Serie: Obsessiv um die eigene Achse

Nr. 9 –

Von Nicolas Winding Refns Filmografie wird womöglich nichts so stark in Erinnerung bleiben wie der gelbe Skorpion auf Ryan Goslings weiss glänzender Bomberjacke in «Drive». Der Gedanke kommt einem wohl nicht ganz zufällig bei «Copenhagen Cowboy», der zweiten Serie des dänischen Regisseurs, die aus rätselhaften Gründen auf Netflix läuft. Refn ist unbestritten ein begnadeter Stilist, und wenn er seinen Blick auf solch charismatische Schauspielerkörper wie eben jene von Gosling oder Mads Mikkelsen richtet, kann das Ergebnis berauschend sein. Doch in «Copenhagen Cowboy» ist es zwiespältig, und zwar nicht unbedingt im guten Sinne.

Seine konsequent affektlos inszenierten Gangstermythen reichert Refn hier mit undurchschaubarer Mythologie aus Eigenkreation an – samt phallusbesessenem Vampirclan, menschenhandelnden Hexen und einem als Glücksbringer eingeflogenen Racheengel (Angela Bundalovic). Dieser setzt erst mal alles in Brand, um sich dann in sechs Folgen durch Kopenhagens verschiedene, ethnisch geprägte Gangstermilieus zu schlagen. Dabei verwendet der farbenblinde Regisseur den grösseren Umfang der zur Verfügung stehenden Zeit nicht für komplexere Plots oder ausgearbeitete Figuren, sondern hauptsächlich zum Zelebrieren seiner formalen Obsessionen.

Symptomatisch der 360-Grad-Schwenk, bei dem die Kamera zunächst auf eine Figur schaut, die auf etwas im Off reagiert – um dann quälend langsam zu diesem Ereignis zu schwenken, im Vertrauen darauf, dass Musik, Farben und Ausstattung den Weg dahin so interessant gestalten, dass man nach dem «Ereignis» bei 180 Grad gerne bereit ist, genauso langsam wieder zurück zum Ursprung zu reisen. Einmal fügt Refn diesen 360 Grad ohne narrativen Grund noch drei Drehungen mehr an. Der Vorwurf, er stelle Stil über Substanz, ist zwar langweilig, und angesichts der exzessiv mit symbolischen und mythologischen Verweisen angereicherten Story wäre er auch unfair – aber während der über fünf Stunden schiesst er einem doch immer wieder durch den Kopf.

Still aus der Serie «Copenhagen Cowboy»: Ein Mann küsst die Hand einer Frau
   

«Copenhagen Cowboy». Regie: Nicolas Winding Refn. Dänemark 2022. Netflix.