Berufliche Vorsorge: Von wegen Ausgleich

Nr. 9 –

Die diese Woche vom Nationalrat beschlossene Reform der beruflichen Vorsorge produziert grosse Ungerechtigkeiten, obwohl sie einst als fairer Ausgleich angelegt war. Doch sie schafft auch Klarheiten. Die erste: Politische Amnesie scheint weit verbreitet im Bundesparlament. Lange ist es nämlich nicht her, da machten die Stimmbürger:innen klar, in welche Richtung es mit der Rente nicht gehen darf: nach unten. Eine Mehrheit von drei Vierteln der Abstimmenden sagte 2010 Nein zu einer Senkung des Umwandlungssatzes auf das angesparte Kapital von 6,8 auf 6,4 Prozent in der zweiten Säule. Nun glaubt die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat offenbar an einen grösseren Meinungsumschwung, denn der Umwandlungssatz soll gleich auf 6,0 Prozent runter. Und die einst vom Bundesrat, den Gewerkschaften und dem Arbeitgeberverband anerkannten Kompensationsmassnahmen sind grösstenteils weggefallen. Der Gewerkschaftsbund rechnet mit 200 Franken weniger Rente im Durchschnitt.

Die zweite Klarheit: Innerhalb des Systems der beruflichen Vorsorge sind mit Reformen nur Verschlechterungen möglich. Zwar führt der geplante Umbau dazu, dass viele Teilzeitbeschäftigte, vor allem solche mit mehreren Jobs, neu über einen besseren Versicherungsschutz verfügen. Doch der Preis dafür ist hoch. Die erhöhten Lohnabzüge führen dazu, dass Monat für Monat viel Geld im Portemonnaie fehlt – ohne Garantie auf eine ausreichende Rente im Alter.

Für die bürgerlichen Parteien ist das alles belanglos. Sie verfolgen mit der Reform, die nun noch ein letztes Mal durch den Ständerat muss, vor allem ein Ziel: Sie soll den Druck von den Pensionskassen nehmen und ihnen zugleich frisches Geld von Sparer:innen zuführen, von dem sich Gebühren abschöpfen lassen. Für alle anderen wird spätestens jetzt deutlich, dass eine Verbesserung der Altersvorsorge nur ausserhalb der zweiten Säule möglich ist.