Die türkischen Luftangriffe in Nordostsyrien rücken auch die Gefangenenlager Al-Hol und Roj wieder in den Fokus: Noch immer leben dort circa 56 000 Angehörige von IS-Kämpfern, darunter auch mehrere Schweizerinnen mit Kindern. Vor knapp einer Woche starben bei einem Angriff auf das Al-Hol-Lager sieben kurdische Sicherheitskräfte. Sechs Insass:innen gelang die Flucht, kurz darauf wurden sie wieder gefasst. Die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), die das Gebiet kontrollieren, warnen: Startet die Türkei eine Bodenoffensive, könnten die Lager nicht mehr genügend bewacht werden (vgl. «‹Das Ziel ist es, Furcht zu verbreiten›»). Deshalb fordern die SDF die verantwortlichen Staaten – einmal mehr – dazu auf, ihre Bürger:innen endlich zurückzuholen.

Damit tut sich die Schweiz schwer. Sie hält am Bundesratsentscheid von 2019 fest, Erwachsene nicht aktiv zurückzubringen. Demgegenüber haben rund drei Dutzend Länder – darunter Deutschland, Finnland und Dänemark – seit 2019 die meisten ihrer Staatsangehörigen zurückgeholt.

Die Schweiz strebt hingegen eine Strafverfolgung im Tatortstaat nach internationalen Standards an. Den SDF aber fehlt es an Ressourcen und Unterstützung für ein internationales Tribunal. Eine Pattsituation: Die Insass:innen werden weiterhin willkürlich festgehalten, ohne dass ein Gericht je ihre Inhaftierung geprüft hätte. Zugleich besteht die reale Gefahr, dass die mutmasslichen Dschihadist:innen unkontrolliert freikommen.

Wenigstens zeigt sich die Schweiz bereit, eine Rückführung von Kindern zu prüfen – jedoch ohne deren Mütter. Dass zurückgeholte Kinder sich auch nach jahrelanger Haft schnell und gut in ihren Heimatländern integrieren, zeigt ein neuer Bericht von Human Rights Watch. Die Trennung von der Mutter jedoch könne zu erheblichem emotionalem und psychologischem Stress führen, so die NGO.

Die Schweiz muss endlich Verantwortung übernehmen und ihre Staatsangehörigen – die Kinder samt ihren Müttern – aus den Gefangenenlagern zurückholen.