Nobelpreisverdächtig

Le Monde diplomatique –

Präsident Theodore Roosevelt, der „mit dem großen Knüppel“, sah Lateinamerika als „Hinterhof der USA“, wo Washington intervenieren durfte, sobald es seine Interessen bedroht sah. 1903 unterstützte Roosevelt separatistische Gruppen in der kolumbianischen Provinz Panama, um die Kontrolle der USA über den geplanten Kanal zu sichern. Drei Jahre danach bekam er für seine Vermittlung im Russisch-Japanischen-Krieg den Friedensnobelpreis.

General George Marshall hatte als US-Generalstabschef die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki mit zu verantworten. Im Kalten Krieg organisierte er als Trumans Außenminister eine der ersten Einmischungsaktionen in Italien. Um den Einfluss der Kommunistischen Partei Italiens (PCI) einzudämmen, finanzierte das State Department die konservative Democrazia Cristiana. Einen Monat vor den Wahlen vom April 1948 warnte er öffentlich, ein Sieg der PCI bedeute den Ausschluss Italiens aus dem Wiederaufbauprogramm für Europa. Für diesen „Marshallplan“ bekam er 1953 den Friedensnobelpreis verliehen.

Auch Henry Kissinger war ein Fan der Destabilisierung. Als Salvador Allende 1970 in Chile bei den Präsidentschaftswahlen vorne lag, wollte der Sicherheitsberater Präsident Nixons „nicht tatenlos zuschauen, wenn ein Land kommunistisch wird, weil das eigene Volk unverantwortlich handelt“. Allende wurde dennoch gewählt und Kissinger gab grünes Licht für den Militärputsch vom 11. September 1973. Fünf Wochen später wurde dem Gönner der blutigen Pinochet-Diktatur der Friedensnobelpreis zuerkannt – für den Waffenstillstand mit dem von den USA zerbombten Vietnam.

Als Barack Obama 2009 den Preis zugesprochen bekam, hatte er – noch kein Jahr im Amt – bereits einen Staatsstreich gegen den honduranischen Präsidenten Zelaya unterstützt. Danach ließ er Afghanistan, den Irak, Libyen und Syrien bombardieren und in Jemen oder Pakistan systematische außergerichtliche Hinrichtungen durchführen – also Menschen auf bloßen Verdacht hin umbringen.

Bei diesen Vorläufern war Trumps Hoffnung, 2025 den Preis zu erhalten, durchaus berechtigt. Auch er schickte Truppen in die Karibik. Auch er betrieb Erpressung mit der Drohung, Argentinien finanziell zu strangulieren, falls sein Freund Javier Milei die Wahl verlieren sollte. Auch er ordnet gezielte Tötungen an und lässt in internationalen Gewässern venezolanische „Drogenhändler“ umbringen, ohne irgendwelche Beweise vorzulegen. Auch er plant einen Staatsstreich gegen die aufmüpfige Regierung Maduro in Venezuela.

Es reichte trotzdem nicht. Das Komitee in Oslo kürte die Venezolanerin María Corina Machado, die seit 20 Jahren eine ausländische Intervention gegen ihr eigenes Land fordert. Und die eine Woche nach ihrer Nominierung Benjamin Netanjahu zu seinem „entschlossenes Handeln“ im Gazakrieg gratulierte. Derweil verarbeitet Trump seinen Frust, indem er einen neuen Feldzug plant. Diesmal gegen Kolumbien. Für den Nobelpreis 2026 könnte es noch reichen.

Seit Jahrzehnten übergeht das Nobelkomitee Dissidenten wie Julian Assange oder Edward Snowden, die für eine andere Art Frieden wirken. Die scheiden aus, weil sie vor der falschen Haustür kehren – nämlich unserer eigenen. 

Benoît Bréville​