Diesseits von Gut und Böse: Ein Mann, ein Weg

Nr. 45 –

Menschen haben Träume, und viele verfolgen den ihren schon als Kind. Doch da sich die Anzahl offener Astronauten- und Tierärztinnenstellen in Grenzen hält, gelingt den meisten in anderen Berufen ein zufriedenes Leben. Auch der kleine Daniel J. hatte einen Traum, den er aber für sich behielt – zu sehr fürchtete er, ausgelacht zu werden, wenn er laut sagen würde: Ich werde Bundesrat! Da er sich schon früh als intelligent und fleissig erwies, studierte er Jus, promovierte, habilitierte und wurde ein ordentlicher Rechtsprofessor. Aber seinen Traum vergass er nie.

Daniel trat der Grünen Partei bei, wechselte aber zur SP, als er merkte, dass sich bei den Grünen sein Herzenswunsch niemals erfüllen würde. Als ihm erst als Nationalrat und dann als Ständerat der Einsitz ins Eidgenössische Parlament gelang, rückte sein Traumjob näher. Da es dort aber nur sieben zu besetzende Stellen gibt, passte er auf wie ein Schiesshund, um seine Chance nicht zu verpassen – und da war sie plötzlich!

Eine schlaflose Nacht lang überlegte er schöne Sätze für seine Bewerbung, um am nächsten Tag zu hören, dass diese woken Thirtysomethings, die sich jetzt Parteileitung nennen, nur weibliche Bewerbungen zulassen wollten, den zweiten SP-Sitz belege ja schon ein Mann. Daniel schäumte – natürlich nur innerlich. Das kann man mit mir nicht machen!, dachte er zähneknirschend. An einer Pressekonferenz bekannte er vor der Nation: Ich will, und ich kann! Und wenn ihr mich nicht lasst, weil ich ein Schnäbi habe, ist das diskriminierend und ein Verfassungsbruch! Da war er wieder, der kleine Daniel.

Seine greise Mutter sass derweil kopfschüttelnd vor dem Fernseher und sagte leise: Ach, wenn er gekränkt ist, konnte er noch nie klar denken.