Im Affekt: Tür zu, Kater tot

Nr. 5 –

«Zug überfährt Katze in Paris – Innenminister ausserordentlich schockiert»: Man liest die Meldung und fragt sich: Ist schon 1. April? Mais non, der Fall des am Gare Montparnasse überrollten Mischlingskaters Neko sorgt in Frankreich tatsächlich für erhitzte Gemüter, und zwar nicht nur bei Minister Gérald Darmanin.

Ende Januar war ein Kater seiner Besitzerin und deren Tochter auf dem Bahnsteig entwischt und hatte sich unter einem TGV versteckt. Der Zug fuhr trotzdem los. Nun steht die Bahngesellschaft SNCF in der Kritik: Zehntausende fordern in einer Onlinepetition Regeln, was in solchen Fällen zu tun sei, um ähnlich Tragisches künftig zu vermeiden. Die SNCF wiederum entgegnet, dass ihre Mitarbeiter:innen Neko nicht vom unter Hochspannung stehenden Gleis bergen konnten.

Das ist natürlich eine recht bürokratische Verteidigungsstrategie, man hätte ja auch den Strom am Bahnhof abstellen und den Zugverkehr in Paris lahmlegen können, bis das Katerchen endlich wieder eingefangen ist. Trotzdem mutet es zynisch an, dass nun so viel Gewese um einen Vierbeiner gemacht wird, während der halbe Planet in Flammen steht.

Dass aber gerade das Schicksal von Haustieren bewegt, während das Leid anderer Lebewesen (Nutzvieh oder Menschen etwa) ausgeblendet wird, hat System. Als die deutschen Behörden vor ein paar Jahren einen Hund («Chico») einschläfern wollten, weil dieser zwei Menschen getötet hatte, gingen empörte Bürger:innen auf die Strasse. Ein paar Monate später polemisierte eine deutsche Kolumnistin, dass Haustierhaltung ein Problem fürs Klima sei und deswegen eigentlich verboten gehöre – und erntete Morddrohungen.

Obacht also, ehe man Unbedachtes im Fall des Pariser Katers äussert. Immerhin aber sollte die Frage erlaubt sein: Wenn Innenminister Darmanin nun seine Polizist:innen für den Kampf gegen Tierquälerei schulen lassen will – wäre es im Fall von Polizeibehörden nicht naheliegender, das Problem der Demonstrierendenquälerei anzugehen?

Wahre Tierfreund:innen wissen übrigens, dass Katzen selbst wenig zimperlich sind: Jährlich morden sie Abermillionen Vögel.