Leser:innenbriefe

Nr. 41 –

Ausbeuterische Geschäfte

«Indonesische Revolution: Die ehemalige Kolonie und die Spur der Gewalt», WOZ Nr. 40/22

Die Buchbesprechung zu «Revolusi» hat mich als ehemaligen Churer daran erinnert, dass auch arme Kantone von der Kolonisierung profitieren konnten. So zeugt in Chur das Kunsthaus in der ehemaligen Villa Alexandria mit ihren Sphingen an der Gartentreppe von den ägyptischen Baumwollplantagen der von Planta, während im Kellergeschoss des Rhätischen Museums eine lädierte Mumie in ihrem bunten Sarkophag bei den Kindern damals wohlige Schauer hervorrief. Und am Bahnhof steht noch die Villa Sumatra, das Wohnhaus des Gründers der Schokoladenfabrik Chur, der den Kakao aus Indonesien bezog. Die Schweiz betont ja gerne, dass sie keine Kolonien besass, finanziell war sie aber stets an ausbeuterischen Geschäften beteiligt.

Max Hilfiker, Zürich

Kritik am Lonely Lurker

«Zoo: Neugasse-Areal: Coup oder Bumerang?», WOZ Nr. 39/22

Offenbar wird auch euer «streunender Wolf» manchmal an der Leine ausgeführt. Wenn ihn «Herrchen» auf der Josi dann an einem herumliegenden Tageskäseblatt schnuppern lässt, heisst das noch lange nicht, dass er Fährte aufgenommen hat. Nein, der Verein Noigass, der die Initiative zum Neugassareal lanciert hat, ist nicht die AL (Alternative Liste). Wer irgendeinen realen Bezug zum Kreis 5 hat und gelegentlich mit Menschen in dieser Gegend kommuniziert, weiss das. Befindet sich die Redaktion der WOZ im Kreis 5?

Geradezu hinterhältig ist die vollkommen abstandslose Übernahme des Narrativs von SBB Immobilien / Stadtrat / FDP bezüglich der «Wohnbauverhinderung». Der «Streuner» wird damit weder der Einfachheit der (von einer Mehrheit angenommenen) Forderung nach hundert Prozent zahlbaren Wohnungen im Zentrum von Tsüri gerecht noch der Komplexität der noch lange nicht abgeschlossenen Auseinandersetzung mit dem mächtigen Player SBB Immobilien. Das nächste Mal, lieber Golf-Rolf-Wolf, nach dem Marketingleimschnüffeln an der Hausecke bei uns zuerst ausschlafen!

Daniel von Rüti, Vorstandsmitglied Verein Noigass, Zürich

Gerne hätte ich diesen Wolf getroffen, sicher war es nicht der Richi Wolff, der gut informiert ist. Die Noigass-Initiative hat einen Nerv der Stadtbevölkerung getroffen, vor allem mit den 62,7 Prozent Ja-Stimmen am deutlichsten im Kreis 4/5. Vor allem wir Bewohner:innen dieser Quartiere sind das kleine Trüppchen, das diese Power hatte, gegen die Profit-SBB anzutreten. Dass der Wolf nun alles nachplappert, was er beim Herumschnuppern hört, ist sehr einfach. Schade, kann er nicht lesen, dann hätte ihm die Noigass-Saga auf der Noigass-Website die Augen geöffnet, und er hätte klügere Gedanken geäussert.

Astrid Müller, Zürich

Nur gemeinsam

«Gastbeitrag: Eine Allianz gegen die Blockade», WOZ Nr. 39/22

Herzliche Gratulation zum Gastbeitrag, der eine Allianz der Linken gegen die Blockade fordert, um die nächsten Wahlen zu gewinnen. Das bedingt, geschlossen eine neue, verständliche, medienwirksame Erzählung zu bringen. Nur gemeinsam schaffen wir die für Natur, Tiere und Menschen dringend notwendige politische Erneuerung.

Maria Müller Staub, per E-Mail

Klimanotstand

«Solaroffensive: In irrem Tempo an der Verfassung vorbei», «Staatsrecht: ‹Das ist eine Destabilisierung›», beide WOZ Nr. 40/22

Wenn, wie der Staatsrechtsprofessor Alain Griffel sagt, die Bundesversammlung bei der Solaroffensive und im Fall der Grimselstaumauer die Kompetenzen der Kantone angreift und die Verfassung umgeht, ist dies bedenklich. Die akut drohende Energienotlage soll dies rechtfertigen. Das Dilemma zwischen der Förderung von erneuerbaren Energien und dem nachhaltigen Schutz wertvoller Naturräume ist altbekannt. Leider ist im Parlament das Vorantreiben neuer Energiegrossbauprojekte zum Erhalt unserer Konsumgesellschaft mehrheitsfähiger als der Schutz wertvoller Biotope.

Jedoch scheinen Krisen wie die Pandemie oder die Energiekrise neue Mittel zu rechtfertigen, und in Krisenzeiten kann die Gewaltenteilung anscheinend umgangen werden. Deshalb möchte ich an dieser Stelle den Blick auf das drängendste Problem richten: Es liegt auf der Hand, dass die Klimakrise weit langwierigere und umfassendere Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft mit sich bringt als die bevorstehende Energieknappheit.

In der Stellungnahme des Bundesrats vom 29. Mai 2019 zur Ablehnung der Motion «Klimanotstand ausrufen» der Nationalrätin Samira Marti steht Folgendes: «Die Ausrufung des Notstands würde der Dimension der potenziellen Gefahr für Mensch und Ökosystem zwar gerecht. Es gilt aber festzuhalten, dass der Bundesrat auch bei Gesetzgebungsvorhaben unter dem Titel des ‹Klimanotstands› an die Kompetenzverteilung der Bundesverfassung gebunden wäre und somit keine Vorschriften erarbeiten könnte, die in kantonale oder kommunale Kompetenzen eingreifen.»

Diese Argumente scheinen bei den neusten Beschlüssen vom Tisch zu sein. Konsequenterweise ist darum auch die Ausrufung des Klimanotstands erneut zu beurteilen – anhand der neuerdings angewendeten Entscheidungspraxis! Denn in Anbetracht der drängenden Situation ist es nicht nur fair, sondern auch notwendig, dass Zugeständnisse von allen gemacht werden und Probleme nicht nur auf dem Buckel derer mit der kleinsten Lobby gelöst werden. Es braucht eine allgemeingültige Gesetzesgrundlage für einen zukunftsorientierten Umgang mit der Klimakrise.

Lisa Walder, Zürich