Naturschutz: Welche Art bedroht ist, entscheidet jetzt die Politik
Wissenschaftliche Berichte werden zensiert, ein Fachbegriff zeitweilig verboten, kantonale Ämter mit unklaren Vorgaben alleingelassen: Bundesrat Albert Rösti schadet dem Naturschutz – weit über das Bundesamt für Umwelt hinaus.
![Illustration von Stephan Dybus: ein Beamter schiebt Bäume und Tiere auf seinem «Spiel»-Schreibtisch umher](https://www.woz.ch/files/styles/960w/public/text/2024/2451_15_BAFU_tb-gross.jpg?itok=Ns6ZyicO)
Ob es um Wölfe geht, um Atomkraft oder um die SRG: Bundesrat Albert Rösti nutzt seinen Spielraum maximal. Während einer Wolfsdebatte im Ständerat am 3. Dezember liess er durchblicken, wie er seine Rolle im Staat sieht: «Wenn man ein Problem hat, kann man zu mir kommen, und wenn es gut läuft, haben wir innerhalb eines Wochenendes eine Lösung.»
Es gibt Politikbereiche, die kaum im Rampenlicht stehen, weil sie weniger für Schlagzeilen gut sind als Wolfsabschüsse und AKW-Pläne. Etwa die Biodiversitätsförderung. Neue Tümpel für Erdkröten, mehr Platz für Flüsse und ihre Auenwälder, die Vernetzung von Hecken verschiedener Bauernhöfe: Solche Projekte waren in den letzten Jahren kaum ein nationales Politikthema – bis zum Abstimmungskampf um die Biodiversitätsinitiative diesen Sommer.
Die WOZ hat für diesen Text mit rund einem Dutzend Biodiversitätsfachleuten gesprochen. Sie werden hier alle anonymisiert zitiert, denn sie sind in ihrer Arbeit direkt oder indirekt vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) abhängig, das dem Infrastrukturdepartement (Uvek) und damit Rösti untersteht.
«Vor der Initiative hat die Politik das Thema nie ganz ernst genommen», sagt Bignia Beer*. «Dafür gab es auch wenig politischen Druck.» Man habe in Ruhe arbeiten können. «Das ist jetzt anders. Jetzt sind wir zunehmend in einer ähnlich schwierigen Situation wie Fachleute, die mit Klimapolitik zu tun haben. Und die meisten sind darauf nicht vorbereitet.»
Der Hase muss weg
Im Bafu läuft schon länger einiges schief (vgl. «‹Wenn das Wallis hustet …›» weiter unten). Röstis Einfluss geht jedoch weit über das Bundesamt hinaus. Das hat mit dessen Struktur zu tun: Für die Fülle seiner Aufgaben ist es klein. Es vergibt darum viele Aufträge an private Beratungsbüros.
Auch diverse weitere Institutionen sind direkt von Bafu-Geldern und -Aufträgen abhängig: etwa die nationalen Datenzentren, die die Tier-, Pflanzen- und Pilzarten der Schweiz dokumentieren. Das Forum Biodiversität, das die Forschung zum Thema zugänglich macht. Oder Kora, die Stiftung für Raubtierökologie und Wildtiermanagement. Auch Unis und Fachhochschulen bekommen im Umweltbereich einen Teil ihrer Drittmittel vom Bundesamt. «Niemand will es sich mit dem Bafu verscherzen», sagt Elias Eicher*.
Doch die Gespräche zeigen: Die Irritation ist gross. Das Bafu nimmt direkt Einfluss auf wissenschaftliche Publikationen. Oder ist es Albert Rösti persönlich? Uvek-Generalsekretär Yves Bichsel? Jedenfalls wird Druck ausgeübt. Von welcher Stufe er kommt, ist für die Betroffenen oft nicht klar.
«Immer öfter kommen wissenschaftlich basierte Publikationen mit dem Rotstift korrigiert zurück», sagt Karl Kestenholz*. So zum Beispiel die Liste der «national prioritären Arten», für die die Schweiz eine internationale Verantwortung hat. Diese Arten sind selten oder gefährdet und kommen vor allem hierzulande vor. Erhoben wird die Liste nicht von einer Uni, sondern von den nationalen Datenzentren im Auftrag des Bafu. «Das Bafu entscheidet jetzt nach politischen Kriterien, welche Arten auf die Liste dürfen und welche nicht», sagt Kestenholz. «Dabei wäre die Liste eine faktenbasierte Grundlage, auf deren Basis die Politik ihre Entscheidungen treffen muss.» Toni Tanner* erzählt, ein Bafu-Sektionsleiter habe persönlich interveniert, um unter anderem den Feldhasen von der Liste zu nehmen: «Es geht um Arten, deren Management umstritten ist, weil sie bedroht sind, aber immer noch gejagt werden.»
Ausserdem habe die Bafu-Direktion dieses Jahr wegen der Biodiversitätsinitiative einen Publikationsstopp verhängt, sagt Kestenholz. «Von Frühling bis Herbst durfte man nichts publizieren, was signalisiert hätte, dass es schlecht um die Biodiversität steht.» Mehrere Fachleute erzählen, das Bafu versuche, den direkten Kontakt zwischen Forschung und Medien zu unterbinden: Eine externe Fachstelle durfte keine Journalist:innen an eine Fachtagung einladen. Eine weitere Fachstelle durfte die Kontaktnummer eines Wissenschaftlers nicht in die Medienmitteilung des Bafu schreiben und keine eigene Mitteilung machen.
Auch die privaten Beratungsbüros spürten den Druck von oben, sagt Bignia Beer. Bei Kraftwerksprojekten und anderen grossen Eingriffen in die Landschaft sind sie es, die in Gutachten beurteilen, ob das Bauvorhaben natur- und landschaftsverträglich ist. «Es wird zunehmend schwieriger, ein seriöses Landschaftsgutachten zu machen, wenn man noch Aufträge will.»
![Illustration von Stephan Dybus: Nahaufnahme des Beamten, welcher Bäume und Tiere umherschiebt](https://www.woz.ch/files/styles/960w/public/text/2024/2451_16_17_BAFU_quer_links.jpg?itok=et0zpeev)
«1984» im Bundesamt
Die Angriffe auf die Wissenschaft sind noch nicht alles. Albert Rösti und sein Stab versuchen auch, den praktischen Naturschutz zu sabotieren – mit Methoden, die an «Neusprech» aus George Orwells Dystopie «1984» erinnern. «Man darf den Begriff ‹ökologische Infrastruktur› nicht mehr brauchen»: Fast alle, mit denen die WOZ gesprochen hat, erwähnen das. Eine schriftliche Anweisung habe es nie gegeben. Aber die Bafu-Leitung habe mündlich klargemacht, dass die beiden Wörter unerwünscht seien.
Dabei ist «ökologische Infrastruktur» ein etablierter Fachbegriff, den der Bund 2012 mit seiner Biodiversitätsstrategie selbst eingeführt hat. Es gibt ein vom Bund unabhängiges Kompetenzzentrum, das diese Infrastruktur definiert als «landesweites, kohärentes und wirksames Netzwerk von Flächen, welche für die Biodiversität wichtig sind». Der Bund hat die Kantone schon 2012 beauftragt, die ökologische Infrastruktur zu planen.
«Ich finde den Begriff gut, weil er zeigt, dass es um etwas Umfassendes geht», sagt Elias Eicher. «Er zeigt die nationale Tragweite: Arten brauchen ein Netz, das das ganze Land umspannt, vergleichbar mit anderen nationalen Infrastrukturen.»
Dass die SVP den Begriff loswerden will, ist bekannt. In der Herbstsession brachte die Berner SVP-Nationalrätin Katja Riem das Thema in die Fragestunde und behauptete, die Planung der ökologischen Infrastruktur finde ohne gesetzliche Grundlage statt. Albert Rösti antwortete, die gesetzlichen Grundlagen seien gegeben, aber der Bundesrat könne «diese Kritik an der Terminologie nachvollziehen». Man werde «bei der Terminologie noch Lösungen finden».
Andrea Annen*, die an einem Forschungsprojekt über ökologische Infrastruktur beteiligt ist, ärgert sich: «Man gewinnt mit einem neuen Namen nichts, vergrault nur die Kantone. Und sorgt für Verwirrung statt Klärung.»
![Illustration von Stephan Dybus: Nahaufnahme des Beamten, welcher Bäume und Tiere umherschiebt](https://www.woz.ch/files/styles/960w/public/text/2024/2451_16_17_BAFU_quer_rechts.jpg?itok=sdm-f42j)
Kantone alleingelassen
Geht es nur darum, einen Begriff auszuwechseln – oder hat der «Neusprech» zum Ziel, die Umsetzung der ökologischen Infrastruktur zu verwässern, gar zu stoppen? Die Befragten schätzen das unterschiedlich ein. Eicher befürchtet, dass mit dem Begriff auch der gesamtschweizerische Fokus zu verschwinden droht – mit Folgen: «Es ist einfacher, kleine, regionale Naturschutzprojekte zu torpedieren als ein nationales Netz.»
Bignia Beer erzählt, dass Erfahrungen aus der kantonalen Planung der ökologischen Infrastruktur in Fachkreisen kritisch diskutiert würden: Die Wegleitung des Bafu sei zu wenig griffig. «Die Vorgaben zielen vor allem darauf ab, die Ziele der ökologischen Infrastruktur möglichst einfach zu erreichen.»
Als Mitglied der Uno-Biodiversitätskonvention hat sich die Schweiz zum «Thirty by thirty»-Ziel verpflichtet: Bis 2030 müssen dreissig Prozent der Flächen so geschützt sein, dass ihre natürliche Vielfalt erhalten bleibt. Die Schweiz hat allerdings noch nicht einmal das frühere «Aichi-Ziel» von siebzehn Prozent erreicht. Der Vielfalt des Lebens geht es in der Schweiz nicht gut, das zeigen diverse Studien. Sogar die OECD hat die Schweiz deshalb schon gerügt.
Die Wegleitung des Bafu zeigt den Kantonen, wie sie einfach auf viel Fläche kommen: So dürfen sie etwa Jagdbanngebiete anrechnen. Das sind zum Beispiel in Glarus schon achtzehn Prozent der Kantonsfläche. In Jagdbanngebieten gibt es allerdings keine Vorgaben für eine besonders biodiversitätsfreundliche Landnutzung. Man darf einfach nicht jagen (ausser in begründeten Ausnahmefällen). «Statistische Spielereien, die auf dem Papier gut aussehen – aber nicht helfen, die wissenschaftlich belegten Flächenziele für den Naturschutz zu erreichen», sagt Beer.
Vor der Abstimmung im September wurde Albert Rösti nicht müde zu betonen, die Schweiz mache viel für die Biodiversität. Das Bafu gibt sich offensichtlich Mühe, dasselbe zu «beweisen».
Auch Elias Eicher kritisiert die laschen und unklaren Vorgaben des Bafu zur ökologischen Infrastruktur: «Diese ‹Freiheit› macht es für die Kantone schwierig. Es bräuchte viel klarere Kriterien, damit die Umweltämter der Kantone gegenüber anderen Ämtern eine Chance haben, das Nötige zu planen – oder nur schon zu kommunizieren.» In der heutigen Situation gebe es keine Rückendeckung von oben: «Wenn das Bafu dem Bundesamt für Landwirtschaft nicht sagt, was nötig wäre, kann das auch ein kantonales Umweltamt einem kantonalen Landwirtschaftsamt nicht sagen.»
Bignia Beer befürchtet, dass die Planung der ökologischen Infrastruktur in dieser Form der Biodiversität nicht viel bringen wird: «Die Flächen, bei denen es Konflikte mit Eigentümer:innen geben könnte, klammert man von Anfang an aus. Damit die ökologische Infrastruktur etwas bewirkt, sollten dringend nötige ökologische Aufwertungen besser ausgehandelt und eingeplant werden, insbesondere im intensiv genutzten Mittelland.»
Die Planung der ökologischen Infrastruktur brauche eine verbindliche Verankerung in der Raumplanung, schreibt das wissenschaftlich abgestützte, vom Bund unabhängige Kompetenzzentrum Ökologische Infrastruktur: mit einem gesamtschweizerischen Konzept und dem Eintrag in die kantonalen Richtpläne. Doch dieses Ziel liegt im aktuellen politischen Klima wohl in weiter Ferne.
Auf die Bitte um Stellungnahme antwortet das Bafu, es nehme zu anonymen Aussagen nicht Stellung, und verweist ans Uvek. Auch dieses geht nicht auf die Vorwürfe ein, verteidigt aber Bafu-Direktorin Katrin Schneeberger.
«Unhaltbare Zustände»
Der grüne Neuenburger Nationalrat Fabien Fivaz wandte sich im Herbst in einer Interpellation mit dem Titel «Biodiversitätskrise. Unhaltbare Zustände im Uvek» an den Bundesrat. Er wollte unter anderem wissen, warum der Bundesrat die Biodiversitätskrise in den Abstimmungsunterlagen zur Biodiversitätsinitiative nicht erwähnt hatte – und ob er die Veröffentlichung von Berichten aus dem Bafu bewusst auf die Zeit nach der Abstimmung verschoben habe.
Der Bundesrat antwortete, er spreche bei der Biodiversität bewusst nicht von einer Krise, «die unter Umständen das Ergreifen von notrechtlichen Massnahmen erfordert». Mit dieser Antwort sei er nicht zufrieden, sagt Biologe Fivaz. «Die Existenz der Biodiversitätskrise ist wissenschaftlicher Konsens.» Sein Eindruck von Albert Rösti: «Er regiert gern allein, ohne das Parlament.» Es sei bezeichnend, wie Rösti letztes Jahr das neue Wolfsmanagement durchgedrückt habe: per Verordnung, ohne Vernehmlassung.
Kurz vor Veröffentlichung dieses Textes melden sich mehrere der Befragten: Sie hätten gehört, der Begriff «ökologische Infrastruktur» sei nun wieder erlaubt. «Das ist ja schlimmer als im Zirkus», sagt Karl Kestenholz. «Unglaublich – daran hat das Bafu also ein Jahr herumstudiert», sagt Lisa Linder*. «Kein Wunder, geht dort die wichtige Arbeit nicht voran.» Linder freut sich über das Nein zum Autobahnausbau. Es zeige, dass Albert Röstis Politik Grenzen habe. «Es ist wichtig, dass wir ihn nicht mächtiger machen, als er ist. Und vor allem nicht in Paranoia verfallen. Rösti ist kein König.»
* Name geändert.
Aussenblick aufs Bafu: «Wenn das Wallis hustet …»
Die Leitung des Bundesamts für Umwelt orientiert sich an Bundesrat Albert Röstis Wünschen. Dieser mischt sich auch auf unteren Stufen in Personalentscheidungen ein.
Im Januar liess sich Reinhard Schnidrig frühpensionieren. Der Walliser war fast neunzehn Jahre lang Chef der Sektion Wildtiere des Bundesamts für Umwelt (Bafu) gewesen – und damit oberster Leiter des Wolfsmanagements im Land. «Eidgenössischer Jagdinspektor» hiess die Stelle einst, manche nennen sie heute noch so. Journalist:innen hatte Schnidrig immer gern und kompetent Auskunft gegeben. Doch am Ende durfte (oder wollte) er nicht einmal mehr mit der NZZ reden. Dass sein Abgang mit der Wolfspolitik von Bundesrat Albert Rösti zu tun hat, ist ein offenes Geheimnis.
Zu links, der Kandidat
Das Bafu hatte schon nach kurzer Zeit einen Nachfolger für Schnidrig gefunden. Doch Rösti intervenierte persönlich: Der Kandidat sei zu links. «Das ist sehr aussergewöhnlich», sagt Umweltfachfrau Hanna Hasler*. «Die Direktionen der Bundesämter brauchen das Okay des Bundesrats, das ist klar. Aber doch nicht auf der Stufe Sektionschef!» Wie die anderen Umweltfachleute, die die WOZ befragt hat und hier anonymisiert zitiert, ist auch Hasler nicht beim Bafu angestellt. Aber sie arbeitet seit vielen Jahren mit der Sektion Wildtiere zusammen.
Danach beauftragte der Bund eine Headhunterfirma. Monatelang versuchte diese, eine:n Nachfolger:in für Schnidrig zu finden – erfolglos. «Für die Stelle wurde ein aktiver Jäger mit naturwissenschaftlichem Background gesucht», sagt Beni Bucher*, der trotz linker Überzeugungen angefragt wurde. «Aber sie waren so verzweifelt, dass sie Kriterium um Kriterium über Bord geworfen haben … Ich dachte schon, am Ende stellen sie noch einen jagenden Bauern an.» Auch Bucher hat schon einiges mitbekommen, was Albert Röstis Einmischung angeht: «Wenn das Wallis hustet wegen des Wolfs, gibts gleich eine Sitzung mit der ganzen Bafu-Direktion, Bundesrat Rösti und dem Generalsekretariat des Uvek.»
Das Amt scheine mit der personellen Situation und dem politisierten Umfeld völlig überfordert zu sein, sagt Hasler. «Es gibt keine fachlichen Diskussionen mehr, keine kompetente Projektleitung und -begleitung, alles ist auf den politischen Wind ausgerichtet.» Von Planung und Strategie im Vollzug sei aktuell nichts zu spüren.
Alle, die die WOZ befragt hat, zeichnen ein beunruhigendes Bild des Bundesamts. Gegenüber dem Uvek und Bundesrat Albert Rösti herrsche im Bafu eine Kultur des vorauseilenden Gehorsams: «Leitende Stellen im Bafu entscheiden nichts mehr – aus Angst, eins auf den Deckel zu bekommen», sagt Frank Fässler*. «Und die Direktion entscheidet so, wie sie denkt, es passe Rösti und seinem Generalsekretär Yves Bichsel. Dann müssen die gar nicht mehr selbst entscheiden.» Ähnlich erlebt es auch Toni Tanner*: «Sie gehen schon mit Minimalforderungen in die Diskussion, statt fachlich aufzuzeigen, was nötig ist. Ja niemandem auf die Füsse treten.»
«Goldener Käfig»
Seit 2020 ist die Wirtschaftsgeografin Katrin Schneeberger Direktorin des Bafu. Davor war sie stellvertretende Direktorin des Bundesamts für Strassen (Astra). Die Befragten erleben sie nicht positiv: Sie sei «null engagiert für die Sache»; man wisse nicht, wofür sie stehe; sie wirke wie ein «Apparatschik». Und sie führe autoritär: Alles laufe über ihren Tisch, alles brauche ihre Unterschrift.
Sowohl die Direktion als auch Mitarbeiter:innen der Abteilungen wirkten fachlich oft überfordert, sagen mehrere Befragte. Es gab in den letzten Jahren viele Kündigungen. «Im Bereich Biodiversität sind die ambitionierteren Leute alle weg», sagt Elias Eicher*. «Stress, Burn-out und mangelnde Kompetenzen: Seit Rösti und das rechtsbürgerliche Umfeld am Ruder sind, hat sich die Personalsituation teils dramatisch verschlechtert», sagt Hasler. Fässler findet, die Bafu-Mitarbeiter:innen wirkten deprimiert, «im Schneckenhaus». Viele seien relativ jung, hätten wenig Erfahrung: «Das Bafu ist ein goldiger Käfig: Mehr Stutz verdienst du in der Branche nirgends. Wenn du frisch ab Uni zum Bund gehst und später wechselst, hast du überall Lohneinbussen.»
Die WOZ hat das Bafu um eine Stellungnahme gebeten – und wurde ans Uvek weiterverwiesen. Dieses antwortet mit einer ausführlichen Verteidigung Schneebergers: «Unter der klaren Führung von Direktorin Katrin Schneeberger wurden die Organisationsstrukturen im Bafu verbessert […].» In die Reorganisation seien auch die Mitarbeitenden intensiv einbezogen worden. «Organisatorische Veränderungsprozesse sind immer mit Anpassungen verbunden, die nicht von allen Mitarbeitenden gleichermassen aufgenommen werden.»
Rösti und seine Kadermitarbeitenden würden unterschiedliche Standpunkte und gut begründete abweichende Meinungen begrüssen. «Sie erwarten gleichzeitig, dass diese in den dafür vorgesehenen Gefässen geäussert und die gemeinsam getroffenen Entscheide nach aussen mitgetragen werden.» Rösti schätze «den partizipativen und konstruktiven Führungsstil von Frau Schneeberger sehr».
Und die Sektion Wildtiere? Mit Urs Wegmann, dem ehemaligen Leiter der Biberfachstelle Kanton Zürich, hat das Bafu endlich einen Leiter gefunden. Er beginnt im März 2025.
* Name geändert.
Bundesbudget: Sparwut und ein untauglicher Plan
Auch Natur- und Umweltschutz bleiben von der Sparwut in Bundesbern nicht verschont. Dass der Bundesrat das Klimaschutzgesetz nicht umsetzen und die Subventionen für Nachtzüge streichen wollte (das Parlament hat den Entscheid nun teilweise korrigiert), sorgte für Empörung. Kaum diskutiert wurde hingegen, dass die Expert:innengruppe um Serge Gaillard auch das Bildungsprogramm des Bundesamts für Umwelt (Bafu) und zudem den Fonds Landschaft Schweiz (FLS) abschaffen möchte. Das drohende Ende des FLS zeigt – nicht zum ersten Mal –, wie der Natur- und Heimatschutzgedanke, einst zentral für viele Bürgerliche, an Rückhalt verloren hat. Der Fonds war ein «Geschenk» an die Bevölkerung zur 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft 1991. Er fördert vielfältige Kulturlandschaften: Kastanienselven, Obstwiesen und Schulgärten, Trockenmauern, Saumwege und sanft renovierte Alphütten. Heute verwechseln ihn wohl manche mit der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, über die sich die Rechtsbürgerlichen ärgern, weil sie nicht jedes Bergtal dem Wasserkraft- und Solarausbau opfern will.
Dabei ist der Geldmangel im Naturschutz schon lange akut. Seit Jahren kritisieren die Umweltverbände, dass es mit den bestehenden Mitteln nicht einmal möglich ist, die wichtigsten Biodiversitätsgebiete der Schweiz, die Biotope von nationaler Bedeutung, so zu pflegen, dass sich ihr Zustand nicht verschlechtert. Auch auf der Bafu-Website steht: «Die Qualität und Vernetzung vieler Gebiete von nationaler Bedeutung sind ungenügend.»
Für die nächsten vier Jahre sah der Bundesrat eine Erhöhung des Kredits Natur und Landschaft um total 276 Millionen Franken vor. Die Kantone, laut Verfassung für den Natur- und Heimatschutz zuständig, bräuchten dieses Geld dringend. Doch die Umweltkommission des Nationalrats schlug im Sommer vor, die Erhöhung zu streichen, das Parlament folgte ihr.
Ende November hat das Bafu nun den überfälligen Aktionsplan Biodiversität für die nächsten sechs Jahre veröffentlicht (siehe WOZ Nr. 45/24). Die Umweltverbände kritisieren ihn scharf. Die vorgesehenen 24 Millionen Franken für sechs Jahre seien lächerlich wenig, sagt Birdlife-Geschäftsführer Raffael Ayé. Ein ernsthafter Aktionsplan hätte neben anderen Aufgaben allermindestens zum Ziel, die Biotope von nationaler Bedeutung in absehbarer Zeit zu sanieren. Das hiesse: genug Mittel, um etwa Moore vor dem Austrocknen zu schützen oder artenreiche Trockenwiesen gut zu pflegen.
«Es braucht auch klare Ziele, was alle Sektoren von Politik und Wirtschaft zur Biodiversität beitragen können», sagt Ayé. Im neuen Aktionsplan seien nur «Prüfaufträge» für einige Bundesämter vorgesehen. «Man weiss seit Jahrzehnten, dass es der Biodiversität schlecht geht! In der Biodiversitätsstrategie von 2012 hiess es, alle Sektoren müssten etwas beitragen.» Kein Ziel von 2012 sei erreicht worden. «Was ist in diesen zwölf Jahren passiert? Man hat die Ziele nach unten angepasst statt die Massnahmen den Zielen.»