Italien nach den Wahlen: Aus den Zeiten des Faschismus

Nr. 39 –

Es ist ein glänzender Sieg für die Rechte, ein glänzender Sieg vor allem für Giorgia Meloni. Und es ist eine verheerende Niederlage für das Mitte-links-Lager, ein Debakel vor allem für den Partito Democratico (PD) und seinen Vorsitzenden Enrico Letta. Die Rechtsallianz gewann 44 Prozent der Stimmen; allein auf Giorgia Melonis postfaschistische Partei Fratelli d’Italia entfielen 26 Prozent.

Zum glänzenden Sieg allerdings wurde das Wahlresultat aus einem einzigen Grund: Während sich die Rechte im Bündnis vereint präsentierte, hatte sich das Mitte-links-Lager zerlegt. Drei Jahre lang hatten der gemässigt linke PD und das Movimento Cinque Stelle (M5S – Fünf-Sterne-Bewegung) zusammen regiert, erst in einer Koalition unter dem Ministerpräsidenten Giuseppe Conte, dann in der Fast-Allparteien-Notstandskoalition unter Mario Draghi. Doch weil Conte – mittlerweile Chef der M5S – diese Notstandskoalition im Juli hatte platzen lassen, kündigte Letta von einem Tag auf den anderen die eigentlich von beiden anvisierte Wahlallianz PD-M5S auf.

Die Hälfte der Bevölkerung stimmte für ein weltoffenes Italien.

Schon damit wurden die Siegeschancen der Linken auf ein Minimum reduziert. Völlig zunichtegemacht wurden sie dann, als überdies Lettas Versuch scheiterte, wenigstens ein Bündnis mit der Listenverbindung der beiden kleinen, auf liberalem Kurs segelnden Mitteparteien Italia Viva und Azione zu schmieden. So zog das Mitte-links-Lager mit drei getrennten Formationen in den Wahlkampf. Mit der Folge, dass es bei den Direktmandaten in den Wahlkreisen – sie machen immerhin 37 Prozent der Sitze in Kammer und Senat aus – völlig chancenlos war.

Und es kam, wie es kommen musste. Zwar hatten die Mitte-links-Kräfte am Ende fast fünfzig Prozent der Stimmen, deutlich mehr als die Rechte, doch der Rechtsblock stellt jetzt 237 der 400 Abgeordneten, 115 der 200 Senator:innen.

Und: Italiens nächste Ministerpräsidentin heisst Giorgia Meloni. Zwar verzichtete sie im Wahlkampf auf schrille Töne, doch dies ändert nichts an ihrer stockreaktionären und nationalistischen Haltung. Die Hälfte der Bevölkerung stimmte für ein weltoffenes Italien, das die Rechte der Minderheiten respektiert und stärkt, das Migrant:innen gegenüber offen ist und ihren Kindern die Staatsbürgerschaft einräumt, ein Italien, das fest in Europa verankert ist.

Melonis Agenda steht quer dazu. «Gott, Vaterland, Familie» – dieses Motto hat sie aus den Zeiten des Mussolini-Faschismus ins 21. Jahrhundert hinübergerettet. Von wegen Rechte und Respekt für die LGBTIQ-Community – Meloni ist gegen den «Genderwahnsinn». Von wegen automatische Gewährung des italienischen Passes an in Italien geborene Kinder von ausländischen Eltern – Meloni empört sich, man könne die «Staatsbürgerschaft nicht einfach verschenken». Von wegen Italien als Integrationsmotor in Europa – Meloni verficht, ganz wie Polen und Ungarn, den «Vorrang des nationalen Rechts vor dem EU-Recht».

PD-Chef Enrico Letta hat völlig recht, wenn er sagt, Italien werde jetzt «die rechteste Regierung seit 1945» bekommen. Erstmals in Westeuropa kommt mit ihr eine klar von harten Rechtspopulist:innen dominierte Exekutive an die Macht. Und Letta zog die richtige Konsequenz: Er kündigte seinen Rückzug als Parteivorsitzender an; wohl im Januar soll sein:e Nachfolger:in gewählt werden. Nur 19 Prozent erreichte der PD – und blieb damit beim katastrophalen Resultat der Wahlen von 2018 hängen. Selbst in seinen früheren Hochburgen, in der Emilia Romagna und der Toskana, verlor er flächendeckend Direktmandate an die Rechte, und in den ärmeren Bevölkerungsschichten gehen die Leute entweder gar nicht wählen oder aber sie stimmen entweder für die Rechte oder für die mit einer progressiven Sozialagenda angetretenen Fünf Sterne.

Um eine Allianz mit den Fünf Sternen wird der PD nicht herumkommen. Doch damit ist es nicht getan, auch nicht mit einem neuen Gesicht an der Spitze. Wenn die Partei nicht zwischen dem M5S und der Mitteallianz zerrieben werden will, muss sie endlich eine glaubwürdige sozial-ökologische Agenda entwickeln.