Theater: «Bitte beantworten Sie die Frage mit Ja oder Nein!»

Nr. 48 –

Was passiert, wenn ein SVP-Politiker richtig in die Mangel genommen wird? Ein eindrückliches Stück im Sogar-Theater macht die Probe aufs Exempel – und sorgt für Ärger im rechten Lager.

Theaterszene: SVP-Politiker Hans-Ueli Schaub (gespielt von Michael Wolf) wird von der Moderatorin (gespielt von Monika Varga) in die Zange genommen
Da hat er das Jackett schon ausgezogen: SVP-Politiker Hans-Ueli Schaub (Michael Wolf) wird von der Moderatorin (Monika Varga) in die Zange genommen. Foto: Aysa Yavas

Und dann kommt Hans-Ueli Schaub ins Schwitzen: Nach etwa fünfzehn Minuten im Radiostudio zieht der SVP-Politiker sein Jackett aus, wenig später krempelt er die Ärmel seines weissen Hemds hoch, und fast eineinhalb Stunden, viele Fragen und ein paar Gläser Wasser später versucht er verzweifelt, mit seinem Schweizer Sackmesser die Kabel im Studio durchzuschneiden.

Dabei fing alles so gut an. Die freundliche Moderatorin begrüsst den jovial wirkenden – fiktiven – Nationalrat und kann ihn für ein Interviewexperiment gewinnen: Alle Fragen, die sie ihm stellt, darf er nur mit Ja oder Nein beantworten – genau wie dies die Schweizer Stimmbevölkerung bei Abstimmungen tun muss. Sie will ihm damit zeigen, dass es problematisch sein könnte, wenn den Menschen komplexe Zusammenhänge in einfachen «Ja-/Nein-Fragen» vorgesetzt werden, wie das in der Schweiz der Fall ist. Denn das kann Schaub partout nicht nachvollziehen: «Wir machen das schon ziemlich lange ziemlich erfolgreich.» Doch schneller, als ihm lieb ist, kommt er nicht nur ins Schwitzen, sondern verheddert sich in seinen Antworten auch in Widersprüche.

Worte konsequent zu Ende gedacht

«Ja oder Nein – Eine Partei im Kreuzverhör» heisst das Theaterstück, das zurzeit im kleinen Sogar-Theater in Zürich zu sehen ist und anschliessend im Neuen Theater in Dornach gastiert. Inszeniert hat es die Regisseurin und künstlerische Leiterin des Sogar-Theaters Ursina Greuel, geschrieben der Autor Lukas Holliger. Er beschäftigt sich schon länger mit den populistischen Methoden und der radikalen Rhetorik der SVP. In seinem Stück denkt er die Worte der Partei nun konsequent zu Ende, Worte einer Partei, die auf Wahlplakaten Ausländer:innen als schwarze Schafe und Linke als Ratten oder als Maden brandmarkt. Letzteres geschah übrigens unter der Ägide des damaligen SVP-Präsidenten Albert Rösti, der heute in allen Medien als «netter» SVP-Bundesratskandidat portiert wird.

«Ich vergleiche Menschen nicht mit Insekten», antwortet Herr Schaub empört, als die Moderatorin wissen will, ob Menschen, die der Schweiz Schaden zufügen würden, mit Schädlingen vergleichbar seien. Doch etwas später antwortet er kleinlaut mit Ja auf die Frage, ob er damals das Madenplakat als treffende Metapher für den Zustand der Schweiz empfunden habe. Dass der Teufel im Detail steckt, merkt Schaub schnell. Die Moderatorin drängt ihn mit ihren Fragen, die sie emotionslos und leicht abgeändert immer wieder stellt, in die Enge. Sie hakt nach, unterbricht ihn, wenn er ins Lavieren kommt, und wiederholt beharrlich: «Bitte beantworten Sie die Frage mit Ja oder Nein!»

Grossartig spielt Monika Varga diese kühl lächelnde und mit einer fast schon unheimlich stoischen Ruhe ausgestattete Moderatorin. Und Michael Wolf glänzt in der Rolle des Hans-Ueli Schaub, der zunehmend schmallippiger wird und immer verzweifelter versucht, sich mit relativierenden Aussagen aus der Patsche zu reden. Tatsächlich vergisst man zwischendurch, dass man im Theater sitzt.

Schlicht gehalten ist die Bühne: In der Mitte des Raums steht ein kleines Stehpult, ausgestattet mit zwei Mikrofonen, zwei Wasserflaschen und Gläsern. Schaub und die Moderatorin sitzen sich zu Beginn des Interviews auf Barhockern gegenüber, schieben in der Hitze des Gefechts jedoch nicht nur die Stühle beiseite, sondern auch das Pult vorwärts, bis zuerst er und später wiederum sie mit dem Rücken zur Wand steht. Am Ende nimmt das Ganze dann eine überraschende Wendung.

Pöbeln im Theater

Dass das Stück der SVP nicht passen würde, war zu erwarten gewesen. Wie schnell jedoch Exponenten der Partei durch ihr Verhalten das Stück von der Bühne zurück in die Realität führten – und den Inhalt des Stücks dadurch ungewollt bekräftigten –, erstaunt dann doch. Ob er sich vorstellen könne, das Vorgehen der AfD, die mit Steuergeldern finanzierte Theater an den Pranger stelle, wenn diese sich kritisch mit der AfD auseinandersetzten, für die Schweiz zu übernehmen? Der fiktive SVP-Nationalrat antwortet selbstverständlich mit «Ja».

Nach der Premiere pöbelte der nicht fiktive Stadtzürcher SVP-Fraktionschef, der sich das Stück angesehen hatte, im Sogar-Theater herum. Ein Artikel in der «Weltwoche» machte Stimmung gegen den Autor Holliger, der seinen «Lohn im öffentlich-rechtlichen Dienst» beziehe, sowie gegen das Sogar-Theater, das «zu wesentlichen Teilen von den Steuerzahlern aus Stadt und Kanton Zürich finanziert» werde. Und schliesslich – Überraschung! – reichte die Zürcher SVP ein paar Wochen nach der Premiere zwei Vorstösse zum Sogar-Theater ein mit der Forderung, dem kleinen Haus die öffentlichen Gelder zu streichen. Ganz nach der Devise: Was oder wer uns nicht passt, lassen wir canceln. Oder um es in den Worten des Theaterstücks zu sagen: «Können wir den Lehrer-, Theater-, Politiker-, Akademiker- und Künstlerpranger der ‹Weltwoche› als Kompassnadel auffassen, um zu verstehen, wer der Schweiz im Ernstfall schadet?» Dreimal dürfen Sie raten, was Herr Schaub antwortet.

«Ja oder Nein – Eine Partei im Kreuzverhör» in Dornach, Neues Theater, Freitag, 2. Dezember 2022, Donnerstag, 15. Dezember 2022, und Samstag, 17. Dezember 2022, jeweils 19.30 Uhr. www.neuestheater.ch In Zürich, Sogar-Theater, Samstag, 3. Dezember 2022, 17 Uhr. www.sogar.ch