Leise Hoffnung in Tschechien: Ahoj, Herr General!

Nr. 5 –

Mit dem ehemaligen Nato-Funktionär Petr Pavel erhält die Tschechische Republik einen proeuropäischen Präsidenten, der das Land stabilisieren wird. Nur: für wie lange?

Petr Pavel
Schaffte es, auch einstige Konkurrent:innen hinter sich zu scharen: Petr Pavel nach seinem Wahlsieg vom Samstag. Foto: Lukáš Kaboň, Getty

Präsidentschaftswahlen in Tschechien erregen normalerweise kein grosses internationales Interesse. Das war bei der Wahl vom letzten Wochenende für einmal anders. Aus gutem Grund, denn letztlich ging es um die Frage, welche Rolle das mitteleuropäische Land in Bezug auf den Krieg gegen die Ukraine künftig spielen wird: Bleibt es ein aktiver Unterstützer der ukrainischen Seite, sei es mit Waffenlieferungen oder bei der Aufnahme von bisher knapp 500 000 Geflüchteten? Oder fährt es seine humanitäre und militärische Hilfe zurück und konzentriert sich auf die Innenpolitik, die mit einer hohen Inflation, steigenden Energiepreisen und teils akuter Wohnungsnot durchaus vor grossen Herausforderungen steht?

Die Antwort fiel deutlich aus: Fast sechzig Prozent der Wähler:innen stimmten am vergangenen Samstag für den 61-jährigen, unabhängigen Kandidaten Petr Pavel. Der ehemals hochrangige Nato-Funktionär – Spitzname «der General» – positionierte sich klar proeuropäisch und garantierte uneingeschränkte Unterstützung für die Ukraine. Für die prägendste politische Figur des letzten Jahrzehnts hingegen, den Populisten und Milliardär Andrej Babiš, endete die Wahl mit einer bitteren Niederlage.

Bündnispolitik als Erfolgsfaktor

«Mein erster Gedanke war: Das ist ein furchtbarer Slogan: ‹Ruhe und Ordnung›. Damit erreicht Petr Pavel doch niemanden», sagt Anna Durnova. Doch mit der Zeit, so die aus Brünn stammende Professorin für politische Soziologie an der Universität Wien, habe sich gezeigt, dass der Slogan ziemlich schlau gewesen sei: «Die beiden letzten Präsidenten, Václav Klaus und Miloš Zeman, sorgten immer wieder für Skandale und Missstimmung. Klaus inszenierte sich als rücksichtsloser Kämpfer gegen die EU, Zeman posierte einst öffentlich mit einer Kalaschnikow-Attrappe samt der Aufschrift ‹Für Journalisten›.» Die Geduld vieler Bürger:innen sei überstrapaziert worden, ihnen sei es ein Anliegen gewesen, sich im Ausland nicht mehr dermassen zu blamieren, sagt Durnova. «Babiš ist als Person zu polarisierend und skandalträchtig, immer wieder sieht er sich handfesten Korruptionsvorwürfen ausgesetzt. Pavels Inszenierung als ordnungsstiftender Staatsmann war sinnvoll.»

Neben der richtigen Strategie und einem versierten Wahlkampfteam, das sich keine groben kommunikativen Schnitzer leistete, gab es einen weiteren Grund für den Wahlerfolg des «Generals»: «Nach dem ersten Wahlgang, bei dem Pavel und Babiš praktisch gleichauf lagen, haben sich die drittplatzierte Kandidatin und der viertplatzierte Kandidat bedingungslos hinter Pavel gestellt.» Diese «Bündnispolitik», so Anna Durnova, habe sich bereits im Herbst 2021 bewährt. Damals war es einer breit aufgestellten Koalition aus fünf Parteien unter Federführung der proeuropäischen, wirtschaftsliberalen Partei ODS gelungen, Babiš und seine Ano-Partei aus der Regierung zu drängen. Bis dahin waren Tschechiens Parteien notorisch untereinander zerstritten.

Bewegung am linken Rand

«Die Wahl von Petr Pavel wird die aktuelle Regierung stützen und stärken», sagt Kai-Olaf Lang, Politologe und Osteuropaexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik. Besonders aussenpolitisch vertrete Pavel dieselben Positionen, also ein klares Bekenntnis zur EU und zur Nato. Offen bleibe, ob er eigene Akzente oder Schwerpunkte setzen werde. «Ein erstes Ausrufezeichen war das Telefonat mit der taiwanesischen Präsidentin Tsai Jing-wen kurz nach seiner Wahl – eine bewusste Provokation gegenüber China», so Lang. Pavel stellte sogar ein Treffen in Aussicht. Angesichts der hohen wirtschaftlichen Abhängigkeit Europas von China bleibe allerdings abzuwarten, wie weit diese offensive Unterstützung Taiwans gehen könne.

Auch die Soziologin Anna Durnova teilt die Einschätzung, dass die Wahl Pavels stabilisierend wirke: «Zumindest bis 2025, dann stehen die nächsten Parlamentswahlen an.» Trotz der erneuten Wahlniederlage werde Babiš nämlich nicht von der politischen Bühne verschwinden. «Die Frage ist nur, ob er selbst als Spitzenkandidat antreten oder die Ano-Partei aus dem Hintergrund heraus führen wird.» Bereits nächste Woche will sich Babiš konkret zu seiner politischen Zukunft äussern.

So oder so: Der neue Präsident und die aktuelle Regierung müssen auf jeden Fall mit einer starken Opposition rechnen. Babiš, der mehrere tschechische Zeitungen besitzt, wird eine mächtige politische Figur bleiben. Widerstand kommt auch von der rassistischen und prorussischen Partei SPD, die bei den letzten Wahlen fast zehn Prozent der Stimmen erhielt.

In Abgrenzung zur wirtschaftsliberalen Regierungskoalition setzt die Ano zwar immer wieder sozialpolitische Akzente, eine progressive, linke Partei ist sie aber nicht. Eine solche Alternative fehlt zurzeit. Jenseits der politischen Bühne ist aber durchaus Bewegung vorhanden: Gerade bildet sich eine Mieter:innen-Bewegung, zudem besteht eine sehr aktive Klimabewegung mit kämpferischen Organisationen wie etwa «Re-Set». Gut möglich, dass 2025 eine echte linksprogressive Wahlalternative zur Verfügung steht.