Affäre Bührle: Die Aufklärung kann beginnen

Nr. 9 –

Der Entscheid wird über Zürich hinaus mit Spannung erwartet. Am Erscheinungstag dieser WOZ gibt Rechtsprofessor Felix Uhlmann bekannt, wer die Provenienzen der Bührle-Kunstsammlung untersuchen soll. Ein runder Tisch unter seiner Leitung hat unabhängig von Stadt, Kanton und Kunsthaus ein Bewerbungsverfahren durchgeführt. Gemäss verschiedenen Quellen wird Historiker Raphael Gross, der das Deutsche Historische Museum in Berlin präsidiert, die Untersuchung übernehmen.

Mindestens so wichtig wie die Personalie ist das Mandat. Wie aus einem Zwischenbericht hervorgeht, den Uhlmann kürzlich im Newsletter der europäischen Restitutionsausschüsse veröffentlicht hat, wurde am runden Tisch intensiv diskutiert, was Provenienzforschung überhaupt sein soll. «An dieser Stelle darf man sicher festhalten, dass der Begriff keineswegs gefestigt ist», heisst es im Beitrag. Auf Anfrage der WOZ äusserte sich Uhlmann im Vorfeld der Bekanntgabe zwar weder zur Personalie Gross noch zum Mandat, doch hielt er grundsätzlich fest: «Provenienzforschung soll sich nicht auf technische Daten von Handänderungen beschränken – sondern die Ergebnisse in einen historischen und normativen Kontext stellen.»

Dass mit Raphael Gross ein renommierter Forscher zur deutsch-jüdischen Geschichte und zum Holocaust mandatiert wird und sein Auftrag die Herkunftsbestimmung weit fasst, bedeutet einen Durchbruch. Die Gilde der hiesigen Provenienzforschung – vom Kunstmuseum Bern abgesehen – verschanzt sich bisher allzu gerne hinter der Vorstellung einer kontextlosen Kunstgeschichte. Provinzforschung wäre dafür der passendere Begriff.

Kein Wunder, versuchte Kunstkritiker Gerhard Mack am Wochenende in der «NZZ am Sonntag» bereits, Raphael Gross in Misskredit zu bringen. Er warf ihm gar Erpressung vor, weil er den Auftrag alleine durchführen wolle, und verbreitete wieder die alte Leier von einer «Restitutionsindustrie». Mack stand der Bührle-Stiftung über all die Jahre publizistisch treu zu Diensten. Bleibt die Hoffnung, dass es sich bei seiner Diffamierung um ein letztes Rückzugsmanöver handelt – und in Zürich endlich eine Phase der Aufklärung beginnt.