Rentenreform in Frankreich: Macron macht Ernst

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Eine unendliche Geschichte geht weiter: Auch 2023 steht die Reform des Rentensystems oben auf Frankreichs politischer Agenda. Präsidenten unterschiedlicher politischer Couleur beissen sich daran seit Jahrzehnten die Zähne aus. Emmanuel Macron wollte die Reform schon in seiner ersten Amtszeit angehen, doch im Strudel der Gelbwestenproteste und wochenlanger Streiks zog er sie zunächst zurück, später verschob er sie wegen der Coronakrise mehrmals.

Nun lanciert seine Regierung den nächsten Versuch. Das Renteneintrittsalter, so Premierministerin Élisabeth Borne am Dienstag, soll sukzessive von 62 auf 64 Jahre steigen. Zudem müssen Arbeitnehmer:innen ab 2027 mindestens 43 Beitragsjahre aufweisen, um die volle Rente zu erhalten. Als Trostpflaster kündigte Borne eine Anhebung der Mindestrente auf 1200 Euro pro Monat sowie Sonderregelungen für schwere körperliche Arbeit an. Was aber viele erbost: Die Rentenkassen verzeichnen eigentlich Überschüsse. Die Regierung will Frankreichs Wettbewerbsfähigkeit stärken und mit zusätzlichen Mehreinnahmen Staatsschulden abbauen.

Studien zeigen aber, dass ein höheres Rentenalter die Altersarmut ansteigen lässt. So leben etwa in Deutschland, wo man ab 67 beziehungsweise 65 Jahren die volle Rente bezieht, dreimal so viel Rentner:innen in Armut wie in Frankreich. Statt aber diese soziale Errungenschaft zu schützen, riskiert Frankreichs Regierung eine gesellschaftliche Schieflage nach deutschem Vorbild: Wer in einem schlecht bezahlten Beruf arbeitet, der aufgrund körperlicher Abnutzung eine geringere Lebenserwartung mit sich bringt, wird nach der Erwerbstätigkeit insgesamt noch weniger Rente beziehen als bisher.

Nahezu alle grossen Gewerkschaften haben bereits Widerstand angekündigt und rufen für den 19. Januar zu einem ersten grossen Streik auf. Nun fragt sich, wer den längeren Atem hat: In seiner ersten Amtszeit hat Macron dem Druck von der Strasse nachgegeben – mit Blick auf seine Wiederwahl. Weil er kein drittes Mal kandidieren darf, könnte er alles auf eine Karte setzen und die angekündigten Streiks einfach auszusitzen versuchen. Sein Problem: In Frankreich können Streiks und Demonstrationen lang und heftig werden. Die Schlacht um die Rente ist noch lange nicht entschieden.