Sides auf dem Sonnenberg in Kriens begleitete er mit wenigen Instrumenten und subtilen Handgriffen den schmucklosen und ungemein präsenten Auftritt der Sängerin Tirzah. Und auf den bislang zwei Alben von Tirzah ist er je einmal als feinfühliger Sänger zu hören.

Nun, von den kollektiven Geflechten zum Soloalbum gewechselt, beginnt Coby Sey nicht etwa, sich selber hell auszuleuchten. Am deutlichsten erscheint er in «Onus», wo er mit erzählerischer Stimme zu Pianoakkorden von starken Banden in harten Zeiten rappt. Anders in «Etym», da spricht Sey wachsam zu cineastischen Sounds, bevor die Konturen seiner Stimme hinter einem ratternden Beat verschwinden. Im obsessiven Techno von «Night Ride» dienen die ineinander verkeilten Wörter in erster Linie als Material für Sounds und zur Erweiterung des Beats; vor allem eines blitzt immer wieder aus dem Geflecht heraus: «try».  

Live: Bern, Dampfzentrale, Saint Ghetto Festival, Sa, 19. November 2022.

CD-Cover von «Conduit»

Coby Sey: «Conduit». AD 93. 2022.